Das Amt (29): Mangels Lehre eine Ordnungsfrage

Jesus, die Frauen und das Apostolat: Der biblische Befund ist unstrittig, liefert aber keine klaren Antworten. Wie geht die Neuapostolische Kirche damit um? – Das erstes Zwischenfazit zur Frage, was das Neue Testament zur Frauenordination sagt.

Bei Jesus war die Rolle der Frauen ihrer Zeit weit voraus. Sie dienten als Schülerinnen, Verkünderinnen, Jüngerinnen, Botschafterinnen und sogar als Kronzeuginnen seiner Auferstehung. Das ist biblisch eindeutig belegt. Dennoch berief Christus nur Männer zu Aposteln.

Jesu Schweigen braucht Auslegung

Daraus schließen einige Kirchen, dass Frauen nicht ins geistliche Amt berufen werden können. „Diese Einschätzung ist problematisch.“ Denn: „Jesus hat – soweit es die Evangelien überliefern – niemals zum Ausdruck gebracht, dass Frauen nicht geeignet seien, als Apostel oder sonstige Amtsträger in der Kirche zu dienen.“ Mit diesen Feststellungen beschäftigte sich die Bezirksapostelversammlung im November 2020.

„Jesus hat selbst keine Begründung für seine Wahl geliefert“, ergänzt das Lehrschreiben in Sachen „Frauenordination“ in der Leitgedanken-Sondernummer 3/2022. „Insofern können daraus für die Kirche keine normativen Folgerungen gezogen werden.“ Die Konsequenz erläuterte Stammapostel Jean-Luc Schneider in seiner Video-Ansprache zu diesem Thema: „Wir müssen seine Entscheidung interpretieren.“

Signalwirkung und Sozialdruck

Welche Absicht hatte Jesus Christus wirklich bei der Berufung von zwölf jüdischen Männern zu seinen Aposteln Ansätze zur Erklärung bietet die Heilige Schrift gleich doppelt.

Zum einen signalisierte die Wahl Jesu den Zeitgenossen: Der verheißene Messias stellt das Gottesvolk wieder her. Denn die Zwölfzahl steht für die Stammväter Israels. Und die „sind eben Männer gewesen, insofern musste zwischen ihnen und den ,Vätern‘ des neuen und universalen Gottesvolkes – also den zwölf Aposteln – auch in dieser Hinsicht eine Parallele hergestellt werden“, betont das Lehrschreiben.

Zum anderen „lassen sich auch praktische Gründe ausmachen, die mit der damaligen gesellschaftlichen Situation zu tun haben“. Denn den Auftrag Jesu, das Evangelium zu verkünden, konnten seine Botschafter zunächst nur in den Synagogen erfüllen. „Am Synagogengottesdienst konnten sich aber nur Männer beteiligen, nur ihnen stand das Recht zu, aus den Heiligen Schriften zu lesen und sie zu erläutern“, heißt es in den Leitgedanken. „Dies alles konnten Frauen im Kontext der jüdischen Gemeinden nicht leisten.“

Kennzeichen einer Sackgasse

Ist das Geschlecht tatsächlich ein Kennzeichen des wahren Apostolats? Wer diesen Schluss aus dem Handeln Jesu zieht, „der gerät in eine Sackgasse“, sagte der Stammapostel in seiner Ansprache. Dann müsste man „logischerweise auch sagen, dass nur Juden Apostel sein könnten“. Schließlich habe Jesus auch nur Juden zu Aposteln berufen.

Mehr noch: Man könne mit mindestens ebenso viel Recht fordern, „dass nur diejenigen, die den Herrn begleitet haben, seine Apostel sein können“. Allerdings: „Daran gemessen wäre schon Paulus kein Apostel mehr gewesen. Und die Wiederbesetzung des Apostelamtes in den letzten 190 Jahren wäre komplett in Frage gestellt.“

Apostolat muss entscheiden

Angesichts des biblischen Befundes und den sich daraus ergebenden Schlussfolgerungen hat die Bezirksapostelversammlung im Mai 2021 folgenden Beschluss gefasst:

  • „Dem Zeugnis des Neuen Testaments zufolge hat Jesus nur Männer zu Aposteln berufen. Ihnen vertraute er die Leitung der Kirche an.
  • Zu der Frage, ob ein Amt in seiner Kirche auch Frauen übertragen werden kann, kennen wir keine Aussagen Jesu.
  • Aus Jesu Worten und Taten lässt sich nicht eindeutig schließen, ob die Ordination von Frauen möglich ist oder nicht.
  • Die Entscheidung obliegt dem für die Kirchenordnung zuständigen Apostolat unter der Führung des Heiligen Geistes.“

Wo es den Evangelien an Aussagen fehlt, da finden sich in den Briefen des Neuen Testaments sogar Widersprüche. Auch hier stellt sich die Frage: Wie geht die Kirche damit um? Damit beschäftigt sich die nächste Folge dieser Serie.


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Andreas Rother
11.05.2023
Amt, Lehraussagen