Ein Meilenstein der neuen Apostelgeschichte

Es ist die eigentliche Geburtsstunde für das Apostolat der Neuzeit: Heute vor 180 Jahren sonderten die katholisch-apostolischen Gemeinden in London ihre Apostel aus. Doch die weitere Geschichte entwickelte sich anders als erwartet.

Apostel waren in England schon zuvor berufen und mit Amtshandlungen aktiv geworden. Dennoch war der 14. Juli 1835 ein Meilenstein. Das erläuterte später Thomas Carlyle, jener Apostel, in dessen Tradition später das Apostolat in Deutschland seine Fortsetzung fand. Er verglich den Werdegang mit den drei Salbungen Davids: durch den Propheten Samuel, durch den Stamm Juda und durch ganz Israel (1. Samuel 16,13; 2. Samuel 2,4; 5,3). Die erste Salbung setzte Carlyle mit der prophetischen Rufung der Apostel gleich, die zweite mit der „Aussonderung“ und die dritte mit der noch ausstehenden „Aussendung“.

Wunsch nach neuer Wirksamkeit des Heiligen Geistes

Die Vorgeschichte: Christen unterschiedlicher Konfessionen empfanden die Umwälzungen nach der Französischen Revolution und durch die Industrielle Revolution als Verweltlichung. Angeregt durch den Geistlichen James Haldane Stewart entstand um 1820 der Wunsch nach einer neuen Wirksamkeit des Heiligen Geistes, der sich unter anderem in Berichten von überraschenden Krankenheilungen bestätigt fand. Vertreter der „prophetischen Schule“ trafen sich, um die biblischen Verheißungen für die letzte Zeit zu ergründen – in Gebetskreisen oder auch in der „Albury-Konferenz“ des Landedelmanns Henry Drummond und des Predigers Edward Irving.

Je stärker sich diese Entwicklungsstränge miteinander verknüpften, umso stärker trat die apostolische Bewegung hervor. Weissagungen sahen den Juristen John Bate Cardale als Apostel Jesus Christi, dessen prophetische Berufungen ab September 1832 von der Gemeinde Irvings und weiteren Gemeinden anerkannt wurden. An Weihnachten des gleichen Jahres nahm Cardale mit zwei Ordinationen seine ersten Amtshandlungen als Apostel vor.

Die Vorzeichen erfüllen sich

Schon Anfang 1832 war der 14. Juli 1835 als Termin für ein besonderes Ereignis geweissagt worden. Was der Weissagende zunächst als Datum für die Wiederkunft Christi ansah, wurde später als Zeitpunkt für die Kirchwerdung der apostolischen Bewegung gedeutet. Dazu bedurfte es nach damaligem Verständnis allerdings der biblischen Vollzahl von sieben Gemeinden in London und der zwölffachen Besetzung des Apostelamtes.

Predigten unter freiem Himmel im Stadtteil Paddington und ähnliche Aktivitäten im vornehmen Westminster führten zu Gründung der beiden fehlenden Gemeinden. Doch bis zum Nachmittag des erwarteten Termins gab es nur elf Apostel. Denn der zwölfte wollte seine Berufung nicht annehmen. Nach dem biblischen Vorbild der Nachwahl des Apostel Matthias (Apostelgeschichte 1,15–26) entschied schließlich das Los zwischen zwei Kandidaten.

Eine Kirche unter Aposteln entsteht

Nun waren alle Zeichen erfüllt: Am Abend des 14. Juli 1835 legte jeder der Engel (Bischöfe) aus den sieben Gemeinde Londons jedem der zwölf Apostel die Hände auf. Damit bekundeten sie, dass die Apostel fortan „ausgesondert seien“, soll heißen: Sie wurden von ihren bisherigen Aufgaben in der Gemeindearbeit freigestellt sowie für ihre künftige Aufgabe ausgerüstet und gesegnet – die Leitung der Gesamtkirche, die nach damaliger Überzeugung gerade im Entstehen begriffen war.

Bis sie darin aktiv wurden, zogen sich die Apostel allerdings zu einer Lehrzeit zurück. Erst danach würde die „Aussendung“ erfolgen. Doch zu diesem Schritt sollte es in der erwarteten Weise nicht mehr kommen. Der Aufruf der Apostel an die Geistlichen in aller Welt, sich der Autorität des neuen Apostolats zu unterstellen, das „Große Testimonium“, verhallte nahezu ungehört.

Die beiden Zweige trennen sich

Dennoch begannen die englischen Apostel mit der Bereitung der Braut Christi. Ab 1847 begannen sie in den ihnen jeweils zugeordneten Arbeitsbereichen mit Wasser getaufte Christen zu versiegeln. Zahlenmäßig besonders erfolgreich war dabei Apostel Carlyle, der vor allem in Norddeutschland aktiv war. Er war es auch, der sich dafür einsetzte, die Zwölfzahl der Apostel wiederherzustellen, nachdem zwei von ihnen ihre Tätigkeit ruhen ließen. Allerdings konnte er sich im Apostelkollegium nicht durchsetzen.

Nachdem Apostel Carlyle 1855 gestorben war, änderte sich die katholisch-apostolische Lehre. Demnach sollte eine Bischofskirche, geleitet von 70 „Erzengeln“, das Werk der Apostel nach deren Heimgang fortsetzen. Dennoch berief Edward Oliver Taplin, der „Pfeiler der Propheten“, im Jahr 1859 einen engen Mitarbeiter Carlyles zu dessen Nachfolger als Apostel für Norddeutschland. Ähnlich wie bei den späteren Rufungen durch den deutschen Propheten und Carlyle-Anhänger Heinrich Geyer lehnten die englischen Apostel diese Amtseinsetzungen ab.

Die Bedeutung für die Neuapostolische Kirche

Spätestens hier trennten sich die beiden Zweige, die schon innerhalb der katholisch-apostolischen Bewegung existiert hatten. Aus der Tradition von Apostel Carlyle ging – über den Zwischenschritt der „Allgemeinen Christlichen Apostolischen Mission“ – die Apostolische Gemeinde und schließlich die Neuapostolische Kirche hervor.

So hat der 14. Juli 1835 auch für die Neuapostolische Kirche eine besondere Bedeutung, wie es in einer offiziellen Stellungnahme der Arbeitsgruppe Geschichte heißt: „Die Neuapostolische Kirche versteht sich als Weiterführung der Katholisch-apostolischen Kirche. Auch wenn sich beide Kirchen in der Organisation und Gottesdienstform stark unterscheiden, verbindet sie die Gewissheit, dass die Apostel in ihrer gemeinsamen Tätigkeit für die Bereitung der Braut des Herrn notwendig sind.“

Weitere Informationen in deutscher Sprache bieten: die offizielle Verlautbarung der Arbeitsgruppe Geschichte, das Zentralarchiv der Neuapostolischen Kirche Nordrhein-Westfalen, die "Erzählung von Begebenheiten" von Apostel Woodhouse sowie die Artikelserie „Auf dem Weg zur Neuapostolischen Kirche“.

Artikel-Infos

Autor:
Datum:
Schlagworte:

Andreas Rother, Manfred Henke
14.07.2015
Apostel, Konfessionen