100 Jahre Kombi-Hostie: Als der Kelch vorüberging
Drei Tropfen haben Jubiläum: Am Karfreitag 1917 feierte der Stammapostel seinen offiziell ersten Gottesdienst nur mit Hostie, ohne Weinkelch. Was heute ganz normal ist, war vor 100 Jahren eine Notwendigkeit. – Warum?
„Nun haben wir heute eine Veränderung in dem Genießen des Heiligen Abendmahls.“ – Mit diesen Worten leitete Stammapostel Hermann Niehaus die neue Epoche am 6. April 1917 in Bielefeld (Deutschland) ein. Bis dahin war es üblich, das Brot als Oblate und den Wein aus einem Kelch entgegenzunehmen. Jetzt war der Wein nur noch in Form von Tropfen auf der Hostie vertreten.
Zwei Probleme …
Mitten im Ersten Weltkrieg war kaum noch Wein zu bekommen. „Wir haben auch schon Zuflucht bis zur Hälfte von Wasser genommen, auch da würden wir nicht auskommen“, sagte der Stammapostel in dem historischen Gottesdienst.
Cholera, Typhus, Tuberkulose – die Angst vor Epidemien hatte die Hygiene zum Thema gemacht. „Der Kelch wurde mit einem Tuch beim jedesmaligen Trinken abgewischt und von dem Dienenden gedreht.“ Allerdings „ist bemerkt worden, dass der Kelch sogar vom Trinkenden gedreht wurde“ und „manche nur an dem Kelch nippen, kaum denselben mit den Lippen berühren.“
… und drei Lösungen
Drei Lösungen diskutierte der vorbereitende Leitartikel in der Neuapostolischen Rundschau vom 25. März 1917.
Zum einen: Kleine Einzelkelche, wie sie auch in evangelischen Landeskirchen eingeführt worden waren. Allerdings: Durch mehr oder weniger prunkvolle Gefäße würden Standesunterschiede in die Abendmahlsfeier hineingetragen, „was vom streng religiösen Standunkt aus zu vermeiden ist.“
Zum anderen: Hostien an Elfenbein-Gabeln in den Wein zu tunken und dann den Glaubensgeschwistern zu reichen, wie in den Gemeinden in Holland. Allerdings: „Die Hostien werden dann schnell weich.“ Sie klebten in der Hand – auch nicht viel hygienischer.
Blieb nur eins: „Der Krieg hat uns mancherlei gelehrt.“
Die Not als Lehrmeister
Oktober 1915, an der Front in Frankreich: Der Soldat mit den Initialen W.G. hat einen Feldpostbrief bekommen „vom lieben Stammapostel nebst dem heiligen Mahl.“ – „Wir bitten und flehen nicht allein für euch, sondern geben euch den Genuss, dahinein die Taten von Jesu gelegt sind“, heißt es in solchen Schreiben. – „Ich freue mich hier auf meinem Strohlager wie ein kleines Kind“, formuliert W.G. in seiner Antwort, die im Januar 1916 in der Neuapostolischen Rundschau erscheint.
Zunächst hatten den Oblaten noch Weinfläschchen beigelegen. Doch die verschwanden aus den heimlich geöffneten Päckchen – ähnlich wie auch Zigaretten. Schon früh nach dem Kriegsausbruch 1914 versorgte die Kirchenleitung deshalb die Soldaten nur noch mit Kombi-Hostien: „Wir weihen den (Wein-)Kelch und die Hostien und dann werden die Hostien aus dem geweihten Kelch beträufelt.“
Auf die Menge kommt‘s nicht an
Wird das dem Heiligen Abendmahl, so wie Jesus Christus es eingesetzt hat, denn noch gerecht? Die Antwort von Stammapostel Niehaus war ein Vergleich mit der Taufe: „Es sind da Gemeinschaften, die tauchen ganz unter Wasser, uns genügt die Besprengung.“ Dabei verwies er in dem Karfreitag-Gottesdienst ausdrücklich auf die Katechismus-Worte von Martin Luther: „Wasser tut‘ s freilich nicht, sondern das Wort Gottes, das mit und bei dem Wasser ist.“
„Sind die vielen Tausenden mit der Beträufelung zufrieden, sind wir es auch“, betonte der Kirchenleiter in dem Karfreitag-Gottesdienst: „Das Brot wird mit drei Tropfen Rotwein getränkt, so dass es zu sehen ist.“ Das galt jedoch zunächst nur für seinen eigenen Arbeitsbereich als Apostel. Verpflichtend für alle wurde es nach einer gemeinschaftlichen Entscheidung, die im Herbst 1919 per Rundschreiben bekannt gemacht wurde: „Durch Apostelbeschluss ist dieses nun für das ganze Werk angeordnet worden.“
Damit begannen so manche Probleme erst: Woher die Hostien nehmen? Und wie die Weintropfen darauf tupfen? Doch das ist eine andere Geschichte, die ein anderes Mal erzählt wird…