
Der Glaube kommt aus der Predigt, das ist klar. Aber warum wirkt mancher Gottesdienst kraftvoll und ein anderer verpufft einfach? Und was lässt sich tun? Hinweise gibt die Homiletik, die Lehre von der Predigt – ein Einstieg.
Die Predigt war und ist eine Grundlage des christlichen Glaubens. Christus selbst verkündete die Ankunft des Reiches Gottes. Petrus hielt seine große Pfingstpredigt. Paulus predigte auf seinen Missionsreisen in vielen Synagogen an vielen Orten. Und er machte deutlich: „Wie sollen sie aber predigen, wenn sie nicht gesandt werden?“ (Römer 10,15).
In ähnlicher Weise erhalten Geistliche heute, wenn sie durch das Apostelamt ordiniert werden, die Vollmacht, das Wort Gottes zu verkünden. Dabei helfen zwar die Artikel der „Leitgedanken“, eine einheitliche Botschaft zu verkünden. Dennoch stehen die Geistlichen vor der Aufgabe, diese Botschaft so zu vermitteln, dass die Mitglieder sie verstehen und verinnerlichen können. Denn die Geistlichen müssen bei ihren Zuhörern eine Vielzahl von kulturellen und gesellschaftlichen Hintergründen berücksichtigen.
Probleme und Lösungen
Die Predigt ist ein äußerst wichtiger Berührungspunkt zwischen der Kirche und ihren Mitgliedern. Je nach Gaben und Talenten des Predigers kann eine Predigt inspirierend sein und Veränderungen bewirken. Oder aber die Botschaft geht verloren, weil es der Predigt an einem klaren Fokus und einer klaren Struktur fehlt.
Die Predigt ist ein Mittel, mit dem die Lebenswelt des Evangeliums mit der Lebenswelt der Mitglieder interagieren und kommunizieren muss. Die Herausforderung beim Predigen besteht heute darin, dass die Lebenswelt der Zuhörer manchmal nicht richtig verstanden und angesprochen wird. Eine Grundausbildung in der Kunst der Predigtführung kann helfen, dieses Problem zu mildern.
Botschaft und Beziehung
In der Fachwelt wird die Lehre von der Vorbereitung und Durchführung von Predigten als „Homiletik“ bezeichnet. Sie ist Teil der so genannten „praktischen Theologie“, also der konkreten Umsetzung der geistlichen Aufgaben. Dazu gehören unter anderem die persönliche Seelsorge, der Religionsunterricht und eben die Predigt.
Der Begriff Homiletik leitet sich vom griechischen ὁμιλητικός (homilētikos) ab. Das meinte ursprünglich das Führen eines Gesprächs oder das Halten einer Rede vor einer versammelten Menge von Menschen. Im christlichen Zusammenhang bezieht sich der Begriff auf die Kunst, eine geistliche Botschaft zu übermitteln. Es geht dabei um eine sinnvolle Kommunikation, bei der eine Beziehung zu den Gemeindemitgliedern aufgebaut wird.
Im Großen und Ganzen umfasst die Homiletik drei Aspekte:
- Erstens geht es um Exegese, das heißt um die Auslegung und Analyse biblischer Texte in ihrem geschichtlichen Zusammenhang.
- Der zweite Punkt ist der Aufbau. Hier geht es um die Strukturierung, die eine Predigt zum schlüssigen und aussagekräftigen Ganzen formt – mit dem Ziel einer klaren Botschaft, die ihre Wirkung entfalten kann.
- Drittens: Vortrag. Hier geht es darum, verschiedene Techniken (zum Beispiel Körpersprache, Tonfall, rhetorischer Stil) einzusetzen, um die Zuhörer zu fesseln.
Form und Funktion
Aber kommt das Predigen nicht aus dem Heiligen Geist? Warum braucht der Geistliche dann eine „Ausbildung“? Eine Antwort findet sich im Katechismus: „Die Predigt im Gottesdienst ist eine an die Gemeinde gerichtete geistliche Rede eines Amtsträgers, die von der Kraft des Heiligen Geistes erweckt und durchwirkt ist“ (KNK 12.1.6.1). Bei der Ausbildung in homiletischen Grundsätzen geht es demnach nicht um die Inhalte, sondern um die Form.
Ein Beispiel dafür ist, wie die Leitgedanken für eine bestimmte Gemeinde aufbereitet werden. Eine Predigt in Europa kann nicht dieselbe sein wie die in Afrika oder auf den Pazifischen Inseln. Eine Predigt für Erwachsene kann nicht dieselbe sein wie eine für Kinder oder Jugendliche. Eine Predigt vor einem bibelkundigen Publikum kann nicht dieselbe sein wie vor Bibel-Neulingen.
Und das ist umso herausfordernder in einer Welt, die zunehmend säkular, multikulturell und technisch-wissenschaftlich geprägt ist. Wo verwirrende Vielfalt, Gleichgültigkeit gegenüber dem Evangelium und schneller Wandel herrschen. Wo Menschen meinen, die absolute Wahrheit zu kennen, ihre Individualität und Autonomie zelebrieren sowie der Sucht nach sozialen Medien und Unterhaltung nachhängen. Es ist ein Kontext der Orientierungslosigkeit und Entwurzelung, in dem die Masse der isolierten Menschen in jede beliebige Richtung gelenkt wird. Wie kann man in einem solchen Kontext wirksam das Evangelium verkünden?
Abholen und hinführen
Homiletik ist also ein Lehrmittel, das den Prediger dafür sensibilisiert, die Gemeinde effektiver anzusprechen. Sie vermittelt dem Prediger die Fähigkeit, das Verständnis für die Botschaft mit dem Verständnis für Lebenswirklichkeit der Gemeinde zusammenzubringen. Einfach gesagt, es geht darum, die Menschen dort abzuholen, wo sie sind, und sie zu Christus zu führen.
Und das ist genau das, was Paulus beschrieb in 1. Korinther 9,20-22: „Den Juden bin ich wie ein Jude geworden, damit ich die Juden gewinne.“ Und: „Den Schwachen bin ich ein Schwacher geworden, damit ich die Schwachen gewinne.“ Also: „Ich bin allen alles geworden, damit ich auf alle Weise etliche rette.“
Über den Autor

Dr. Markus Cromhout (geb. 1972) ist Theologe bei der Neuapostolischen Kirche Afrika-Süd und in seiner Gemeinde als Evangelist aktiv. Er studierte an der Theologischen Fakultät der Universität Pretoria und promovierte im Neuen Testament. Neben wissenschaftlichen Werken verfasst er auch populärwissenschaftliche Bücher. Zum Thema „Homiletik“ führt er Seminare durch und begleitet mit wöchentlichen Hintergrundbeiträgen.