Ein Glaube, der in kultureller Vielfalt lebt

Patentrezepte gibt es nicht. Dafür sind die Herausforderungen und Kulturen in der weltweiten Kirche zu unterschiedlich. Teil Zwei des Stammapostel-Interviews bietet den Lösungsansatz: aufs Wesentliche konzentrieren. Und das wäre?

Christliche Bildung für Kinder und junge Erwachsene – das haben Sie als eines der strategischen Ziele genannt. Was tut die Kirche, um das zu erreichen?

Wir sind eine Weltkirche und überall in der Welt gibt es neuapostolische Gemeinden. Ich möchte, dass wir die Kinder- und Jugendarbeit im Blick behalten. Es ist ein lohnenswertes Ziel, sich der zukünftigen Generation zu widmen. Vor allem gilt: Die jungen Gläubigen sollen die Bibel kennen, um über die neuapostolische Lehre Bescheid zu wissen, und müssen sich in ihren lokalen Gemeinden angenommen und wertgeschätzt fühlen. In den kirchlichen Unterrichten lernen sie die Theorie, im Gemeindeleben die Praxis eines glücklich machenden Glaubensalltags.

Stichwort „Weltkirche“: Wie geht die Kirche mit dieser Herausforderung um?

Früher, als unsere Kirche am Anfang ihrer weltweiten Entwicklung stand, legten wir den Schwerpunkt mehr darauf, über die Einheit der Kirche zu wachen. Wir hielten die Gläubigen dazu an, sich nach einem „apostolischen Muster“ in Sachen Musik, Kleidung, Lehrmethoden oder auch Organisation auszurichten. Heute wissen wir, dass dieses Vorgehen nicht optimal war und bemühen uns, den kulturellen Unterschieden mehr Rechnung zu tragen. Der neuapostolische Glaube lässt sich innerhalb der unterschiedlichsten Kulturen leben!

Sind denn die Gegebenheiten so unterschiedlich?

Ich möchte zwei Beispiele nennen. Zum einen: In den afrikanischen Gebietskirchen sind etwa 85 Prozent unserer neuapostolischen Mitglieder zuhause. Sie sind unserer Ansicht nach mit fünf größeren Herausforderungen konfrontiert:

  • Hunderte von evangelikalen Gemeinschaften haben einen großen Anziehungseffekt auf die Menschen. Wunderheiler haben Zulauf.
  • Auch islamische Gruppen wachsen und missionieren ihre Umgebung, zum Teil mit rigiden Methoden.
  • Insbesondere in den städtischen Gebieten kommt es zu einer immensen Verschärfung der sozialen Situation. Die Schere zwischen Arm und Reich öffnet sich rapide. Materialismus heißt hier der Gegner des Glaubens.
  • Auf der anderen Seite müssen wir helfen, Bildungsangebote für die jungen Menschen zur Verfügung zu stellen und zu fördern. Afrika braucht Bildungsoffensiven.
  • Nicht zuletzt ist die Frage nach den finanziellen Mitteln relevant. Ich möchte, dass wir es als Kirche schaffen, unsere Angebote aufrecht zu erhalten und auszubauen.

Diesen Herausforderungen müssen wir anders begegnen als etwa den Gegebenheiten im zentralen Europa.

In Europa und Nordamerika sind wir mit einem Rückgang des Gottesdienstbesuches konfrontiert …

… was uns große Sorge bereitet. Die Ursachen dafür sind vielfältig, ich will nur einige wenige nennen: Die Gesellschaften um uns herum entwickeln sich immer mehr zu Gemeinschaften von Individualisten. Der Individualismus aber steht im Gegensatz zu einem Konzept von Gemeinde, in der alle gleichberechtigt sind. Auch der Bindungswille an Kirche und Gemeinde lässt nach. Verantwortungsvolle und ehrenamtliche Aufgaben ohne Gegenleistung sind nicht in Mode. Und vieles mehr.

Wie aber lassen sich solche Unterschiedlichkeiten konkret in strategische Planungen einfügen?

Selbst auf die Gefahr hin, dass meine Äußerung auf Missfallen stößt, wiederhole ich sie: Es gibt kein Patentrezept! Weder können regelmäßige Änderungen an der Liturgie noch die brave von-Tür-zu-Tür-Mission oder große Werbekampagnen den Trend umkehren. Vorschläge dieser Art wurden sowohl in unserer Kirche als auch in anderen bereits zu Genüge ausprobiert. Zwar können einige dieser Maßnahmen örtlich und zeitbegrenzt gute Ergebnisse erzielen, den allgemeinen Rückgang am Interesse für kirchliche Angebote können sie aber nicht stoppen.

Das klingt bedrohlich. Was also ist zu tun, Ihrer Meinung nach?

Wir müssen uns auf das Wesentliche konzentrieren. Es geht schließlich um das Seelenheil.

… zu dem die Kirche verhelfen will …

Als wir unseren Katechismus erstellten, mussten wir Begriffe wie „Kirche Christi“ und „Erlösungswerk“ genauer definieren. Wir sagen: Die Kirche Christi besteht aus allen Gläubigen, die durch Taufe, Glaube und Bekenntnis dem Herrn Jesus Christus angehören. Zum einen ist es die Berufung der Kirche Christi, den Menschen das Heil und die Gemeinschaft mit Gott zugänglich zu machen und zum anderen den Raum dafür zu schaffen, Gott anzubeten und ihn zu loben.

Und das Erlösungswerk?

Innerhalb dieser Kirche Christi ist das Erlösungswerk der Teil der Kirche, in dem die Apostel wirken. Ihre Aufgabe ist es, die Brautgemeinde des Herrn zu sammeln und auf die nahe Wiederkunft Jesu vorzubereiten. Diese Wiederkunft des Herrn ist ein hochwichtiges Ereignis und das oberste Ziel unseres Glaubens. Sie stellt jedoch nicht das Ende des göttlichen Erlösungsplans oder der Kirche Christi dar. Im Friedensreich wird die Kirche Christi ihre Aufgabe fortsetzen, damit alle Menschen durch den Glauben an Jesus Christus Heil erlangen können.

Was bedeutet das für uns hier und heute?

Auf dieser Basis wollen wir auch unsere Beziehungen zu anderen christlichen Kirchen entwickeln. Wir sind der Meinung, dass alle Christen ihre gemeinsame Aufgabe solidarisch erfüllen sollten, nämlich sich zu Christus zu bekennen und die Wohltaten Gottes in Wort und Tat zu bezeugen.


Wenn die Ziele definiert sind, dann stellt sich die Frage nach dem „Wie“: Wie organisiert sich die Neuapostolische Kirche für aktuelle und anstehende Herausforderungen? Darum dreht sich der dritte und letzte Teil der Interview-Serie, der voraussichtlich am kommenden Samstag auf nac.today erscheint.



Foto: Alex Ferguson

Artikel-Infos

Autor:
Datum:
Schlagworte: