Das Amt (6): Immer wieder neu
Beständigkeit im Wandel: Seit ihren Anfängen hat die Neuapostolischen Kirchen ihre Ämterordnung stetig weiterentwickelt. Dieser Fortschritt hat seine Tradition – schon in der Vorgängerkirche.
Apostel, Prophet, Evangelist und Hirte: Diese Ämter fand die Gemeinde des schottischen Predigers Edward Irving in Epheser 4,11. Doch als sich die apostolische Bewegung in Richtung Katholische-Apostolische Kirche entwickelte, änderte sich bereits die Struktur.
Unter dem maßgeblichen Einfluss von Apostel John Bate Cardale sei die klassische Dreigliedrigkeit mit Kirchenleitung, Priesterschaft und Diakonat hinzugekommen. So erläuterte es der Kirchenhistoriker Dr. Manfred Henke gegenüber nac.today.
Idealbild bleibt unerreicht
Auf diese Weise entstand eine komplexe Mischform: einerseits die „Allgemeine Kirche“ unter der Leitung der Apostel, andererseits die örtliche Gemeinde unter der Leitung eines „Engels“ (Bischof), der als Amt mit apostolischem Charakter angesehen wurde.
Beide Ebenen sahen – im Prinzip gleichrangig – Propheten, Hirten und Evangelisten vor. Die Amtsträger seien zunächst als Priester ordiniert und dann eine Weile beobachtet worden, weiß Hirte Henke. Erst dann sei der Amtscharakter festgestellt und festgelegt worden.
Diese Unterscheidung wurde auch bei Amtsträgern im Bischofsrang gemacht. Wäre das damalige Idealbild komplett verwirklicht worden, hätte es in der Gemeinde an die 144 Amtsträger mit stark differenzierten Amtsbezeichnungen und Funktionen gegeben.
Mehr gerufen als gebraucht
Als ehemaliger Engel der katholisch-apostolischen Gemeinde Hamburg nahm Apostel Friedrich Wilhelm Schwarz dieses Modell mit in die werdende Neuapostolische Kirche. Die „Stamm-Ämter“ sollten in jedem Apostel- und Bischofsbezirks sowie in jeder Hauptgemeinde vorhanden sein. Dabei verlief die Hierarchie innerhalb der Amtsklassen. So war etwa der Gemeindeprophet dem Bezirkspropheten untergeordnet und dieser wiederum dem Stammpropheten.
Das Modell führte dazu, dass mehr Ämter gerufen als gebraucht wurden. „Daraus ergaben sich mancherlei Gefahren und Ärgernisse“, schreibt Eberhard Emil Schmidt (Salus) in dem Buch „Alte und Neue Wege“. Wäre die Entwicklung so weitergegangen, „hätte es zuletzt bald mehr Ämter als Glieder gegeben“.
Von horizontal zu vertikal
„Was nützen mir die Propheten, wenn ich keine Diakonen habe?“, hat Stammapostel Hermann Niehaus laut einer Gemeindechronik einmal ausgerufen. In seiner Amtszeit begann die Ablösung des charismatischen Amtsverständnisses durch ein weitgehend pragmatisches. Und die theoretische Gleichwertigkeit der Amtscharakter wandelt sich zu Hierarchie.
Das passierte vor allem in den 1930er Jahren unter Stammapostel Johann Gottfried Bischoff. Er macht den Hirten zum „ersten Priester“ und ordnet den Evangelisten darunter ein. So trat wieder die Dreigliedrigkeit von Apostelamt, priesterlichen Ämtern und Diakonenamt hervor.
Der rote Faden
Verändert haben sich seitdem nur noch die Amtsbezeichnungen innerhalb dieser Stufen. Bis zu 17 verschiedenen Begriffe gab es zeitweise, von denen viele heute längst Geschichte sind: Unterdiakon und Gemeindeälteste zuletzt, zuvor aber auch Hilfspriester, Hilfsbischof, Hilfsapostel, Apostelhelfer und Charakterevangelist.
Auffällig dabei: Den Unterschied machten nicht die jeweiligem Amtsvollmachten, sondern die Funktionsbeschreibungen. Das zeigt: Die Ämterhierarchie war in der Vergangenheit auch eine Reaktion auf die praktische Notwendigkeit, die geistlichen und administrativen Dienste auf mehrere Schultern zu verteilen.
Unverändert sind seit den 1930er Jahren jedoch die drei Stufen von Apostolat, Priestertum und Diakonat geblieben. Heute wie damals machen sich diese Ebenen allein an den geistlichen Vollmachten fest.
Quellen für diesen Artikel sind – wo nicht anders genannt – vor allem die Kirchenzeitschriften „spirit“ (Ausgaben 04/2005 und 06/2016) sowie „Unsere Familie“ (04/2018 und 06/2018). Photo: lovelyday12 - stock.adobe.com
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Andreas Rother
22.08.2019
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