Aufnahme, Reinigung, Runderneuerung: Viele Deutungen kennt die Bibel zur Taufe. Was das Sakrament den Menschen konkret bedeutet, das wechselt im Laufe der Weltgeschichte – oft eine Frage von Politik und Gesellschaft.
Entscheidender Einschnitt war die „Konstantinische Wende“ – also jene Phase im vierten Jahrhundert, in dem das Christentum sich von der verfolgten Minderheit zur römischen Staatsreligion entwickelte. Das „Davor“ und „Danach“ hätte unterschiedlicher kaum sein können.
Der Wechsel in eine Gegenwelt
Davor bedeutete die Taufe: raus aus dem bisherigen Umfeld, hinein in eine angefeindete Parallelgesellschaft. So dominierte die Deutung als radikale Wende, als das Sterben des Alten und die Geburt des Neuen. Das schlug sich auch in der Liturgie nieder. Der Täufling bekannte nicht nur den Glauben an Jesus Christus, sondern sagte sich auch ausdrücklich von seinem bisherigen Leben los.
Aus dieser Zeit stammen Taufbekenntnisse, wie sie sich im neuapostolischen Konfirmationsgelübde erhalten haben: „Ich entsage dem Teufel und all seinem Werk und Wesen …“ Und damals wurde die Taufe erstmals mit dem Begriff „sacramentum“ verbunden, dem Treueid römischer Soldaten und Beamten.
Getauft wurde erst nach einer Vorbereitungszeit, in der die Bewerber gründliche Kenntnis in Sachen Bibel und Lehre erwarben. So entwickelte sich der Stand der „Katechumenen“, die auch ungetauft schon zur Gemeinde gehörten.
Das neue Leben wirklich erleben
Auf den Kopf gestellt war diese Welt, als das Christentum erst geduldet und dann zur Reichskirche erhoben wurde. Da hatten es die Bewerber gar nicht mehr so eilig mit der radikalen Lebenswende. Nicht wenige ließen sich erst auf dem Sterbebett taufen. Paradebeispiel: Kaiser Konstantin höchst selbst.
Deshalb betonten die Theologen die mystischen Aspekte, das Hinein-getauft-sein in das Schicksal Jesu. Die Wirkung des Sakraments musste erlebt werden, bevor sie verstanden werden konnte. In dieser Zeit verband sich das bibel-griechische „mysterion“ mit dem römischen „sacramentum“ zum heutigen Sakramentsbegriff.
Parallel konnten Taufbewerber je nach Ausbildungsstand nur stufenweise am Gemeindeleben teilnehmen: Spätestens seitdem ist es nur Getauften erlaubt, am Abendmahl teilzunehmen.
Die Herrschaft entscheidet
Die Taufe als Herrschaftswechsel in den Machtbereich Jesu Christi hinein: Diese Deutung dominierte im frühen Mittelalter – in der Epoche, in denen ganze Völker christianisiert wurde, weil ihre Herrscher das so wollten.
Das führte zu Auswüchsen wie etwa der Zwangsmissionierung der Sachsen unter Karl dem Großen. So entstanden aber häufig auch eigene Bibelübersetzungen, für die manchmal erst noch ein eigenes Alphabet erfunden wurden – wie bei den Armeniern, den Goten und den Slawen.
Alte Fragen ganz neu gestellt
Vom theologischen Feinschliff geprägt war die spätmittelalterliche „Scholastik“: Die Gelehrten komplettierten, was die Kirchenväter begonnen hatten. Das fing bei der Unterscheidung von Gültigkeit und Wirkung der Taufe aus dem frühkirchlichen „Ketzerstreit“ an und hörte bei der Erbsünden-Lehre des Augustinus nicht auf.
In dieser Epoche gewann der Aspekt der Sündenvergebung an Gewicht im Taufverständnis. Auch das zeigte sich in der Liturgie. Der Täufling wurde eher mit Wasser besprengt als darin untergetaucht. Denn das Abwaschen war wichtiger geworden als das Ertränken.
Alles geklärt? Von wegen: Denn dann kam die Reformation und riss jede Menge Debatten wieder ganz neu auf – allem voran die Frage nach der Kindertaufe. Das ist das Thema in der nächsten Folge dieser Serie.
Foto: Antikes Taufbecken in Stobi/Mazedonien (Tomisti, CC BY-SA 3.0 DE)
Schlagworte