Jesus will kommen: Willkommen, Jesus!

Stall, Krippe, Ochs‘ und Esel – so hat man jene stille Nacht vor Augen, die das Weltgeschehen verändert hat. Doch halt: Zwei von drei Zutaten gehören gar nicht ins Bild. Umso wichtiger die Frage: Erkennst du das Zeichen?

Ankunft in letzter Minute: Die Wehen nahen. Und das Paar hat noch keine Unterkunft. In der Not muss ein Stall herhalten. Hier erblickt „das Licht der Welt“ das Licht der Welt. Allerdings: Weder das Lukas- noch das Matthäus-Evangelium redet von einem Stall.

Ebenso wenig belegt ist die Höhle, welche die orthodoxe Kirche an dieser Stelle sieht. Ochse und Esel sind ganz weit hergeholt: nämlich aus Jesaja. Dort hergeholt hat es das so genannte „Pseudo-Matthäus-Evangelium“ – eine jener vielen späteren Schriften, die ausschmückten, was die Heilige Schrift an erzählerischen Lücken ließ.

Tatsächlich gehen Bibelwissenschaftler davon aus, dass Jesus in einem ganz normalen ländlichen Wohnhaus geboren wurde: in dem Vorraum, in dem sonst Tiere untergebracht waren, weil der Gastraum, die Herberge, bereits überfüllt war.

Müssen wir also jetzt die Weihnachtsgeschichte umschreiben?

Ganz nahekommen

Nein. Denn das entscheidende Zeichen bleibt bestehen und rückt durch dieses Wissen nur noch stärker in den Mittelpunkt. Zum Zeichen macht es die Bibel selbst: „Und das habt zum Zeichen: Ihr werdet finden das Kind in Windeln gewickelt und in einer Krippe liegen“ (Lukas 2,12).

Ein Kind in Windeln zu wickeln war auch damals nichts Bemerkenswertes. Doch was sagt uns diese Krippe, dieser Notbehelf von einer Baby-Wiege?

Gott wird Mensch, nicht nur einfach so, irgendwo. Er, der verherrlicht werden wird, fängt ganz armselig an. Er, der auffahren wird zum Vater, beginnt ganz unten, mitten in den Nöten des wirklichen Lebens. Der Erlöser will den Menschen ganz nahekommen.

Alles andere als ein Zufall

Wer genau hinschaut, der kann in der Krippe noch mehr erkennen. Denn die frohe Botschaft, das Evangelium, von der Geburt des Heilands, das überbringen die Engel nur einer ganz bestimmten Personengruppe direkt: den Hirten. Zufall? Die waren halt noch wach, oder? Von wegen …

„Kein Stand der Welt ist so verachtet wie der Stand der Hirten“, so heißt es in der Literatur der jüdischen Rabbiner. Das Hirtenvolk galt den Pharisäern als unrein, weil sie die Reinheitsgebote nicht so halten konnten, wie sie sollten. Man zählt sie zum „am ha-ares“, zum Volk der Erde, ebenso wie die Zöllner.

Immer wiederkommen

Und das hat eine Menge zu sagen: Jesus Christus kommt nicht zuerst zu den Reichen, Mächtigen und Perfekten. Er richtet sich zu allererst an die Armen, Wehrlosen und Verstoßenen. Von seinem ersten Atemzug in bescheidenden Verhältnissen bis zu seinem letzten Atemzug in schmerzhafter Erniedrigung: Er teilt das Leben derer, die er erretten will, in aller Konsequenz. Das wirft ein ganz besonderes Licht auf die Worte Gottes aus Jesaja 57,15: „Ich wohne in der Höhe und im Heiligtum und bei denen, die zerschlagenen und demütigen Geistes sind, auf dass ich erquicke den Geist der Gedemütigten und das Herz der Zerschlagenen.“

Jesus will kommen, wiederkommen, mitten in unser Leben, mitten in unsere ganz persönliche Lebenswirklichkeit – jeden Tag neu mitten in den Alltag hinein, und eines Tages umfassend und endgültig in all seiner Herrlichkeit. Heißen wir ihn willkommen, so wie es die Hirten taten: hören, sehen, staunen – und schließlich reden, erzählen, was wir mit ihm erleben.



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Andreas Rother
25.12.2018