Im Land der Steine: Schritte in die Unabhängigkeit

Es braucht nicht viel, um Menschen dabei zu unterstützen, wieder auf die eigenen Beine zu kommen. Doch für die Betroffenen beginnen so Schritte in ein neues Leben. Wie NAK-karitativ Familien in Armenien hilft, sich selbst zu helfen.

Ein Mythos besagt, dass die Armenier feierten, als Gott die Welt aufteilte. So blieb für sie nur noch das Land der Steine übrig. Tatsächlich, das Bild des kaukasischen Landes ist von Bergen geprägt.

Seit dem Zerfall der Sowjetunion und dem anhaltenden Konflikt mit Aserbaidschan leidet das Land unter diesen schwächenden Einflüssen. Viele Menschen finden trotz Ausbildung keinen Job. Eltern verkaufen ihre Wertsachen, um den Kindern eine Ausbildung zu ermöglichen. Die meisten von ihnen kehren nach dem Studium wieder in ihre Dörfer zurück. Einen Arbeitsplatz haben sie nicht gefunden.

Existenzsichernde Maßnahmen in Tawusch

Um ihre Familien versorgen zu können, treten viele Männer den Militärdienst in der Grenzregion „freiwillig“ an. Sie nehmen in Kauf, verletzt zu werden oder ihr Zuhause nicht mehr wiederzusehen. Andere werden vom Militär eingezogen. Ein dritter großer Anteil der Männer zieht es vor nach Russland zu gehen, um dort als Tagelöhner zu arbeiten. Zurück bleiben die Frauen.

Im Jahr 2015 startete das neuapostolische Hilfswerk NAK-karitativ in Noyemberian und Koghb die Nothilfeversorgung von 30 Familien. Die Stadtverwaltung und die lokale Organisation APAVEN halfen dabei, die besonders bedürftigen Familien auszuwählen. Gemeinsam mit den Familien entwickelte NAK-karitativ im Jahr 2016 Lösungen für nachhaltige Kleinwirtschaftsprojekte, sodass die Familien nicht mehr auf Hilfspakete angewiesen sind. Dazu gehörte der Aufbau von Friseursalons, Tierhaltung, Werkstattbau sowie Kuchenprojekte.

Impressionen und Erfolge

Nune ist 31 Jahre alt und hat einen fünfjährigen Sohn. Zur Zeit des ersten Treffens befand sich ihr Mann in Russland. Sie pflegte ihre kranke Mutter und blieb in der Ungewissheit, wann ihr Mann zurückkehren wird. Ebenso ungewiss war, ob er Geld schicken würde und wenn, wieviel ...

Nunes Ziel war die Eröffnung eines Maniküre-Salons. So könnte sie Geld verdienen und gleichzeitig ihr Kind und ihre kranke Mutter versorgen. In einer dreimonatigen Ausbildung lernte sie die Nagelkunst, NAK-karitativ finanzierte die Erstausstattung für ihr kleines Start-up. In einer Ecke der Wohnung ihrer Mutter richtete sie sich ein. Mittlerweile verdient Nune damit etwa 50 Euro pro Monat. Damit kann bereits eine kleine Wohnung angemietet werden.

Nunes Mann Igor ist mittlerweile aus Russland zurückgekehrt. Auf dem Grundstück von Igors Elternhaus baut sich das junge Ehepaar derzeit eine Tierhaltung auf. Auch dabei werden sie durch die Beschaffung von Hühnern unterstützt.

Drei weitere Frauen haben eine Friseurausbildung erhalten. Naira, die das Schicksal von Nune teilt, hat eine feste Anstellung in dem Salon der Ausbilderin erhalten, zwei Weiteren wurden die Erstausstattung für einen Salon sowie die ersten beiden Monatsmieten finanziert. Auch sie sind erfolgreich gestartet, benötigen aber noch etwas Zeit, um ein ausreichendes Einkommen zu erzielen.

Weitere sieben Familien haben Hühner und dazu Materialien für den Stallbau erhalten. Sargis bekam 50 Hühner, die er wie einen Schatz hütet. Das Gehege hat er mit einem Zahlenschloss verriegelt. Für die Eier hat Sargis bereits Abnehmer. Pro Ei erhält er umgerechnet 11 Cent. Manche Eier lässt er ausbrüten. So kommt er in den Wintermonaten auf ein Einkommen von 35 bis 40 Euro pro Monat. Im Sommer werden sich die Einnahmen durch vermehrte Eierproduktion verdoppeln. Nach Abzug seiner Kosten für Futter verbleibt seiner Familie ein ansehnlicher Betrag.

Smbat beschäftigt sich bereits viele Jahre mit der Ziegenhaltung. Er und seine Frau haben drei Kinder. Ein Lächeln entweicht dem ernsten Gesicht von Smbat nur selten. Doch seine Miene hat sich in den vergangenen sechs Monaten entspannt. Zwischen den 15 Ziegen, die Smbat erhalten hat und den dreien, die er bereits hatte, wuseln inzwischen 15 kleine Zicklein. Einkommen erzielt er aus der Herstellung von Käse und dem Verkauf der Nachkommen. Für den Käse hat er viele Abnehmer und somit ein sicheres Einkommen.

Zwei Schafhirten haben ihre Herde, wie Smbat, fast verdoppelt. Sie nutzen den Verkauf von Wolle und einen Teil der Lämmer zur Aufbesserung ihres Einkommens. Ein Lamm kann für 50 Euro verkauft werden. „Als ich erfahren habe, dass ich 15 Schafe bekomme, konnte ich die ganze Nacht nicht schlafen“, erzählt Yura. „So etwas passiert einem nur einmal im Leben, dass ein fremder Mensch zu einem kommt und einem etwas schenkt.“

Erfolge und Aussichten

Von den 18 begünstigten Familien konnten 16 Familien ihre Chance zu verbesserten Einkommensmöglichkeiten nutzen. Bei zwei Familien ist eine weitergehende intensive Begleitung notwendig. Im Schnitt verbesserte sich ihr Einkommen innerhalb des ersten halben Jahres um 30 bis 50 Euro pro Monat. Bisher standen ihnen 80 bis maximal 200 Euro monatlich zur Verfügung. Aufgrund der guten Erfahrungen mit diesen Maßnahmen wird NAK-karitativ das Projekt in den Dörfern fortführen und auf weitere Regionen ausweiten. Auf diese Weise kommt in dem Land der Steine ein „Stein nach dem anderen“ ins Rollen.

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