Mit Wurst oder doch lieber mit Pralinen? Bunt und schrill locken die Adventskalender in den Regalen. Dabei ging es doch ursprünglich mal ums Fasten – wie passt das zusammen?
24 Überraschungen versüßen die Wartezeit bis zum Weihnachtsfest – das macht den Adventskalender aus. Die Tradition hat ihren Ursprung im Jahr 1839 in einem Kinderheim in Hamburg (Deutschland). Der Leiter Johann Heinrich Wichern stellte ein Wagenrad mit Kerzen auf: rote Kerzen für die Werktage und weiße für die Sonntage. Jeden Tag bei der Andacht entzündete eines der Kinder eines der Lichter.
Diese Idee fand Nachahmer und entwickelte sich mit den Jahren weiter. Mal erhielten Kinder 24 Bilder zum Aufhängen, mal jeden Tag ein Stück Stroh, um es dem Jesuskind in die Krippe zu legen. Oder sie durften täglich einen Kreidestrich von der Wand wischen.
Mit dem 20. Jahrhundert begann die industrielle Produktion von Adventskalendern mit bedruckten Papptürchen, hinter der sich eine kleine Überraschung versteckte.
Größer, schriller, origineller
Fanden sich dort zunächst weihnachtliche Motive, Bibelverse, Plätzchen oder Schokoladentäfelchen, so scheinen sich die Kalender heute an Exklusivität immer weiter übertreffen zu wollen: Da gibt es sie mit Chipstüten, Wurstspezialitäten, Tees, Bastelutensilien, Kosmetikprodukten, Werkzeug, Schmuck, Spielzeug für Kinder aber auch Erwachsene oder sogar mit Lotterielosen.
In Leipzig manifestiert sich jedes Jahr der größte freistehende Adventskalender mit 875 Quadratmetern. Und der teuerste war wohl 2010 der Eine-Millionen-Dollar-Adventskalender des Londoner Kaufhaus Harrods, der mit Überraschungen wie einer Sonnenbrille mit 18 Karat Gold, einem Motorboot und einer Designerküche aufwartete.
Alles einmal umgekehrt
Doch ein Gegentrend bricht sich Bahn. Die Funktion des Adventskalenders wird umgedreht. Weggeben statt zu nehmen, lautet die Idee: Jeden Tag eine Sache aus dem eigenen Besitz aussortieren und entsorgen oder weitergeben und spenden. Eine Entrümpelungsaktion, um sich von Unnützem zu trennen, sich selbst freizumachen und etwas Verzicht zu üben. Ein Trend, der an eine weitere oft vergessene Adventstradition anknüpft: das Fasten.
Innere Einkehr statt Vorglühen
Ja genau früher war das Fasten ein fester Bestandteil der Adventszeit. Diese Tradition reicht bis in das 4. Jahrhundert zurück, bis sie Anfang des 20. Jahrhunderts in den Hintergrund rückte.
Beim Advents-Fasten ging es darum, die eigenen Gewohnheiten zu durchbrechen, sowohl beim Essen als auch in der alltäglichen Routine: innehalten, besinnen, Stille, Verzicht, Raum für neue Gedanken, innere Einkehr durch das Gebet und Bibellektüre. Sich frei machen und lösen, um sich auf das Wesentliche zu konzentrieren.
Das Herz bezugsfertig machen
Sie passen wunderbar zusammen: die fast verlorenen Gewohnheiten des Adventsfasten und der neue Trend des umgekehrten Adventskalenders. Denn nicht nur hinter den Türen des Haushalts gibt es genug zu entrümpeln, sondern auch hinter der Tür zum eigenen Herzen.
Man muss nur Geist und Seele öffnen und schauen, was sich da verbirgt: Schuld, verletzter Stolz, ungeklärte Situationen, Lüge, Vorwürfe, Frust, Groll, Ärger, Wut, übersteigerter Perfektionismus, Enttäuschung, Unverständnis, negative Denkmuster, unerfüllte Erwartungen, das Gefühl, immer funktionieren zu müssen, Unzufriedenheit – All das schadet nicht nur dem alltäglichen Leben, sondern auch dem Glaubensleben, der Beziehung zum Nächsten und zu Gott.
Loslassen, freimachen, Dinge rausschmeißen, die eigenen Gedanken auf Vordermann bringen, Friedensangebote für sich und den Nächsten eröffnen, auf das Gute schauen und sich dieses bewusst machen. Die Adventszeit ist eine wunderbare Gelegenheit dazu. Wer so ausmistet, der kann einem besonders lichten Weihnachten entgegensehen und den Heiland an Heiligabend in ein aufgeräumtes und gemütliches Herz einziehen lassen.
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