Mit den Händen sprechen

Sie sind nicht viele, aber sie werden gehört– die Hörgeschädigten in der Neuapostolischen Kirche. Die Gebietskirchen haben unterschiedliche Ansätze, um sie zu integrieren. Eine kleine Übersicht zum internationalen Tag der Gebärdensprache am 23. September.

Mindestens 15 Millionen Menschen sprechen die Indo-Pakistani Sign Language, die vorherrschende Gebärdensprache auf dem südasiatischen Kontinent. Damit liegt diese Gebärdensprache auf Platz 151 der am häufigsten „gesprochenen“ Sprachen weltweit. Insgesamt gibt es mindestens 150 Gebärdensprachen auf der ganzen Welt.

Lange Zeit meinte man, eine Gebärdensprache sei keine eigenständige Sprache. Doch eine Gebärdensprache weist alle Eigenschaften einer echten Sprache auf und wurde deshalb in vielen Ländern inzwischen als Minderheitensprache akzeptiert oder zumindest haben Hörgeschädigte Anspruch auf Dolmetscher insbesondere bei Behörden. Schon 1981 wurde die Gebärdensprache in Schweden als Minderheitensprache verankert, 2000 ging Uganda diesen Schritt und 2005 die Schweiz und Österreich. In Neuseeland ist die Gebärdensprache seit 2006 neben Englisch und Māori eine der offiziellen Amtssprachen. In Deutschland ist die Deutsche Gebärdensprache seit dem 1. Mai 2002 als eigenständige Sprache anerkannt.

Hörgeschädigte in der Neuapostolischen Kirche

Den ersten Gottesdienst für Hörgeschädigte in der Neuapostolischen Kirche feierte Evangelist Günther Lierse. Er selbst war mit gehörlosen Eltern aufgewachsen und engagierte sich besonders für seine hörgeschädigten Glaubensgeschwister. Am 12. Mai 1963 feierte er für 43 Teilnehmer den ersten Gottesdienst für Hörgeschädigte in der Kirche Dortmund-Nord. Das Angebot an solchen Gottesdiensten wurde in den folgenden Jahren weiter ausgebaut. Seit 2016 bietet der Verlag Friedrich Bischoff für die Gebietskirchen Übertragungen von Gottesdiensten in Gebärdensprache an. Der Verlag stellt dabei Studio und Technik zur Verfügung und koordiniert die Dolmetscher.

Andere Gebietskirchen koordinieren ihre Übertragungsgottesdienste selbst. In der Gebietskirche Kongo Südost läuft teilweise ein Gottesdienst mit Dolmetschen der Gebärden im Fernsehen und Bezirksapostel Tshitsi Tshisekedi feierte zuletzt 2014 einen Gottesdienst für die hörgeschädigten Glaubensgeschwister seiner Gebietskirche. Im südlichen Europa übernehmen Familienmitglieder die Dolmetscher-Aufgaben.

Übersetzen oder begleiten?

Auch in Süddeutschland wird die Predigt für die 20 Glaubensgeschwister mit Hörschädigung in die deutsche Gebärdensprache übersetzt. Einmal im Monat treffen sich die Glaubensgeschwister hierfür live und seit der Pandemie gibt es jeden Sonntag ein Streaming-Angebot mit Übersetzung in die deutsche Gebärdensprache.

Westdeutschland setzt auf die lautsprachbegleitenden Gebärden (LBG). In der LBG begleitet der Dienstleiter seine eigenen Worte mit Gebärden. Da er dadurch automatisch langsamer redet, hat das den Vorteil, dass auch Hörgeschädigte, die noch ein bisschen hören und keine Gebärdensprache beherrschen, dem Gottesdienst folgen können.

Seelsorge ist für alle da

„Alle Mitglieder der Neuapostolischen Kirche haben Anspruch auf individuelle Seelsorge“, heißt es auf der kirchenoffiziellen Website nak.org. Für Menschen mit Hörschädigung kann das manchmal schwierig sein. Wenn kein Amtsträger der Heimatgemeinde die Gebärdensprache beherrscht und kein Familienmitglied oder ähnliches da ist, ist der Glaubensbruder oder die Glaubensschwester mit dem Problem allein. Zum Glück gibt es in Deutschland dazu Lösungsansätze.

In Westdeutschland gibt es beispielsweise eine Hörgeschädigtengemeinde, in der Hirte Bernd Graffenberger Vorsteher ist. Neben seinen üblichen Aufgaben als Vorsteher koordiniert er die regelmäßigen Live-Gottesdienste und Seelsorgebesuche mit Amtsträgern, die in Gebärdensprache kommunizieren können oder mit Dolmetschern.

Ein solcher Dolmetscher ist in Westdeutschland Priester Felix Frobel, der auch in den Bischoff Verlag kommt, um die Gottesdienste in die deutsche Gebärdensprache zu übersetzen. Durch einen Jugendfreund lernte er die Sprache kennen, die ihn faszinierte und die er später auch zu seinem Beruf machte. In Westdeutschland bietet er Grundkurse für Amtsträger an, die die Gebärdensprache erlenen möchten, um für ihre hörgeschädigten Glaubensgeschwister Seelsorge anbieten zu können. „Die Anbindung an die Ortsgemeinde ist uns sehr wichtig“, sagt Felix Frobel, „Dass nicht nur dieser exklusive Gottesdienst einmal im Monat besucht wird, sondern dass in den Gemeinden übersetzt wird.“

Keine Floskeln

Glaubensinhalte werden mit Gesten ganz anders ausgedrückt als mit Worten. Da kann man nicht einfach die typischen NAK-Floskeln wie „Leid wird er- und durchlebt“ verwenden. „Ich schaue, welches Wort dran ist und dann muss ich mich manchmal auch für eine andere Bibelübersetzung entscheiden. Manche Wörter sind sehr komplex und dann schaue ich, wie ich Dinge vereinfachen kann, Bilder entstehen lassen kann“, erklärt Priester Felix Frobel. Und das finden nicht nur die Hörgeschädigten super. „Wir bekommen in den Gottesdiensten auch von hörenden Geschwistern oft die Rückmeldung, dass sie sehr viel verstanden haben. Es wurde sehr langsam geredet, die Sprache ist vereinfacht und es kommen keine Dopplungen vor.“ Felix Frobel hat viel gelernt, was er auch für die Vorbereitung auf „normale“ Gottesdienste mitnehmen kann.


Foto: M.B. - NAK Velbert

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