Der Mann „soll“ Herr über die Frau sein – ein paar Worte aus 1. Mose führen manche gegen die Frauenordination an. Doch Gott formuliert hier weder Schöpferwillen noch Gebot, sondern prognostiziert Folgen des Sündenfalls. Das zeigt ein genauer Blick in die Bibel.
Mann und Frau sind gemeinsam und in gleicher Weise als Ebenbild Gottes geschaffen. So berichten es sowohl die Kurzversion als auch die Langversion des Schöpfungsberichts in 1. Moses 1 und 2. Sie haben den gleichen Wert, die gleiche Würde und den gleichen Auftrag, ihre Lebenswelt zu gestalten.
Doch dann zerbricht die perfekte Beziehung.
Bruch in der Beziehung
Die Menschen übertreten das Gebot des Herrn – der Sündenfall ändert alles. Statt Früchtesammeln im Garten Eden ist hartes Ackern angesagt. Schweiß und Schmerz prägen das Leben. So sagt es Gott den Menschen in 1. Mose 3.
Und just an dieser Stelle scheint die Bibel das erste Mal ein Gefälle zwischen Mann und Frau herzustellen: „… aber er soll dein Herr sein“ (Vers 16). Dieses „Herr“-Sein des Mannes findet sofort seinen Ausdruck darin, dass Adam der Frau den Namen Eva gibt – ganz ähnlich wie er im Kapitel zuvor schon die Tiere benannt hat.
Ein Gebot Gottes?
Manche Bibelausleger entdecken hier ein Argument gegen die Ordination von Frauen in ein geistliches Amt. Denn sie sehen in 1. Moses 3 einen göttlichen Urteilsspruch nach dem Sündenfall. Und daraus ergäbe sich eine Sündenordnung, welche die Schöpfungsordnung bis auf Weiteres ablöse.
Den Bezug zum Thema Amt stellen diese Exegeten durch 1. Korinther 14,34 her. Demnach sollen die Frauen in der Gemeindeversammlung schweigen und sich unterordnen – „wie auch das Gesetz sagt“. Dieses im Neuen Testament nicht näher spezifiziertes Gebot findet diese Sichtweise in „er soll dein Herr sein“.
Werden statt sollen
Ist das wirklich ein Gebot Gottes? Nein, sagen viele andere Ausleger. Das ergibt sich aus dem Zusammenhang mit vielen gleichartigen Worten an Frau und Mann: „unter Mühen sollst du Kinder gebären“ oder „im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen“. Alles Dinge, über die ein Mensch nicht willentlich entscheiden kann.
Ganz zu schweigen von „Dornen und Disteln soll er [der Acker] dir tragen“. Deshalb greifen andere Übersetzungen hier auch nicht zum Wort „soll“ wie bei den zehn Geboten. Stattdessen sprechen sie von „wird“: „wirst du gebären“ oder „wirst du essen“.
Prognose statt Vorgabe
Legt Gott so eine neue Ordnung fest? Nein, sagen diese Exegeten. Denn wenn das Herr-Sein des Mannes über die Frau eine Festlegung wäre, dann müsste die Mühsal beim Bestellen des Ackers ebenfalls eine Vorgabe sein. Dann würde allerdings jegliche Erleichterung der Feldarbeit durch Dünger und Werkzeuge einen Verstoß gegen die göttliche Ordnung bedeuten. Wenn das eine absurd ist, dann ist es das andere auch.
Was bleibt, ist die Feststellung: Mit „er soll dein Herr sein“ schafft Gott keine neue Ordnung und kein neues Gebot, sondern sagt die negativen Folgen des Sündenfalls voraus.
Zugelassen statt gewollt
Und wie sieht es die Neuapostolische Kirche? Das macht der Katechismus deutlich: Durch den Sündenfall „zerbricht das ungestörte Verhältnis zu Gott“ (KNK 4.2.1.1). „Das Verhältnis der Menschen untereinander hat ebenso Schaden genommen, wie das Verhältnis des Menschen zur Schöpfung.“
Aber: „Gott hat das Böse als solches nicht geschaffen. Es gehört damit nicht zum positiv Geschaffenen, sondern ist zugelassen“ (KNK 4.1) Auch die gefallene Schöpfung ist Zeugnis für das Wirken des Schöpfers, der alles, was er gemacht hat, für gut befunden hat (KNK 1.1.1).
Das bedeutet: Maßgeblich sind nicht die negativen Folgen des Sündenfalls, sondern die Ordnung, die Gott positiv geschaffen hat. Das betrifft auch das Verhältnis von Mann und Frau: Das Ziel, an dem es sich auszurichten gilt, ist also nicht das Gefälle aus dem Sündenfall, sondern die Gleichwertigkeit aus dem Schöpfungswillen zur Gottesebenbildlichkeit.
Ziel: Wieder perfekt
Diese Zielsetzung wird auch deutlich in der Lehre der Neuapostolischen Kirche von den zukünftigen Dingen: Demnach sind die Teilnehmer der ersten Auferstehung dazu berufen, im Friedensreich mit Jesus Christus zu dienen und zu regieren (KNK 10.6).
„Männer und Frauen sind gleichermaßen zur Erstlingsschaft oder königlichen Priesterschaft berufen“, betont das Lehrschreiben zur Frauenordination in der Leitgedanken-Sondernummer 3/2022: „Diese eschatologische Berufung, die für die Zukunft gilt, legt den Gedanken nahe, dass Mann und Frau schon jetzt dem Heil des Nächsten auch durch die Amtsvollmacht dienen dürfen.“
Foto: DavidRawStudio – stock.adobe.com