Gottesdienste in „Leichter Sprache“ kommen gut an

Der Hintergrund stammt aus den USA, ein innerkirchlicher Impuls kam aus den Niederlanden und breitere Anwendung findet sich jetzt in Deutschland: „Gottesdienste in leichter Sprache“ heißt ein Modellprojekt, das derzeit in der Neuapostolischen Kirche Nordrhein-Westfalen läuft.

Die Kirche ist fast vollbesetzt. Am Altar stehen Gläser mit brennenden Teelichtern. Diese haben die Gottesdienstbesucher aus dem Vorraum mitgebracht. Die Gemeinde singt das Lied „Stern, auf den ich schaue“. Das Bibelwort ist kurz: „Der Herr ist mein Licht“ (aus Psalm 27,1). Und die Sätze des Apostels sind ebenso knapp: „Der Herr ist Gott. Und Gott ist wie ein Licht. Und das Licht scheint uns.“

Anstoß kommt aus den Niederlanden

So begann im November 2013 in der Kirche Dortmund-Aplerbeck-Mitte der erste „Gottesdienst in leichter Sprache“ in Nordrhein-Westfalen. Gehalten hat ihn der heutige Bezirksapostel Rainer Storck, damals noch Bezirksapostelhelfer und in der Gebietskirche verantwortlich für die Seelsorge an Menschen mit Behinderungen.

Der Anstoß für diese Predigtform kam aus den Niederlanden. Dort hatte die Neuapostolische Kirche beim „Dag voor de Koningskinderen“ gute Erfahrungen damit gemacht. Einmal jährlich kommen dabei Menschen aller Altersgruppen zusammen, die eine Predigt nur schwer kognitiv aufnehmen können. Sie erleben einen Gottesdienst, der sie verstärkt auf der Gefühlsebene anspricht, um so Nähe zu Gott und Geborgenheit in der Gemeinschaft zu vermitteln.

Hilfe für viele unterschiedliche Gruppen

Das Konzept „Leichte Sprache“ stammt aus den USA. Forschung dazu gibt es zwar schon seit dem 19. Jahrhundert. Die Anwendung im Alltag verbreitete sich aber erst, als sich dort in den 1970er Jahren der Selbsthilfeverein „People First“ gründete. Ähnliche Entwicklungen entstanden etwa zur gleichen Zeit in Schweden, zehn Jahre später in Finnland sowie in den 1990er Jahren in den Niederlanden, Großbritannien und Deutschland.

Leichte Sprache wendet sich an Menschen mit Wahrnehmungseinschränkungen: Den Begriff „geistig Behinderte“ lehnen die Vertreter des Konzeptes ab. Sie sprechen von Menschen mit Lernschwierigkeiten. Studien haben gezeigt, dass von dieser Art von Kommunikation auch Menschen mit Demenz-Erkrankungen, funktionale Analphabeten, Gehörlose und Migranten profitieren können.

Verständlichkeit und Anschaulichkeit

Leichte Sprache zielt darauf ab, die Verständlichkeit von Gesprochenem und Geschriebenem zu erhöhen. Dafür gibt es ein festes Regelwerk. Dazu gehören unter anderem: kurze aktiv formulierte Sätze, die nur eine Aussage enthalten, der Verzicht auf Fremdworte, abstrakte Begriffe und Redewendungen sowie das Vermeiden grammatischer Formen wie Konjunktiv oder Genitiv. Allerdings: „Leichte Sprache ist keine Kindersprache.“

Zum Einsatz kommen soll zudem alles, was das Gesagte anschaulich macht. So nutzt der Premiere-Gottesdienst zum Thema „Der Herr ist mein Licht“ einen Projektor um Bilder zu zeigen: eine Sonne als Symbol für Helligkeit, Stärke und Freude, ein Kaminfeuer für Wärme, ein Leuchtturm für Wegweisung und eine Ampel als Zeichen der Sicherheit.

Angebot findet guten Anklang

Ein Gottesdienst in leichter Sprache braucht viel Vorbereitung. Darum kümmert sich in Nordrhein-Westfalen ein Arbeitskreis, dem vornehmlich Pädagogen angehören. Alle ein bis zwei Monate treffen sich die Mitglieder, um einen detaillierten Leitfaden auszuarbeiten. Grundlage ist ein Bibelwort nach Vorgabe von Apostel Wolfgang Schug, der mittlerweile für die Seelsorge an Menschen mit Behinderungen in der Gebietskirche zuständig ist. Daraus entwickelt der Arbeitskreis passende Bilder und die einzelnen Gedankenschritte. Das soll den Dienstleiter unterstützen, aber nicht einschränken.

So hat sich aus der Auftaktveranstaltung im Jahr 2013 nun ein Gottesdienstprogramm für 2015 entwickelt. Zwei Gottesdienste sind bereits gehalten, zwei weitere folgen noch – insgesamt jeweils einer pro Apostelbereich. Die Erfahrungen damit sind gut: Nach dem vollen Haus bei der Premiere, so berichtet die Gebietskirche auf ihrer Webseite, wird das Angebot weiterhin gut angenommen.

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Andreas Rother
18.06.2015
Deutschland, Niederlande, Gemeindeleben