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Glauben im Land von Eis und Feuer

14 10 2025

Author: Simon Heiniger

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Zwischen Gletscherblau und Lavaschwarz: Island verwebt Naturwunder und Glauben. Und in Reykjavík leuchtet in einer kleinen Kapelle ein schlichtes Bekenntnis: „Sjáið merkið – Kristur kemur.“

Island – Land von Feuer und Eis: schwarze Lavafelder neben blauem Eis, Dampf über Geysiren, Nordlichter wie gemalte Psalmen am Himmel. Zwischen Sagas und Seewind wirkt Zeit langsamer, als atmete die Erde hörbar unter den Schritten. Ein Land, dessen Parlament seit 930 tagt – eines der ältesten der Welt – und dessen Sprache Wörter aus der Wikingerzeit hütet. Heiße Quellen gehören zum Alltag der rund 390.000 Bewohner Islands, während draußen Gletscher knirschen und Vulkane die Landkarte neu zeichnen. Und ja: Mit einem Lächeln erinnern Isländer gern daran, dass der wahre Entdecker Amerikas Leifur Eiríksson war – lange vor Kolumbus. Fjorde, Moospolster, weite Stille – und dazwischen Orte, in denen die Sagen lauter sind als die Gegenwart.

Alþingi, Ásatrú – und ein kleines Fenster der Hoffnung

Die Sagen und Kulte der altnordischen Religion (Ásatrú) prägten Island bis ans Ende des ersten Jahrtausends – mit Göttern wie Odin und Thor und mit Festopfern (blót). Um inneren Frieden und äußere Anbindung zu sichern, beschloss das Alþingi – Islands Parlament (gegründet 930, eines der ältesten der Welt) – im Jahr 1000 die Annahme des Christentums. Zugleich spielten viele heidnische Bräuche weiterhin – vor allem im privaten Raum – eine große Rolle. Seit der Reformation ist das Land überwiegend lutherisch. Die Hallgrímskirkja – eine der bekanntesten lutherischen Kirchen – prägt das Zentrum von Reykjavík. Nur wenige Gehminuten entfernt: die Friðrikskapella, eine kleine Kapelle, die verschiedene Kirchen gemeinsam nutzen. Hier feiert die Gemeinde der Nýja Postula Kirkjan Ísland (Neuapostolische Kirche Island) ihre Gottesdienste. Die Neuapostolische Kirche ist seit den 1970er-Jahren in Island aktiv; heute zählt die kleine Gemeinde offiziell 14 Mitglieder. Hinter dem Altar der Kapelle leuchtet ein Glasfenster mit der Inschrift „Sjáið merkið – Kristur kemur“ – „Schaut das Zeichen – Christus kommt“ und die Einladung, im Glauben auf dem leuchtenden Weg voranzugehen, dorthin, wo das strahlende Ziel entgegenstrahlt.

Was das Fenster verheißt, wird im Alltag lebendig – zwei Gemeindemitglieder erzählen.

Zwei Stimmen – ein Weg

Moritz Müller, Jurastudent, erzählt von einem Glaubensrhythmus, der leiser, aber konzentrierter ist: Etwa alle zwei Monate gibt es Gottesdienst – „den letzten am 12. Oktober, den davor am 24. August“ –, die Priester reisen aus Deutschland an, manchmal mit musikalischer Verstärkung. Dazwischen trägt ihn das tägliche Gebet; Videogottesdienste „sind halt nicht dasselbe“.
„Ich habe so das Gefühl, dass ich, bevor ich nach Island gegangen bin, sehr gut für diese Zeit vorbereitet wurde – also die Zeit, ohne viel Kirche. Ich habe nicht das Gefühl, den Kontakt zu verlieren.“ Ein früher Schlüsselmoment wirkt bis heute nach: Einen Monat vor der Konfirmation habe er „keine Ahnung“ gehabt, wozu das alles gut sei; dann kam ein Gottesdienst – „und ich bin mit Tränen in den Augen hinaus, weil einfach alles gepasst hat“.
In Freiburg, sagt er, habe vor allem die Gemeinschaft außerhalb der Gottesdienste die Messlatte hochgelegt; das große Angebot mit zwei Gottesdiensten pro Woche sei zugleich etwas Selbstverständliches, Alltägliches geworden. Hier in Island gehe er bewusster in den Gottesdienst: „Ich ziehe mir jedes Mal einen Anzug an. Ich würde jetzt nicht mehr in Jeans und Pulli kommen, weil es etwas Besonderes ist.“
Vieles bündelt sich dann zu einem ganzen Kirchenwochenende: samstags Spaziergänge oder ein Kaffee, sonntags Chorprobe vor dem Gottesdienst, danach bleibt die kleine Gemeinde mindestens eine Stunde zusammen. „Für unsere Mitgliederzahl ist das hier schon eine Power-Gemeinde.“

Seit bald 3 Jahrzehnten lebt Monique Vala Körner Ólafsson auf der grossen Insel. Ende 1998 ist sie nach Island gezogen – der Liebe wegen. Früher habe die Kirche eine Wohnung mit angegliedertem Raum gemietet, oft seien Gruppen aus Deutschland gekommen, „es gab sogar mal einen Islandchor“. Nach der großen Krise in Island sei die Betreuung zeitweise von Großbritannien übernommen worden, „heute wieder Deutschland“. Ihren Glauben erlebt sie besonders im Alltag, bei ihrer Arbeit im ambulanten Bereich. Auch ringe sie immer wieder mit innerer Anspannung, „aber ich weiß, dass ich Gott vertrauen kann, in allem, was ich tue“. Zu den kostbarsten Momenten zählen für sie die Apostelbesuche – „sowas hat nicht jeder“. Das Wort, das sie mit Kirche verbindet, heißt „Trúföst“ – Treue; ihr persönlicher Vers ist Jesaja 43,1 – „Ich glaube dazu braucht macht nichts zu sagen, oder?“.
Wenn sie an die weltweite Gemeinde denkt, fasst sie es schlicht: „Auch wenn ihr wenige seid – Gott vergisst euch nicht.“

Es ist kein Klang des Mangels, sondern der Dankbarkeit.


Titelbild: den-belitsky / Envato Elements
restliche Fotos: Nýja Postula Kirkjan Ísland

14 10 2025

Author: Simon Heiniger

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