Fotografieren im Gottesdienst, ein Dienst für sich

Zwei Minuten vor Gottesdienstbeginn mit Makroobjektiv und Ringblitz jede einzelne Blume des Altarschmucks fotografieren? Zu besseren Ausleuchtung des Altarraums vier funkgesteuerte Blitzgeräte im Blumenschmuck verstecken? – Was geht und was nicht geht!

Womit ziehe ich als Fotograf im Gottesdienst Zorn und Bann auf mich? Womit verärgere ich Glaubensschwestern und -brüder und störe Andacht und Heiligung? Oder: Wie schaffe ich es, dass alle einigermaßen zufrieden sind und gute Bilder die schriftliche Berichterstattung ergänzen?

Heiligung und Andacht

„Die gottesdienstliche Gemeinde versammelt sich, um Gottes Wort zu hören und durchs Sakrament gesegnet zu werden. Der Mensch bringt Gott in Ehrfurcht und Demut Anbetung entgegen. So ist Gottesdienst Begegnung von Gott und Mensch. Im anbetenden Dienen der Gläubigen und in wahrnehmbarer Gegenwart des dreieinigen Gottes erlebt die Gemeinde, dass Gott ihr in Liebe dient“, so beschreibt es der Katechismus der Neuapostolischen Kirche (KNK 12.1.1).

Ein Fotograf wird an dieser Stelle nicht genannt. Und so erklärt sich vielleicht auch das mancherorts vorhandene Unbehagen, wenn der Fremdkörper „Mensch mit Kamera“ auftaucht. Denn: Gottesdienstteilnehmern (und Fotografen in der Regel auch) ist es wichtig: In Abgrenzung zu allen anderen Orten, ist dies der Platz, an dem Heiligung und Andacht in besonderer Weise vorhanden sind.

Klickgeräusche einer Spiegelreflexkamera gehören genauso wenig dazu, wie ein Fotograf, der im unpassenden Moment durch die Gänge schleicht. Das persönliche Empfinden ist schnell gestört, wenn ungeschriebenen Gesetzen nicht die notwendige Beachtung geschenkt wird.

Zu innovativ?

  • Während des Gebetes die Glaubensgeschwister porträtieren – schließlich stehen sie endlich einmal für kurze Zeit still und wehren sich nicht.
  • Während des Gottesdienstes dem Sitznachbarn über die Vorschaufunktion der Kamera die besten Schnappschüsse zeigen.
  • „Zur Seite!“ rufen und sich lautstark Platz verschaffen um doch noch ein Bild von der Verabschiedung zu machen, nachdem man sich zunächst mit einem alten Freund 15 Minuten festgequatscht hat.
  • Auch nach dem dritten Reinfall immer noch davon überzeugt sein, dass eine kleine Kompaktkamera zur Fotografie in großen Hallen völlig ausreichend ist und alles andere nur unverhältnismäßiger, kommerzieller Technikwahn einzelner Freaks darstellt.
  • Dem zweiten Fotografen hinterherrennen und versuchen, möglichst jedes seiner Bilder nach zu fotografieren. Im Foto-Workshop hat man letztens gehört, von anderen Fotografen zu lernen.
  • Den Dienstleiter während des Chorgesangs noch schnell pudern, damit die verschwitzte Stirn nicht so stark reflektiert.
  • Leere Akkus während des Gottesdienstes an der Ton-Bild-Anlage aufladen lassen. Hier gibt es schließlich kostenfreien Strom und der Diakon hat eh nichts zu tun.
  • Bilder auch dann veröffentlichen, wenn abgebildete Personen ausdrücklich „Nein!“ gesagt haben. Es sind ja Glaubensgeschwister und die meinen das sicherlich nicht so.

Übertrieben? Unrealistisch? – Keinesfalls. Alles das gab es tatsächlich irgendwann und irgendwo schon einmal.

„… mach bloß viele gute Bilder!“

Es ist ein Spagat, den der Fotograf zu leisten hat: Brennweite, Blende, Belichtungszeit, ISO-Wert für jedes einzelne Bild zuverlässig und korrekt einstellen und dabei immer zur rechten Zeit am rechten Ort sein; nicht zu vergessen: möglichst unsichtbar, möglichst geräuschlos und wenn doch einmal für einen Sekundenbruchteil erkennbar, dann aber keinesfalls den Videokameras ins Bild laufend.

Das mediale Zeitalter braucht Bilder, auch Bilder von Gottesdiensten, von Andachten, von Konzerten. Tausende Websites der Neuapostolischen Kirche leben von aussagekräftigen Texten und großartigen Bildern. Es ist Teil der Öffentlichkeitsarbeit, Teil der christlichen Mission: dem Nächsten etwas vom gelebten Glauben, von den Glaubensfeiern, neuapostolischer Christen nahezubringen.

Was hilft?

Rechtzeitig mit Dienstleiter, Ordnungsdienst und Redaktion über den Umfang des Fotografierens sprechen – das macht die Arbeit greifbar und räumt Missverständnisse aus. Möglichst dann fotografieren, wenn leichte ‚Grundgeräusche‘ vorhanden sind (also besser während des Gesangs als in den kurzen Musikpausen oder besser während der Predigt als in den kurzen Redepausen). Falls vorhanden: Silent-Modus nutzen und Auslösegeräusche durch die richtige Kameraeinstellung vermeiden. ‚Piepstöne‘ deaktivieren – dass der Fokus sitzt, zeigt eine Kamera auch im Sucher an. Während des gemeinsamen oder persönlichen Gebetes nicht fotografieren. Kurze Wege planen und nicht unnötig herumlaufen.

Im gelegentlichen Gespräch mit anderen Fotografen lassen sich weitere Tipps finden. Und auch ein Feedback vom Dienstleiter, erbeten oder unaufgefordert, kann helfen.

Und nein: Zur besseren Ausleuchtung des Altarraumes bitte keinesfalls vier funkgesteuerte Blitzgeräte im Blumenschmuck verstecken. Und auch ein Makroobjektiv gehört nicht notwendigerweise zur Grundausstattung des Gottesdienstfotografen.

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Oliver Rütten
11.10.2017
Medien, Gottesdienst, Gemeindeleben