Chefdiplomat in Sachen Bürokratie

Stellvertreter des Stammapostels, rechte Hand im Umgang mit Behörden, ein Mann für schwierige Fälle. Und dennoch alles andere als ein Bürokrat: Apostel Arthur Landgraf, der morgen vor 130 Jahren geboren wurde.

Da war die Frau, die binnen kurzer Zeit mehrere ihrer Lieben in die jenseitige Welt abgeben musste. Als der Apostel selbst nicht trösten konnte, vermittelte er ein Treffen mit Max Hölting; und der blinde Berliner Komponist fand Kraft seiner Musik tatsächlich den tröstenden Zugang.

Da war die Mutter, die ihre unverheiratet schwangere Tochter – man schrieb die 1930er Jahre – vor die Tür setzen wollte. Doch Arthur Landgraf konnte sie überzeugen, dass nicht Richten, sondern Helfen das Gebot der Stunde war. Am Ende ehelichte die Tochter den Kindesvater, der sogar ihren Glauben annahm.

Und so kommt ein Nachruf zu dem Ergebnis: „Mit viel Liebe, großer Weisheit und wohltuender Herzlichkeit diente Apostel Landgraf den Gotteskindern. In seiner schlichten und einfachen Art, geleitet von einem feinen Gespür für die Sorgen der ihm Anvertrauten, gewann er schnell die Herzen der Geschwister.“

Stellvertreter des Stammapostels

Wer war diese kultivierte Herr im eleganten Anzug mit getupfter Krawatte und dem zugewandt lächelnden Blick? Am 20. Januar 1888 in Sachsen (Deutschland) geboren, wuchs Arthur Landgraf in ärmlichen Verhältnissen auf. „Um endlich Ruhe zu haben“, gab er als gut 30-Jähriger dem Drängen seiner Frau nach, begleitete sie zu einem neuapostolischen Gottesdienst – und blieb.

1919 empfing er die Heilige Versiegelung, 1921 wurde er zum Unterdiakon gesetzt und – nach diversen Amtsstufen 1927 als Apostel ordiniert. 1928 übernahm er als Bezirksapostel den Arbeitsbereich Leipzig. Doch bei diesem Maß an Verantwortung sollte es nicht bleiben.

Gespür für das rechte Wort zur rechten Zeit, Gewandtheit und stilsicheres Auftreten, schriftstellerische Begabung und Führungsqualitäten: Diese Qualitäten von Apostel Landgraf bewogen Stammapostel Johann G. Bischoff dazu, ihm 1933 seinen eigenen Apostelbezirk Frankfurt anzuvertrauen und schließlich zu seinem Stellvertreter als Vorsitzender des „Apostelkollegiums der neuapostolischen Gemeinden Deutschlands“ zu machen.

Ein Mann für schwierige Fälle

Schnell wurde Apostel Landgraf zum Spezialisten für delikate Angelegenheiten: Etwa Anfang 1934, als der Berliner Bezirksapostel Martin Lax zusehends an Demenz erkrankte. In dieser menschlich heiklen Situation schickte der Stammapostel seinen Helfer in die Hauptstadt, um den Amtsinhaber vom Ruhestand zu überzeugen und die Aufgabe selbst zu übernehmen.

Oder als 1936 im Zuge des sogenannten Sammlungsverbotes das Aufstellen von Opferkästen untersagt wurde und die Beschlagnahme von Opfergeldern drohte. In dieser politisch brisanten Lage gelang es Apostel Landgraf in stetigem persönlichen Kontakt mit Vertretern des Innenministeriums und des Kirchenministeriums wiederholt Ausnahmegenehmigungen zu bekommen. Der Preis des Erfolgs: Anbiederung an die staatlichen Stellen. Und ein Schild am Opferkasten mit der Aufschrift: „Nur für Mitglieder! (Vereinsbeitrag)“.

Oder Anfang der 1940er Jahre, als Arthur Landgraf zu den Aposteln zählte, die Stammapostel Bischoff nahelegten, einen Nachfolger zu benennen. Da zählte er zu den drei Kandidaten, die seine Amtskollegen vorschlugen. Allerdings nahm er sich selbst aus der Auswahl wieder heraus – zugunsten von Bezirksapostel Peter Kuhlen aus dem Rheinland.

„Da oben bin ich zu weit weg“

Bei alledem war Apostel Landgraf keiner von denen, die vor lauter Amt und Würden abhoben. Davon erzählt zum Beispiel die Begebenheit in der Siechenhauskapelle St. Laurentius. Die diente der neuapostolischen Gemeinde Neuruppin vorübergehend als Gotteshaus. Bei seinem ersten Besuch dort erklomm der Apostel tatsächlich die Stufen zum dreiseitigen Kanzelkorb und predigte von dort.

Nach dem Gottesdienst scharte er allerdings die Amtsträger um sich und sagte: „Da oben bin ich zu weit weg von euch und fühle mich direkt einsam.“ Und fortan diente ein kleiner – vor dem Hochaltar aufgestellter – Tisch als klassisch-neuapostolischer Altar mit Pult und Abendmahlskelchen.

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Andreas Rother
19.01.2018
Bezirksapostel, Persönlichkeiten