Ein Nein zur Frauenordination? Das lässt sich nur aus einem Bibelvers einwandfrei ableiten. Doch diese Stelle widerspricht anderen Bibelstellen – ebenso wie ihre Begründung. Geht es am Ende doch nur um kulturelle Vorschriften?
„Einer Frau gestatte ich nicht, dass sie lehre“, sondern „sie sei still“. So steht es in 1. Timotheus 2,12. Und bei „lehren“ geht es ums gleiche Wort wie im Missionsbefehl Jesu an die Jünger. Der Verfasser will also den Frauen die Verkündigung des Evangeliums untersagen.
Allerdings: 1. Korinther 11,5 erlaubt den Frauen ausdrücklich im Gottesdienst zu beten prophetisch zu reden – solange die Haartracht ordentlich ist. Und beim prophetischen Reden geht es ebenfalls darum, den Willen Gottes zu verkündigen.
Noch mehr Widersprüche
Ähnlich widersprüchlich sieht es bei der theologischen Begründung aus. Der Timotheus-Brief sucht sein Heil in einer Schuldzuweisung gegenüber den Frauen. Denn: „Adam wurde nicht verführt, die Frau aber wurde verführt und übertrat das Gebot.“ Demnach hätte Eva die Sünde in die Welt gebracht.
Das beißt sich allerdings massiv mit Römer 5,12–21. Dort nennt Paulus ausdrücklich Adam als Urheber der Sünde: So herrschte der Tod „auch über die, die nicht gesündigt hatten durch die gleiche Übertretung wie Adam“. Denn „wie durch einen Menschen die Sünde in die Welt gekommen ist und der Tod durch die Sünde, so ist der Tod zu allen Menschen durchgedrungen.“
Kein Gebot Gottes
Als Hilfsargumente führt Timotheus noch die Reihenfolge an: „Denn Adam wurde zuerst gemacht, danach Eva.“ Doch dass die Reihenfolge zwingend eine Wertigkeit bedeutet, widerspricht theologisch bedeutsamen Beispielen: Jakob und Esau, David und seine Brüder sowie Adam und Jesus Christus als der neue Adam.
Zwar gibt es in den Urgeschichten tatsächlich eine Abstufung zwischen Mann und Frau: „…er soll dein Herr sein“ (1. Moses 3,16). Aber diese findet sich erst nach dem Sündenfall. Diese Voraussage ist weder ein Gebot Gottes noch entspricht sie dem Schöpferwillen, die die Gleichwertigkeit von Frau und Mann vorsieht.
Nur kraft eigener Autorität
Auffällig an der Argumentation im 1. Timotheus ist: Der Verfasser begründet seine Schweigevorschrift für Frauen nicht mit göttlichen Geboten oder mit Aussagen Jesu. Im Endeffekt beruft er sich allein auf seine eigene Autorität: „So will ich nun“ und „gestatte ich nicht“.
Das ist deshalb besonders bemerkenswert, weil umstritten ist, wer diesen Brief tatsächlich verfasst hat. Die Mehrheit der Bibelwissenschaftler geht davon aus, dass nicht Apostel Paulus, sondern einer seiner Schüler der Schreiber war.
Kraft des sozialen Umfeldes
Auffallend ist schließlich, wie stark und häufig die Gottesdienstordnungen in 1. Timotheus und 1. Korinther ihre Begründungen in den kulturellen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen ihrer Zeit finden: Da ist bei der Haartracht von Schande und Unehre die Rede sowie bei der Kleidung von Schicklichkeit . Es geht darum, für wen sich was geziemt und wer welche Sitte hat.
„Lasst aber alles ehrbar und ordentlich zugehen“, lautet der Aufruf in 1. Korinther 14,40. Denn: „Es kämen aber Unkundige oder Ungläubige hinein, würden sie nicht sagen, ihr seid von Sinnen?“ (1. Korinther 14,23). Insgesamt gilt also: „Erregt keinen Anstoß, weder bei den Juden noch bei den Griechen noch bei der Gemeinde Gottes“ (1. Korinther 10,32).
So viel ist klar: Die Gesamtbetrachtung von Evangelien und Apostelbriefen liefert für das Neue Testament kein klares Bild in Sachen Frauenordination ab. Welche Schlussfolgerungen zieht die Neuapostolische Kirche daraus? Damit befassen sich die nächsten Folgen dieser Serie.