Kinder – zum Töten gedrillt

Was er werden will, wenn er groß ist? „Soldat“, antwortet der Sechsjährige. Warum denn das?!? „Weil ich dann Menschen umbringen kann!“ – Worte, die tödlich ernst gemeint sind. Daran erinnert der heutige „Red Hand Day“.

Der Wunsch des Kindes hat seinen Grund: Seine Familie ist vor seinen Augen getötet worden. Was der Junge will, ist nicht unbedingt Rache, sondern einfach nur überleben – am sichersten scheinbar mit der Waffe in der Hand.

Schicksale wie diese kennt Lucie Bindu (28) aus ihrer Zeit als Journalistin in der Demokratischen Republik Kongo nur zu gut. Heute lebt sie in Oslo (Norwegen), ist in der dortigen neuapostolischen Gemeinde aktiv und engagiert sich aus der Ferne für die Opfer von Krieg und Gewalt in ihrem Heimatland.

Entführt, versklavt, vergewaltigt

Es begann Mitte der 1990er Jahre in den Bürgerkriegen rund um den Sturz von Diktator Mobutu und legte nochmals zu im Ostkongo-Konflikt seit Anfang der 2010er Jahre zu, erläutert Lucie Bindu: Die Kriegsherren „rekrutierten“ Kindersoldaten.

Kinder, die ihre Eltern aus den Augen verloren oder sterben gesehen hatten, als ihre Heimatdörfer angegriffen wurden. Oft auch Kinder, die bei solchen Überfällen einfach von Zuhause weggerissen und entführt wurden.

Kinder, die als Haushaltssklaven gehalten werden. Mädchen, die immer und immer wieder vergewaltigt werden. Jungs, die irgendwann eine Waffe in die Hand gezwängt bekommen. „Und sei es auch nur eine Machete“, sagt die Journalistin.

Warum ausgerechnet Kinder? „Sie sind leichter zu beeinflussen und einzuschüchtern“, erklärt die 28-Jährige. Und sie sind – Zynismus des Krieges – für die Milizenführer billiger zu halten.

Die rote Hand als Stoppschild

Kindersoldaten gibt es vor allem auch im Südsudan, in der Zentralafrikanischen Republik, Somalia, Syrien und im Jemen, berichtet UNICEF, das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (UN). Schätzungen gehen davon aus, dass genau jetzt weltweit 250.000 Kindersoldaten unter Waffen sind.

Zwei Millionen Kinder sind gefallen – allein zwischen 1990 und 2000. Das schätzt der UN-Sonderbeauftragte Olara Ottuno. Sechs Millionen Kinder wurden demnach zu Invaliden. Und zehn Millionen Kinder erlitten schwerste seelische Schäden.

An diese Schicksale erinnert der 12. Februar als „Welttag gegen den Einsatz von Kindersoldaten.“ An diesem Tag trat 2002 das Zusatzprotokoll zur UN-Kinderrechtskonvention in Kraft, das die Rekrutierung von unter 15-Jährigen zum Kriegsverbrechen macht. Der Beiname „Red Hand Day“ geht auf Protestaktionen zurück, bei denen rote Handabdrücke als Stopp-Signal dienen.

Der lange, schwere Heimweg

Das Abkommen hat weltweit Debatten und Gesetzesänderungen angestoßen. Und immer mehr Hilfsprogramme versuchen, Kindersoldaten zu befreien und ihnen ein normales Leben aufzubauen. Doch für die Betroffenen ist der Weg lang und brutal.

Selbst wenn Kindersoldaten die Flucht oder der Ausstieg gelingt: In ihren Heimatdörfern sind sie selten willkommen, berichtet Lucie Bindu. Denn: „Das sind die, die gemordet haben.“ Und auch wenn sie einen Platz in einem Hilfsprogramm gefunden haben: Manche Kinder schaffen den Entzug nicht – von den Drogen, mit denen die Warlords sie gefügig gemacht haben.

Doch es gibt auch andere hoffnungsfrohe Fälle, erzählt die Journalistin von einem 16-Jährigen: „Er hatte schon zwei Kriege überlebt. Und er hatte es satt, seine Freunde sterben zu sehen.“ Mit Unterstützung von Hilfswerken hat er sich ein neues Leben aufgebaut – mit einem kleinen Kiosk, in dem er Prepaidkarten fürs Telefon verkauft. „Er ist so glücklich, wieder Teil der Gesellschaft zu sein und etwas beitragen zu können.“

Schicksale aus neuapostolischen Familien kennt die 28-Jährige nicht. Doch das will nichts heißen. „Nicht denken, nicht fühlen, einfach weitermachen“ – das sei für Betroffene oft die einzige mögliche Überlebenstechnik. Und da bekommen die christlichen Forderungen nach Nächsten- oder gar Feindesliebe eine eigene Dimension. „Das ist eine andere Welt.“

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