Von mehreren Seiten kam der neuapostolische Glaube in das Land – und manchmal auf kuriose Weise. Der erste Apostel Nigerias etwa lernte die Kirche dank eines Kuchens kennen – nun teilen sich die neuapostolischen Nigerianer quasi eine Festtorte.
Mit fast 280.000 Mitgliedern ist die Neuapostolische Kirche Nigerias zwar das mitgliederstärkste Land des Bezirksapostelbereichs Süddeutschland, doch gemessen an der Einwohnerzahl des Landes sind es Wenige, die feiern: Nigeria ist mit rund 224 Millionen Einwohnern das mit Abstand bevölkerungsreichste Land Afrikas und weltweit das Land mit der sechstgrößten Bevölkerung. Doch die neuapostolischen Christen tragen ihr goldenes Jubiläum stolz durch das ganze Land.
Vom Sklavenhandel zur Volkswirtschaft
Seit 2014 ist das heute als Schwellenland bezeichnete Nigeria vor Südafrika die größte Volkswirtschaft in Afrika. Knapp ein Drittel aller afrikanischen technologischen Startups kommen von dort, die größte Stadt des Landes, Lagos, ist führender Finanzplatz West- und Zentralafrikas, außerdem wird mit dem Export von Erdöl die Wirtschaft angefeuert und die Filmindustrie Nigerias produziert so viele Filme wie weltweit sonst nur Hollywood und Bollywood.
Nigeria grenzt an den Atlantik, die Länder Niger, Benin, Tschad und Kamerun. Ohne Rücksicht auf die Einwohner und deren ethnische, sprachliche und kulturelle Bedingungen teilten die Europäer im 19. Jahrhundert den afrikanischen Kontinent auf wie einen Kuchen. Großbritannien bekam das Gebiet des heutigen Nigerias und zeigte schnell militärische Präsenz. Das wirtschaftliche Handeln der Kolonialisten schwächte nicht nur im heutigen Nigeria die einheimische Wirtschaft, die Einwohner wurden auch unterdrückt und Bildung blieb ihnen oft verwehrt.
Vielfalt zulassen
Doch wo die Briten nachsichtiger wurden, entwickelten sich die Nigerianer. Zum Beispiel in den Städten Lagos und Calabar, wo der Kolonialgouverneur Hugh Charles Clifford 1922 so etwas wie eine Demokratie zuließ: Dort gab es schon nach kurzer Zeit Parteien, Zeitungen, Frauenrechtsorganisationen, Gewerkschaften und höhere Bildungsinstitute. Bald gab es schon Streiks und Ähnliches. 1942 erzwangen die Nigerianer mit einem Streit von der Kolonialverwaltung die Freilassung von Gewerkschaftlern und 1960 erkämpften sie sich die Unabhängigkeit.
Englisch ist die Amtssprache Nigerias, aber daneben gibt es noch über 500 verschiedene Sprachen und Dialekte. So vielfältig sind auch die Ethnien und Kulturen in Nigeria. Die drei größten Volksgruppen sind die Igbo, die Yoruba und die Hausa. In Nigeria werden zahlreiche westafrikanische Religionen praktiziert. Der Islam kam bereits 1804 in das Gebiet des heutigen Nigerias mit der Eroberung des Militaristen und Predigers Usman dan Fodio. Christliche Missionare kamen gemeinsam mit den britischen Soldaten. Sie brachten nicht nur die christliche Religion, sondern sie gründeten auch Missionsschulen und wirkten auf die Gesellschaft ein.
Seelsorgebriefe und Kuchen
Die neuapostolische Lehre kommt von mehreren Seiten nach Nigeria: Im August 1968 zieht ein junger Schweizer, Peter Gfeller, beruflich nach Nigeria. Aus Deutschland wird er fortan mit Seelsorgebriefen und der Zeitschrift „Unsere Familie“ versorgt. Bezirksapostel Gottfried Rockenfelder beauftragt Bischof Rudolf Schilling aus der Gebietskirche Hessen in Deutschland, mit dem Aufbau der Neuapostolischen Kirche in Nigeria zu beginnen. Mit rund 50 Gästen feiert er im Februar 1974 den ersten neuapostolischen Gottesdienst Nigerias. Bei seinem Besuch zwei Monate später kann der Bezirksapostel schon über 30 Personen das Sakrament der Heiligen Versiegelung spenden, vier Diakone ordinieren und Peter Gefeller ins Priesteramt setzen.
Währenddessen stolpert der Nigerianer Felix Omeh in Guyana auf der Suche nach einer „Apostolic Church“ versehentlich in einer „New Apostolic Church“ – und bleibt. 1974 wird er, inzwischen zum Priester ordiniert, nach Kitchener (Kanada) zum Jugendtag eingeladen und dort gefragt, ober er in Nigeria die Neuapostolische Kirche aufbauen will. Dort stellen die Priester bald fest, dass sie nicht allein sind und arbeiten zusammen – Priester Omeh im Norden, Priester Gfeller von Lagos ausgehend.
Und dann kommt 1975 noch Okuyak Uwah dazu. Der gebürtige Nigerianer lernt in New York (USA) beim Kuchenessen die Neuapostolische Kirche kennen und beginnt mit dem Aufbau der Neuapostolischen Kirche in seiner Heimatstadt Uyo im Osten Nigerias. Er wird am 19. Februar 1978 als erster einheimischer nigerianischer Apostel ordiniert.
Wachstum nach Innen und nach Außen
Infolgedessen gründen die neuapostolischen Nigerianer viele Gemeinden, fördern musikalische Aktivitäten sowie Kinder und Jugendliche und praktizieren auf vielfältige Weise Nächstenliebe. 1988 und 1992 werden auch Peter Gfeller und Felix Omeh Apostel und im Dezember 1999 wird die Neuapostolische Kirche in Nigeria zusammengelegt und unter die Leitung von Süddeutschland gestellt.
Seit November 2016 ist Apostel Geoffrey Nwogu Lead Apostle für Nigeria. Ihn unterstützen zehn Apostel. Die Neuapostolische Kirche hat rund 280.000 Mitglieder in dem Land und mehr als 4000 Geistliche dienen in rund 1000 Gemeinden. Dieses Jahr feiern sie ihr goldenes Jubiläum mit ausgelassenen Festen und Jubiläumstorten, aber auch Kirchengebäude werden zu dem Zweck renoviert und Brunnen gestiftet.