Die einen stellen das Taufen unter Todesstrafe. Und die anderen errichten ihr eigenes „tausendjähriges Reich“. Und das alles fängt mit einer Frage an, die auch heute noch Konfessionen trennt.
Und auf einmal lief die Reformation aus dem Ruder: Zürich und Straßburg waren ab den frühen 1520er Jahre die ersten Zentren einer Bewegung von Enttäuschten. Sie wollten eine vollkommene staatsfreie Kirche und waren aufgebracht, dass die großen Reformatoren ihrer Meinung nach nur halbe Sache machten.
Weil die Radikal-Reformer im Neuen Testament kein Vorbild für die Kindertaufe fanden, hielten sie die bis dahin vollzogenen Handlungen für ungültig und begannen, bekenntniswillige Erwachsene erneut zu taufen. Die evangelischen Fürsten und Städte reagierten: 1529 stellte der Reichstag zu Speyer die Taten der „Wiedertäufer“, die sich selbst „Täufer“ nannten, unter Todesstrafe.
Was die Lage nicht gerade entspannte: 1534 eroberten Endzeit-Extremisten aus den Reihen der Täufer erst den Stadtrat und dann das Stadtgebiet von Münster in Westfalen. Sie errichteten eine Glaubensdiktatur, in der neben den zehn Geboten gleichzeitig die Gütergemeinschaft und die Polygamie regierten. Das auf 1000 Jahre anlegte „Neue Jerusalem“ war keine zwei Jahre später schon Geschichte.
Bibel verweigert eindeutige Antwort
Geblieben ist indes die Frage der Kindertaufe. Der Blick in das Neue Testament liefert dazu keinerlei wirklich nahrhaften Antworten:
- Nirgendwo ist berichtet, dass ein Kind getauft wurde. Es ist aber auch nirgendwo ausgeschlossen.
- Häufig ist erwähnt, dass Familienoberhäupter (etwa Lydia oder Stephanus) mit ihrem „ganzen Haus“ (griechisch oikos) oder „all den Ihren“ getauft wurden. Ob dabei Kinder oder gar Säuglinge einbezogen waren, ist allerdings nicht gesagt.
- So bleiben Hilfsargumente, wie die Jesu-Worte „Lasset die Kinder zu mir kommen …“ zum Für und „… denn solchen gehört das Reich Gottes“ zum Wider.
Erstmals zweifelsfrei dokumentiert ist die Kindertaufe beim ersten lateinischen Kirchenschriftsteller Tertullian um das Jahr 200 herum. Er spricht sich dagegen aus. 50 Jahre später setzt sich Kirchenvater Cyprian dafür ein, Säuglinge am zweiten oder dritten Tag nach der Geburt zu taufen. So geht es in hin und her, bis sich die Kindertaufe im fünften, spätestens im sechsten Jahrhundert durchsetzt.
Im Endeffekt eine Glaubensfrage
Ganz gleich, ob bei den Kirchenvätern oder in der Reformation – eins fällt in jedem Falle auf: Ob die Kindertaufe befürwortet oder abgelehnt wird, hängt davon ab, auf welche Weise die Taufe verstanden wird:
- Wer die Taufe vor allem als Bekenntnis zu Gott versteht, der kann nur mündige Erwachsene taufen.
- Wer die Taufe als Wiedergeburt sieht – gemäß Johannes 3,5 „geboren aus Wasser und Geist“, um „in das Reich Gottes“ zu kommen – der möchte auch Kinder taufen.
- Wer die Taufe als Abwaschung der Erbsünde ansieht, für den ist es sogar notwendig, Kinder so früh wie möglich zu taufen.
Und so geben die Konfessionen auch heute noch unterschiedliche Antworten auf die alte Frage. Die weit überwiegende Mehrheit des Christentums praktiziert die Kindertaufe. Dazu gehört neben der Katholischen und der Evangelischen auch die Neuapostolische Kirche.
Gemeinschaften wie die Mennoniten, Hutter, Baptisten oder die Pfingstbewegung akzeptieren ausschließlich die Erwachsenentaufe beziehungsweise „Gläubigentaufe“. Das hat zeitweise zu Problemen bei der gegenseitigen Anerkennung des Sakramentsvollzugs geführt. Doch damit beschäftigt sich eine spätere Folge dieser Serie.
Foto: Oliver Rütten
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