„Gott ist gegenwärtig“, so lautet ein altes Kirchenlied. Sein ursprünglicher Titel „Erinnerung der herrlichen und lieblichen Gegenwart Gottes“ bringt zum Ausdruck, was Menschen so häufig vergessen, dass nämlich Gott ihr täglicher Begleiter ist.
Gerhard Tersteegen, ein zu seiner Zeit bekannter Kirchenmann, machte Gottes alltägliche Gegenwart zu einer Art Lebensprogramm. Der Mann vom Niederrhein war Pietist und kämpfte zeitlebens für den „wahren Glauben“. Mit 16 Jahren hatte er sein Erweckungserlebnis, wie er später berichtet. Er löst sich aus Zwängen und Fremdbestimmung, lebt von mildtätigen Gaben und bleibt doch selbst auch Wohltäter. Arm, friedlich und wohl auch zufrieden stirbt er mit 71 Jahren. Heute noch ein Mann in guter Erinnerung.
Weinberg – Weinstock – Weinreben
Die „Gegenwart Christi“ ist das Thema der Januargottesdienste in den neuapostolischen Gemeinden. Etwas abstrakter vielleicht als bei Tersteegen vor 300 Jahren fragen sich die neuzeitlichen Menschen natürlich, wie das geschehen kann? Wie kann Gott in meinem Leben präsent sein? Interessant dabei: Die Antwort ist eigentlich immer die gleiche geblieben. Wichtig ist die eigene Einstellung, die eigene Erkenntnis, das erkennen-Wollen! Dazu verhelfen Beispiele, die Jesus schon damals an seine Gemeinde weitergab, damit diese verstand: Zum Beispiel, dass er, Jesus, der Weinstock ist und seine Kirche die Rebe. Das verstehen Menschen, denn Weinstock und Reben lassen sich anfassen. Die Rebe saugt ihr Leben aus dem Weinstock, an dem sie hängt. Nach einer Zeit der Reife, entsteht die köstliche Frucht.
Die Kirche besteht allein durch ihr enges Verhältnis zu Jesus Christus. Von ihm empfängt sie geistliche Nahrung und wird so befähigt, ihre Aufgaben zu erfüllen. Gott ist in diesem Bild der Weingärtner, der über seinen Weinberg wacht. Jesus vergleicht den gläubigen Menschen mit der Rebe am Weinstock: Es ist das Bild einer wunderbaren Einheit, eines lebendigen Organismus. Die fruchtbare Rebe ist mit dem Weinstock verwachsen, hat eine innige Lebensverbindung zum ihm und profitiert damit von dem Lebenssaft, der aus den Wurzeln durch den Stamm in die Rebe fließt. Diese kann nur Frucht bringen, wenn sie mit dem Weinstock in Verbindung bleibt.
Zwei oder drei
Jesus soll nicht nur im Einzelnen gegenwärtig sein, sondern auch inmitten seiner Gemeinde. Wenn sich die Gemeinde zum Gottesdienst versammelt, dann darf sie gewiss sein, dass Jesus Christus in ihr in Wort und Sakrament anwesend ist, getreu dem Bibelvers: „Denn wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich mitten unter ihnen (Matthäus 18,20). Und er ist nicht nur in der Mitte der Gemeinde, sondern ihre Mitte! Jesus in die Mitte stellen – ein lohnenswertes Programm im neuen Jahr. Er steht mittig in der Predigt – ein hoher Anspruch für den Prediger –, er steht mittig im Gebet – ein Auftrag für alle Beter, und er ist mitten im Heiligen Abendmahl, das ohne ihn gar nicht möglich wäre.
Wer diese einzigartige Gegenwart Gottes in der Mitte der Gemeinde erkennt, wird an seinem Frieden, seinem Segen und seiner Hilfe teilhaben dürfen.
Erkennen und tun
Das gilt es zu erkennen. Mag die Neuzeit noch so abstrakt scheinen: Jesus Christus ist Gottes Kraft und Weisheit. Dieses Stück Erkenntnis muss der moderne Mensch erreichen. Der Glaube ist göttliches Geschenk, mit dem die Glaubenden die Weisheit erhalten, dass der Tod Jesu nicht ein Scheitern, sondern DAS entscheidende Heilsereignis gewesen ist. Für sie ist das Evangelium als das „Wort vom Kreuz“ Kraftquelle, Erlösungstat und Ermunterung zum Bekenntnis zugleich: „Denen aber, die berufen sind, Juden und Griechen, predigen wir Christus als Gottes Kraft und Gottes Weisheit“ (1. Korinther 1,24).
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