Toleranz – mehr als nur ein Wort

„Dulden heißt beleidigen“, sagt der große Goethe. In seinen „Maximen und Reflexionen“ schreibt er, dass Toleranz eigentlich nur eine vorübergehende Gesinnung sein sollte: Sie müsse zur Anerkennung führen. Was ist Toleranz? Und warum braucht es dafür einen internationalen Gedenktag?

Am 16. November jeden Jahres findet der internationale Tag für Toleranz statt – seit 1995. Damals unterzeichneten 185 Mitgliedsstaaten der UNESCO feierlich die Erklärung der Prinzipien zur Toleranz. Darin heißt es feierlich, dass die UNO entschlossen sei, „alle positiven Schritte zu unternehmen, die notwendig sind, um den Gedanken der Toleranz in unseren Gesellschaften zu verbreiten – denn Toleranz ist nicht nur ein hochgeschätztes Prinzip, sondern eine notwendige Voraussetzung für den Frieden und für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung aller Völker.“ Toleranz trage dazu bei, Krieg durch eine Kultur des Friedens zu überwinden.

Für mehr Toleranz ist irgendwie jeder, vor allem wenn es um das eigene Recht geht. Doch in der Naturwissenschaft und in der Technik beschreibt der Toleranzwert eine zulässige Abweichung, eine Differenz zum Standard. Wie viel Abweichung ist zulässig, wer gibt das vor? Hat immer die Mehrheit recht? Sicher nicht!

Toleranz und Nächstenliebe

Im Katechismus der Neuapostolischen Kirche (KNK) taucht der Begriff Toleranz an zwei Stellen auf. Da wird etwa in 5.2.3 auf die „goldene Regel“ in Matthäus 7,12 verwiesen: „Alles nun, was ihr wollt, dass euch die Leute tun sollen, das tut ihr ihnen auch!“ Toleranz und Nächstenliebe gehören also zusammen. Jeder solle den anderen so lieben wie Christus die Seinen, heißt es im KNK. Es gelte, „in liebevoller Hinwendung zu Bruder und Schwester in der Gemeinde, unabhängig von der Wesensart oder der sozialen Stellung“ zu leben.

Berühmt ist Jakobus 2: „kein Ansehen der Person in der Gemeinde“. Auch dazu nimmt der Katechismus Stellung. Apostel Jakobus bezeichne es als unvereinbar mit dem „Glauben an Jesus Christus, unsern Herrn der Herrlichkeit", wenn innerhalb der Gemeinde Unterschiede gemacht werden. In welche Richtung also auch immer Vorurteile in der Gemeinde gehen — sie verstoßen gegen das Gebot der Liebe zum Nächsten. Dagegen sei die „Liebe untereinander“ eine besondere Kraft, die den Zusammenhalt in der Gemeinde festigt und Wärme ins Gemeindeleben bringt. Sie verhindere, dass Konflikte — die in jeder menschlichen Gemeinschaft auftreten — zu dauerhaften Auseinandersetzungen führen. Und sie befähige dazu, Bruder und Schwester so anzunehmen, wie sie sind. Auch wenn die Vorstellungen, Denkstrukturen und Verhaltensweisen von Gemeindemitgliedern den anderen unverständlich sind, führt das nicht zu deren Abwertung oder Ausgrenzung, sondern findet Toleranz.

Starke Sätze!

Aufruf zum Frieden

Interessant auch KNK 13.5. Darin wird festgehalten, dass in der Neuapostolischen Kirche das Evangelium Christi verkündigt werde. „Das bedeutet für die Mitglieder, allen Menschen, unabhängig von ihrer sozialen Herkunft, ihrem Alter, ihrer Sprache und anderer Unterschiede mit Achtung und Toleranz zu begegnen.“

Neuapostolische Christen sollen für Frieden in der Welt eintreten, zur Versöhnung aufrufen und zur Vergebung mahnen. Jegliche Art von Gewalttätigkeit lehnt die Kirche ab. Das – Katechismus hin oder her – bleibt unsere Aufgabe!

Gerade in diesen Tagen beweist sich die Richtigkeit dieser Aussagen. Ohne ausgeprägte Toleranz, die aus christlicher Sicht in Verbindung mit der Liebe zum Nächsten steht, ist zwischenmenschliches miteinander nicht möglich. Toleranz ist mehr als nur ein Wort!


Foto: diego cervo - Fotolia

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Peter Johanning
16.11.2015
International