Für wen ist Jesus Christus gestorben – für uns, für viele oder für alle? Diese Frage stellt eine kleine, aber gewichtige Änderung in den Aussonderungsworten zum Heiligen Abendmahl. Die Antwort ist gut erforscht.
Man muss schon genau hinausschauen, um diesen Unterschied zu entdecken, den die Liturgie-Reform 2011 mit sich brachte: Nicht mehr „für euch“, sondern „für viele“ ist das Blut Christi vergossen, heißt es in der neuen Aussonderungsformel.
Für alles ein Beleg
Wie passt das zusammen mit der Grundwahrheit des Evangeliums, „dass einer für alle gestorben ist“? – wie es zum Beispiel der zweite Korintherbrief formuliert. Zumal auch „für viele“ absolut biblisch ist: die wörtliche Übersetzung des griechischen „hypér pollôn“ in den Abendmahlsberichten nach Markus und Matthäus. Dort steht es neben dem „für euch“.
Darüber haben sich schon die Kirchenväter und -lehrer von Origenes bis Thomas von Aquin die Köpfe zerbrochen – ohne eindeutiges Ergebnis. Dennoch: Über Jahrhunderte war „für viele“ bei der Konsekration zu hören, bei Katholiken, Orthodoxen oder auch Anglikanern. Nur die Protestanten beschränkten sich auf „für euch“.
Im Für und Wider
Ausgerechnet ein evangelischer Gelehrter hat die katholische Liturgie an dieser Stelle über den Haufen geworfen. Sein Beitrag zu einem international hochrenommierten Wörterbuch unter dem Stichwort „polloi“ hatte solch eine Durchschlagskraft, dass das Zweite Vatikanische Konzil 1968 die landessprachlichen Übersetzungen freigab. Seitdem heißt die katholische Formel vielerorts „für alle“.
Knapp 40 Jahre später, ab 2006, versuchte der Vatikan, zum „für viele“ zurückzukehren. Seitdem diskutierten die Wissenschaftler hin und her. Die „pro multis“-Kontroverse war geboren, benannt nach der lateinischen Übersetzung von „hypér pollôn“. Und genau in diese Phase fällt der Wechsel in der neuapostolischen Liturgie von „für euch“ zu „für viele“.
Für wen gesprochen
So viel ist mittlerweile klar: Die Argumentation des Lexikon-Artikels ist mächtig angekratzt, wenn nicht gar widerlegt. Denn der Autor griff dabei auf eine hypothetische Rückübersetzung ins Aramäische zurück – eine Methode, die heutigen Wissenschaftlern zu spekulativ ist.
Zumindest darin sind sich die Gelehrten einig: Ob es in der Liturgie „für euch“, „für viele“ oder „für alle“ heißt – das ist weniger eine bibelkundliche noch eine sprachwissenschaftliche, sondern eine theologische Frage der Liturgie-Gestaltung: An wen richtet sich die Einladung zur Sakramentsfeier? Und in welchem Rahmen wird sie gesprochen?
„Jesus ist für alle Menschen gekommen, aber nicht alle nehmen ihn an“, betont der Katechismus der Neuapostolischen Kirche. „Um Sündenvergebung zu erlangen und dem geistlichen Tod entrissen zu werden, ist der Glaube des Sünders an Jesus Christus als den Erlöser die erste Voraussetzung“, heißt es zudem. Und schließlich gilt: „Grundvoraussetzungen zum würdigen Genuss des Heiligen Abendmahls sind ein Heil verlangendes, bußfertiges Herz und Glaube.“
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