100 Jahre Kombi-Hostie: Zu Besuch in der Bäckerei
Erfolgsrezepte sind Betriebsgeheimnis – normalerweise. Nicht so bei dem weltweit milliardenfach vertriebenen Produkt der neuapostolischen Hostienbäckereien. Ein Blick hinter die Kulissen.
Was bisher geschah: Hygienische Notwendigkeiten und wirtschaftliche Not verdrängen ab 1917 den Weinkelch aus der Feier des Heiligen Abendmahls. In Tropfen kommt der Wein auf die Hostie anfangs nur unter Schwierigkeiten. Aus den Tupf-Apparaten und Waffeleisen der Anfangsjahre entwickelten sich die Produktionsstraßen unserer Tage.
Vom Mehl zur betupften Hostie
49 Liter Wasser und 39 Kilogramm Mehl vom Typ 405 – so lautet das Grundrezept der Hostienbäckerei in Bielefeld (Deutschland), der ältesten und größten Produktionsstätte der Neuapostolischen Kirche. Dazu kommt in die Rührmaschine nur noch etwas Lecithin, damit die automatische Verarbeitung flutscht.
Alle 45 Minuten rührt ein Mitarbeiter neuen Teig und gibt bei Bedarf noch wenige Liter Wasser dazu, je nachdem wie die aktuelle Charge Mehl beschaffen ist. Über Rohrleitungen fließt der Teig aus dem Nebenraum dann hinüber zur Backmaschine, die den eigentlichen Produktionsraum beherrscht.
Der große Automat hat 31 „Waffeleisen“, in die der Teig einfließt. Jedes Blatt läuft dann etwa eine Minute in der Backzange durch den Ofen, ehe sich das Backeisen wieder öffnet und ein Stoß Druckluft die knapp 20 Gramm leichte Teigplatte aufs Förderband schubst.
Frisch aus dem Ofen sind die Hostienplatten trocken und brüchig. So würde bei der Weiterverarbeitung einiges zerbröseln. Also ab in den Konditionierer: Nach fünf Minuten im Wasserdampf sind die Teigplatten biegsam genug, um ihre Reise unbeschadet fortzusetzen.
So weit, so üblich, die neuapostolische Besonderheit bekommen die Hostien im Betupfer verpasst: drei Tropfen Wein – aktuell der Sorte „Blauer Zweigelt“, der kräftigen Farbe wegen. Macht pro Hostie etwa einen Quadratmillimeter eines eingedickten Weinsudes, der zuvor zwölf Stunden vor sich hingekocht und so den allermeisten Alkohol von sich gegeben hat.
Vorletzte Station im Produktionsprozess ist das Ausstanzen: 73 runde Hostien gibt jede Backplatte her. Der Rest drumherum wird zerschreddert und umweltfreundlich entsorgt – in Kompostierungs- oder Biogasanlagen.
Bleibt nur noch die Packstation: Etwa 1600 Hostien kommen in einen Karton. Und weil das nicht gezählt, sondern gewogen wird, kann da mal mehr und mal weniger sein – je nach Wetterlage und Luftfeuchtigkeit.
Die Vier-plus-Eins-Tage-Woche
Etwa zehn Stunden am Tag produziert die Hostienbäckerei in Bielefeld – vier Tage die Woche. Der Freitag gehört dem Reinigen und Reparieren. Das spart Betriebskosten. Drei Vollzeit- und mehrere Teilzeitkräfte sorgen für einen reibungslosen Ablauf. Mindestens zwei Mitarbeiter müssen vor Ort sein, um die Produktion am Laufen zu halten.
Alle zwei Wochen bekommt die Bäckerei rund vier Tonnen Mehl geliefert. Das reicht für acht bis zehn Werktage. Daraus entstehen jedes Jahr gut 110 Millionen Hostien, die an mehr als 60.000 Gemeinden weltweit verschickt werden. Der Versand ist nicht immer einfach. Und diese Hostien sind nicht das einzige, was in Bielefeld gebacken wird. Doch das sind zwei ganz andere Geschichten …