Mit Gott gehadert und Gott erlebt

Gehörlos und Priester – geht das denn? Aber sicher: Frank Jensen (50) aus Wiesbaden (Deutschland) berichtet von seinem Lebens- und Glaubensweg. Der führt ihn dahin, dass er heute gleich drei Gemeinden angehört.

Als Frank auf die Welt kam, bemerkten seine Eltern – Marianne und Manfred Jensen (heute Bezirksältester i. R.) – nicht, dass ihr fröhliches Kind bereits seit der Geburt gehörlos war. Nur wenn die Mutter Franks vier Monate jüngere Cousine beobachtete, hatte sie immer wieder das Gefühl, da stimme etwas nicht. Mit etwa einem Jahr ließen die Eltern ihren Sohn ärztlich untersuchen.

Einige Jahre später fand man heraus, dass Marianne Jensen während der Schwangerschaft eine Röteln-Infektion hatte. Oft legen Ärzte in solchen Fällen den Eltern einen Schwangerschaftsabbruch nahe. Marianne und Manfred Jensen freuten sich im Nachhinein, dass die Röteln erst später nachgewiesen wurden. Auch Frank ist sichtlich gerührt: „Ich bin dem lieben Gott dankbar, dass er mir geholfen hat, das Leben überhaupt beginnen zu dürfen.“

Frank wuchs behütet in seiner Familie auf. Mithilfe einer einfachen Zeichensprache kommunizierte er mit seinen Eltern und später auch mit seiner Schwester Marlies. Seiner Gehörlosigkeit so richtig bewusst, wurde er sich erst beim ersten Tag an der Gehörlosenschule. „Ich sah andere Kinder gebärden. Die Lehrer haben gesprochen. Ich habe sie alle nicht verstanden.“ In der Schule lernte Frank die Deutsche Gebärdensprache. Damit kam auch das Selbstbewusstsein, zu bekennen: „Ich bin gehörlos“, und es entstand der Wunsch, für sich die Welt der Hörenden und die Welt der Gehörlosen zusammenzubringen.

Der erste „richtige“ Gottesdienst

Der neuapostolische Glaube hatte in der Familie Jensen schon immer einen hohen Stellenwert. Für Frank als Kind bedeutete es zunächst, mitzukommen und auszuharren. Denn es gab keine Erfahrung mit Gehörlosen in der Gemeinde. „Ich saß bei meiner Mutter, habe mir den Chor und den Raum angeschaut, mich oft einfach gelangweilt. Doch ich ging gerne mit, denn ich fühlte mich im Gotteshaus immer wohl. Erklären konnte ich es mir nicht. Was gesprochen wurde, habe ich nicht verstanden, ich habe es wohl mit meinem Herzen gefühlt“, berichtet Priester Jensen.

Seinen ersten „richtigen“ Gottesdienst erlebte Frank Jensen in Dortmund. Damals war er bereits zwölf Jahre alt. Kurz zuvor brachte sein Vater in Erfahrung, dass Bezirksältester Günther Lierse in Dortmund (Nordrhein-Westfalen) Gottesdienste für Hörgeschädigte hält. Die Mutter machte sich mit Frank auf den Weg. „Gottesdienst mit Gebärden! Ich war begeistert!“, jubelt Frank Jensen auch heute noch. Seine Mutter berichtete nach dem Gottesdienst, wie Frank mit vor Anstrengung roten Augen dasaß, um bloß keine Gebärde zu verpassen. Danach fuhr die Mutter regelmäßig mit Frank nach Dortmund.

Erfreut über die Wirkung der Gottesdienste auf ihren Sohn sprachen die Eltern ihren damaligen Bezirksapostel an. Am 8. August 1982 fand der erste Hörgeschädigten-Gottesdienst in Hessen statt. Seit 1984 finden in der Gebietskirche Hessen/Rheinland-Pfalz/Saarland regelmäßig Gottesdienste für Hörgeschädigte statt. Seit Mai 1998 versammeln sie sich in der Gemeinde Lich.

Auf und Ab im Glauben

Als Kind habe er sich kaum Gedanken über seine Gehörlosigkeit gemacht, sagt Priester Jensen. Umso mehr beschäftigte ihn dies in der Jugendzeit. „Ich habe mit Gott gehadert. Bereits vor meiner Konfirmation fragte ich ihn, warum die anderen hören können und ich gehörlos bin. Ich habe keine Antwort bekommen. Doch ich habe weiter gebetet, dass ich ihn erlebe, und habe im Konfirmationsgelübde meinen Glauben bekannt“, erzählt er. „Ich habe immer gehofft, dass ich mit meiner Familie im Hause Gottes bleiben darf. Und ich bin dem lieben Gott dankbar, dass es bis heute so ist.“

Bemerkenswert ist, dass Frank Jensen ein aktives Mitglied in gleich drei neuapostolischen Gemeinden ist: Neben seiner Heimatgemeinde Wiesbaden und der Hörgeschädigten-Gemeinde in Hessen gehört er seit vielen Jahren offiziell auch zu der Hörgeschädigten-Gemeinde der Gebietskirche Süddeutschland.

Als Amtsträger aktiv

In allen drei dient er auch als Amtsträger, obwohl er sich sehr sicher gewesen war, dass er als Gehörloser nie ins Amt komme. Frank Jensen war 20, als er gefragt wurde, ob er bereit wäre, als Unterdiakon zu dienen. „Es kam sehr unerwartet, doch natürlich konnte und wollte ich helfen, unterstützen.“

Elf Jahre später wurde Frank Jensen ins Diakonenamt gesetzt. „Das hatte mich echt überrascht, weil darüber zuvor kein Gespräch geführt worden war.“ Und wie hat er reagiert, als er erfahren hat, er solle das Priesteramt empfangen? „Ich dachte, ich hätte es falsch verstanden.“

Im August 2015 wurde er als Priester ordiniert. „Nun ist einiges anders. Als Priester werde ich zum Mitdienen aufgerufen, nicht nur in den Gottesdiensten für Hörgeschädigte. Ich teile das Heilige Abendmahl aus. Ich betreue auch ein älteres Ehepaar in meiner Heimatgemeinde. Dieser Priester in Ruhe beherrscht die Gebärdensprache und hat viele Jahre für mich übersetzt“, berichtet Priester Jensen. „Ich habe noch viel zu lernen“, sagt er und zeigt sich den Vorstehern der beiden Hörgeschädigten-Gemeinden sehr dankbar für das liebevolle Anleiten.

Und was bedeutet diese neue Aufgabe für ihn? „Ich erlebe Gott in meinem Amtsauftrag und in der Gemeinschaft mit den Glaubensgeschwistern. Gott hat mich gerufen. Ich bin ihm dankbar für seine Hilfe, denn nur durch ihn ist es möglich, als Amtsträger im Werk unseres Herrn mitzuarbeiten.“


Ein ausführliches Portrait von Priester Jensen bietet die Zeitschrift "Unseren Familie" in der Ausgabe 09/2017.

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Dinara Ganzer
23.09.2017
Priester, Persönlichkeiten