Die Stellung der Frau in den frühchristlichen Gemeinden? Der biblische Befund ist voller Widersprüche. Wie geht die Neuapostolische Kirche damit um? – Das zweite Zwischenfazit zur Frage, was das Neue Testament zur Frauenordination sagt.
Soviel ist klar: Ebenso wie zu Zeiten Jesu spielten Frauen auch in den urchristlichen Gemeinden eine zentrale Rolle. Sie hatten führende Funktionen inne, aus denen auch für Männer erst später Ämter wurden. Davon zeugen viele Beispiele: etwa die Diakonin Phöbe, die Lehrerin und Gemeindeleiterin Priska oder die Töchter des Philippus als Verkünderinnen göttlichen Willens.
Allerdings: Wenn es um die Rolle der Frau im Gottesdienst geht, zeichnet die Bibel ein widersprüchliches Bild.
- 1. Korinther 14,34 und 1. Timotheus 2,12 verlangen, dass die Frau in der Gemeindeversammlung schweigt.
- Doch 1. Korinther 11,5 erlaubt den Frauen ausdrücklich im Gottesdienst zu beten und prophetisch zu reden – wenn die Haartracht stimmt.
Auch bei der theologischen Argumentation knirscht es in der Logik:
- Das Schweigegebot wird damit begründet, dass Eva die Sünde in die Welt gebracht habe.
- Doch Römer 5,12–21 sieht Adam als Urheber der Sünde.
Welche Lehren zieht die Kirche aus solchen Widersprüchlichkeiten?
Einzelverse sind kein Fundament
Auf keinen Fall darf man sich einfach die Bibelstelle rauspicken, die einem persönlich am Besten gefällt. Das hat Stammapostel Jean-Luc Schneider im September 2022 beim Gottesdienst in Banjul (Gambia) deutlich gemacht. „Es ergibt keinen Sinn”, Entscheidungen aufgrund einzelner Bibelverse zu treffen. Zu vielen Punkten könne man in der Bibel alles und dann auch genau das Gegenteil davon finden:
- Mal will Gott vom Volk Israel, dass es kämpft und mal nicht.
- Mal will Jesus, dass die Jünger nur zu den Juden gehen, mal sollen sie doch zu den Heiden.
- Der erste Korinther-Brief empfiehlt, nicht zu heiraten, um dem Herrn zu gefallen. Der erste Timotheus-Brief bezeichnet den Rat, nicht zu heiraten, als Irrlehre.
- 1. Timotheus 2 sagt erst, dass Gott alle Menschen retten will. Und einige Verse später heißt es, dass Frauen nur gerettet werden könnten, wenn sie Kinder bekommen. Das hieße: Gott will die Frauen nicht retten, denen er selbst nicht erlaubt, Kinder zu gebären.
Diese wenigen Beispiele zeigten, dass man Entscheidungen nicht auf einzelne Bibelstellen stützen könne, so der Stammapostel. „Wir glauben, dass Jesus seinen Aposteln die Aufgabe anvertraut hat, die Heilige Schrift durch den Heiligen Geist auszulegen“, verweist er auf den Katechismus (KNK 1.2.5.1).
Apostolat baut Gemeindeordnung
Vor diesem Hintergrund hat die internationale Bezirksapostelversammlung im November 2021 folgende Feststellung beschlossen:
- „In einigen neutestamentlichen Briefen finden sich Aussagen, die eine aktive Beteiligung der Frauen am Gemeindeleben überhaupt ablehnen:
- Dagegen stehen Zeugnisse in den Paulusbriefen und der Apostelgeschichte, die ein anderes Bild zeichnen: Frauen waren im Gemeindeleben und Gottesdienst aktiv. Sie waren Missionarinnen und an Gemeindegründungen beteiligt.
- Das biblische Zeugnis ist von daher in Bezug auf die Aufgaben der Frau in der Gemeinde nicht eindeutig.
- Einzelne ablehnende Aussagen in neutestamentlichen Briefen zur aktiven Beteiligung der Frau im Gottesdienst und in der Gemeinde, können nicht als hinreichende Begründung dazu dienen, Frauen vom Amt auszuschließen.
- Folglich hat das Apostolat, das die lehramtliche Vollmacht besitzt und den Auftrag hat, die Gemeindeordnung festzulegen, eine Entscheidung zu treffen.“
Dieser Beschluss entspricht im Ergebnis der Antwort auf die Frage nach den Apostelberufungen Jesu. Indes: Darf die Kirche einfache so eine Ordnung festlegen? Damit beschäftigt sich die nächste Folge dieser Serie.
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