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Wenn Salomo „Pi mal Daumen“ baut

13 03 2025

Author: Andreas Rother

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Mag Gott kein Mathe? Oder wie ist es sonst zu erklären, dass die Bibel bei der Kreiszahl danebenhaut? – Ein transzendent-irrationaler Spaziergang zum π-Tag am 14. März.

„Entweder musst du akzeptieren, dass das Wort Gottes fehlbar ist“, schimpft der selbsterklärte Atheist. „Oder du hältst an deinen von Gott gegebenen Überzeugungen fest“, heißt es auf dem mittlerweile eingestellten Blog „Gospel of Reason“ („Evangelium der Vernunft)“. Dann aber „rufe laut in den Himmel, dass Pi, verdammt noch mal, gleich 3,0 ist, weil Gott es so gesagt hat.“ 

Ein Schlag ins Wasserbecken?

Worüber sich der Weltanschauungsfanatiker hier so aufregt, das ist ein Vers in der Bibel: „Und er machte das Meer, gegossen, von einem Rand zum andern zehn Ellen weit, ganz rund und fünf Ellen hoch, und eine Schnur von dreißig Ellen war das Maß ringsherum“, steht in 1. Könige 7,23 (und fast genauso in 2. Chronik 4,2).

Er, das ist König Salomo. Und das Meer ist ein riesiges Wasserbecken aus Bronze im Vorhof seines Tempelbaus. Bei den Maßen muss man aber tatsächlich stutzen. Denn das würde bedeuten, dass das Verhältnis von Umfang zu Durchmesser eines Kreises 3,0 beträgt. Dabei beziffert sich dieser Wert – berühmt als pi, Pi oder π – bekanntlich mit 3,14159 … und so weiter und so fort.

Im Visier der Wissenschaft

Das konnten die alten Ägypter und Babylonier aber ein Jahrtausend früher schon besser. Sie rechneten mit π = 25/8 = 3,125. Warum haut die Bibel dann so weit daneben?

Über diese Frage diskutierten jüdischen Gelehrten schon Jahrhunderte, bevor neuzeitliche Atheisten sie auch nur entdeckten. Den Diskurs dokumentiert der Talmud, die Sammlung von Lehrschriften, die inhaltlich bis in die vorchristliche Zeit zurückgeht.

Ja, es gibt sogar wissenschaftliche Untersuchungen, die diese Debatte nachzeichnen. „Über die rabbinische Annäherung an π“ heißt zum Beispiel ein Werk aus dem Jahre 1996. Dabei hatten die Autoren offenkundig ihren Spaß: Die Studie ist 10 Seiten lang und die Literatur-Liste umfasst 30 Referenzen – war da nicht was mit diesen Zahlen?

Mit Scharfblick näher dran

Erklärungen für die biblische Ungenauigkeit gibt es diverse: Mal könnte das Becken oval gewesen sein. Mal lag es an wechselnden Messungen an der Innen- und Außenseite eines dicken Randes. Und mal haben die Schreiber der Bibel lediglich auf- oder abgerundet.

Am genausten hingeschaut hat Rabbi Matityahu Hacohen Munk in den 1960er-Jahren: Das hebräische Wort für „Schnur“ liest sich ausgerechnet im fraglichen Bibelvers anders, als man es spricht. Interessant wird es, wenn man der „Gemantria“ folgt, dem hebräischen System, Buchstaben bestimmten Zahlen zuzuordnen. Dann ergibt sich aus den abweichenden Worten ein π-Wert von 3,141509 – ganz schön nah dran.

Irrational und transzendent

Einen Volltreffer landete indes Rabbi Mosche Ben Maimon: „Man muss wissen, dass das Verhältnis des Kreisdurchmessers zu seinem Umfang nicht bekannt ist und es auch nie möglich sein wird, das exakt auszudrücken.“

Das sagt er rund 600 Jahre, bevor die Europäer entdeckten, dass π eine irrationale und transzendente Zahl ist. Das hat weder mit Gemütszuständen noch mit Esoterik zu tun. Sondern π ist hinter dem Komma unendlich lang, ohne sich zu wiederholen. Und die Kreiszahl ist für die mehrteiligen Formeln der Algebra (umgangssprachlich als „Rechnen mit Unbekannten“ bekannt) quasi unsichtbar.

Philosophische Folgefragen

Was gleich wieder eine neue Frage aufwirft: Kennt Gott die ganze π-Zahl? Schließlich ist er allwissend und in der Unendlichkeit zuhause. Genau darüber diskutieren Leute in dem reddit-Forum r/askphilosophy. Das Ergebnis ist aber nicht sehr erhellend. Am Ende geht es eher darum, wie denn die Frage eigentlich genau lauten sollte.

So hat die Bibel das letzte Wort – nehmen wir doch Kolosser 3,14: „Über alles aber zieht an die Liebe, die da ist das Band der Vollkommenheit.“


Foto: Maishaangona – stock.adobe.com

Hintergrund: π-Tag

Wofür es nicht alles Gedenk- und Feiertage gibt – sogar für die Zahl Pi. Erfinder war Larry Shaw, Physiker und Kurator eines Museums in San Francisco, in den 1980er-Jahren.

Gefeiert wird am 14. März. Das geht auf die US-amerikanische Schreibweise dieses Datums zurück: 3/14. Optimalerweise lässt man die Sektkorken um exakt 1:59 Uhr und 26 Sekunden knallen. Dann hat man π auf sieben Nachkommastellen genau anvisiert: 3,1415926. 

Die UNESCO hat den Tag zum „Internationalen Tag der Mathematik“ erklärt. Es ist das Geburtsdatum von Albert Einstein und der Todestag von Stephen Hawking – zwei der berühmtesten theoretischen Physiker aller Zeiten.

Wer es grad nicht so mit dem US-Datum hat, der kann die Kreiszahl π alternativ auch am 22. Juli hochleben lassen. Denn 22 geteilt durch 7 ergibt grob 3,14 – nah genug zum Feiern. Bis dahin kann man ja den eigenen Geburtstag suchen, in der Unendlichkeit von π.

13 03 2025

Author: Andreas Rother

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