Das Leben genießen – und trotzdem leiden? Gott mit allen Sinnen erfahren – und das schon im Hier und heute? Wie soll das eine oder andere gehen? Antworten aus einem Gottesdienst der Widersprüche.
Überraschend besuchte Stammapostel Jean-Luc Schneider am 23. Januar 2022 die Gemeinde in Mulhouse (Frankreich). Ursprünglich wollte er nach Angola. Doch die Reise konnte der Kirchenleiter aufgrund der Pandemie nicht antreten.
Thema des Gottesdienstes war, was Apostel Paulus in 2. Korinther 5, 1-2 an die Gemeinde schreibt: „Denn wir wissen: Wenn unser irdisches Haus, diese Hütte, abgebrochen wird, so haben wir einen Bau, von Gott erbaut, ein Haus, nicht mit Händen gemacht, das ewig ist im Himmel. Denn darum seufzen wir auch und sehnen uns danach, dass wir mit unserer Behausung, die vom Himmel ist, überkleidet werden.“
War Paulus lebensmüde?
Paulus will hier keine Todessehnsucht zum Ausdruck bringen, stellte Stammapostel Schneider klar. „Er wollte nicht sterben, und das hat er mehrmals gesagt.“ Schließlich habe Paulus die gleiche Hoffnung wie die Christen heute gehabt – nämlich, dass der Herr zu den eigenen Lebzeiten wiederkommt.
Leiden in der Nachfolge Christi
Wenn Paulus vom Seufzen schreibt, bedeute dies nicht, „dass das Leben auf der Erde zwangsläufig etwas Schreckliches ist.“ Natürlich: Wir sind allen Schwierigkeiten ausgesetzt, die das Leben auf der Erde mit sich bringt, aber das bedeutet nicht, dass das Leben auf der Erde unbedingt schrecklich sein muss.“ Ganz im Gegenteil: „Wir haben genau wie alle anderen das Recht, dieses Leben zu genießen und all die Freuden zu erleben, die es uns bietet.“
Paulus spreche hier viel mehr von dem spezifischen Leiden derer, die sich entschieden haben Christus zu folgen, erläuterte der Stammapostel:
- „Jesus ist unser Maßstab, und da wird uns zwangsläufig bewusst, dass wir unvollkommen sind und dass wir schwach sind.“ Genau „das ist ein erstes Leiden, das Leiden desjenigen der Christus nachfolgt und sich bewusst wird: Ich bin unvollkommen, ich bin ein armer Sünder“
- Wer seinen Nächsten liebt, sei zudem sensibel für das Leid anderer Menschen. Andere leiden zu sehen gehöre zum Leiden eines Christen.
- Ein weiteres Leiden sei zudem das Wissen: „In diesem irdischen Körper schaffen wir es nicht, Frieden miteinander zu haben, in vollkommener Gemeinschaft mit anderen zu sein“.
- Christen heute unterliegen auch den Gesetzen der Erde und seien von denen getrennt die nicht mehr den irdischen Körper haben: „das Leiden, von denen getrennt zu sein, die uns in die andere Welt vorausgegangen sind“
- „Solange wir auf dieser Erde sind, müssen wir an Christus glauben, und wir können ihn nicht sehen.“ Die Tatsache, dass mit dem irdischen Körper keine vollkommene Gemeinschaft mit Gott erreicht werden kann, sei auch das größte Leiden von Paulus gewesen…
Umso wichtiger sei der Auferstehungsleib, machte der Kirchenleiter deutlich. Denn nur mit diesem Körper sei vollkommene Gemeinschaft mit Gott möglich.
Greifbarer Kontakt mit Gott – heute schon möglich?
„Wer die Gemeinschaft mit Christus sucht, braucht auch eine gewisse, ich möchte fast sagen, körperliche Gemeinschaft mit dem Herrn“. Und „Wer die Gemeinschaft mit ihm sucht, muss konkrete Dinge tun, es reicht nicht, schöne Gedanken zu haben.“
Stammapostel Schneider zeigte der Gemeinde auf, wie es heute schon möglich ist, in natura Begegnung mit Gott zu haben:
- Es sei den Gläubigen möglich, Gottes Stimme zu hören. Hierbei würde es nicht genügen, einen Text mit schönen Gedanken zu lesen. Im Gottesdienst höre der Gläubige das Wort Gottes, dort sei es substanziell, so der Kirchenleiter.
- Zudem reiche es nicht aus, nur zu hören. Der Gläubige müsse mit Gott sprechen: „nicht nur in seinem Kopf, er muss mit ihm sprechen und deshalb beharrt er im Gebet“.
- Dort wo es möglich ist, sprechen Christen auch mit Gott, wenn sie zusammen singen.
- „Wir müssen mit ihm essen, wir müssen die Gegenwart seines Leibes spüren, das ist auch der Sinn des Abendmahls“, auch wenn diese Vorstellung verstörend sei. Der Stammapostel führte aus, „dass unser Körper eine körperliche Erfahrung braucht, um Gott nahe zu sein, und das geht auch über das gemeinsame Essen des Leibes und des Blutes Jesu, über das Sein in ihm.“
„Bald – das ist unsere Hoffnung und unsere Überzeugung – wird der Herr wiederkommen“, sagt Stammapostel Schneider abschließend. „Was kein Mensch erklären, nicht verstehen kann, wird einfach stattfinden, und wir werden erkennen, dass sich alles verändert hat und alles geregelt ist.“