Eine Mama für alle

„Mama Rose“ wird Rose Kamwanji Ndumbi (62) nicht nur von ihrer großen Familie genannt. Auch die Glaubensgeschwister in der Gemeinde Calgary-Chestermere (Kanada) schätzen ihre fürsorgliche Art und ihr aufopferndes Engagement für die Gemeinde.

Im Gottesdienst, den Stammapostel Jean-Luc Schneider am 9. Januar 2022 im kanadischen Calgary hielt, sangen Sie zusammen mit Ihrer Tochter Sharon vor der großen Gemeinde. Was ging dabei in Ihnen vor?

Wir haben uns sehr auf diesen Tag gefreut. Wir alle konnten es kaum erwarten, unseren Stammapostel zu sehen. Natürlich freut man sich, ihn in virtuellen Gottesdiensten zu erleben, aber dieses Mal sollten wir ihn von Angesicht zu Angesicht sehen. Viele Vorbereitungen wurden getroffen, alles verlief gut und wir danken Gott, dass der Stammapostel unter uns war. Es war somit das erste Mal, dass wir in einem Gottesdienst mit dem Stammapostel gesungen haben, und wir waren sehr aufgeregt, auch wenn wir in den regulären Gottesdiensten häufiger solistisch vor der Gemeinde singen.

Erzählen Sie bitte von sich. Wo und wie sind Sie aufgewachsen?

Am 12. November 1959 in der Demokratischen Republik Kongo geboren, bin ich in einer großen, liebevollen Familie aufgewachsen. Ich bin das erste Kind meiner Eltern und habe fünf Brüder und sieben Schwestern. Bereits in jungen Jahren habe ich beschlossen, in jedem Moment meines Lebens Gott an erste Stelle zu setzen. Gläubig und Christus völlig ergeben, so würde ich mein Leben als neuapostolische Christin beschreiben. Mein Lebenswandel war kein Spaziergang, aber aus meinem Glauben heraus weiß ich, dass jede Not, die ich durchleben musste, zugelassen war und Gott mich begleitet hatte. Ich bin gespannt, was das Leben noch mit sich bringt und wie ich Gott noch erleben darf, weil ich weiß, dass sein Plan gut ist.

Welches Erlebnis aus Ihrer Kindheit oder Jugend hat Sie besonders geprägt?

Als ich noch klein war, musste meine Familie wegen eines Bürgerkrieges aus unserer Heimatstadt fliehen. Wir waren in großer Gefahr. Noch heute denke ich manchmal an die Flucht. Wir haben überlebt, wofür ich sehr dankbar bin. Glücklicherweise hatte mein Vater als Beamter eine gesicherte Arbeitsstelle. Er legte viel Wert auf eine gute Schulbildung. Leider konnten dennoch nicht alle meine Geschwister zur Universität gehen. Trotzdem war es uns allen möglich, ein gutes Leben zu führen.

Als Schülerin bemühte ich mich, in allen Fächern herausragende Leistungen zu erbringen. Das ebnete mir den Weg, den Beruf einer Krankenschwester zu erlernen. Ich glaube fest, dass Gott mich mit Ehrgeiz ausgestattet und gesegnet hat, damit ich meine Ausbildung mit Erfolg abschließen und meiner Leidenschaft nachgehen konnte. In der Demokratischen Republik Kongo kümmerte ich mich um Hilfsbedürftige, wie zum Beispiel um Waisen und Frauen in Not. In Kanada bin ich als Krankenpflegerin tätig.

Ihr Herz schlägt offensichtlich auch weiterhin für die Hilfsbedürftigen im Kongo, auch wenn Sie selbst jetzt in Kanada sind…

Die Nächstenliebe hat mich dazu bewogen, den Bau eines Waisenhauses in Zentral-Kasai, einer Provinz der Demokratischen Republik Kongo, zu initiieren. Im September 2020 begannen die Arbeiten an dem Zufluchtsort, der mehr als hundert Menschen – Waisenkinder, aber auch Witwen, alleinerziehende Mütter, verzweifelte Frauen – beherbergen wird. So Gott will, können die Bauarbeiten Ende des Jahres beendet werden.

Was war der Auslöser dafür?

Als ich im Juni 2019 in die Demokratische Republik Kongo reiste, um unserer Tradition folgend die Asche meines verstorbenen Mannes zu seiner Familie zu bringen, sah ich viele Waisenkinder in der Gegend. Deren Eltern waren während des Völkermords durch die Milizen von Kamuina Nsapu in der Provinz Zentral-Kasai getötet worden. Das ging mir sehr nahe. Als ich nach Kanada zurückkehrte, beschloss ich, bei der Betreuung der Waisenkinder zu helfen: Ich fing zunächst an, Schulmaterial, Schuluniformen und Schuhe zu kaufen und auch das Schulgeld zu bezahlen. Da viele Kinder keine feste Bleibe hatten, machte ich mir Gedanken über den Bau eines Waisenhauses. Ich habe dann eine Wohltätigkeitsorganisation namens „Fountain of Orphans and Vulnerable Women“ gegründet. Aber im Grunde finanziere ich alles selbst, aus eigener Tasche. Vielleicht finden sich in Zukunft Menschen, die auch helfen möchten, denn es gibt noch viel zu tun. Das Projekt liegt mir sehr am Herzen. Es ist aus dem Wunsch heraus entstanden, dem Herrn zu dienen und ihm zu danken.

1994 verließen Sie den Kongo und wanderten nach Kanada aus. Was half Ihnen in der neuen Heimat „anzukommen“?

Zuerst fiel es uns schwer, uns an die kanadische Kultur zu gewöhnen. Durch die Gemeinde war das Ankommen aber um vieles leichter. Bezirksevangelist Wynn Sturm und seine Familie hießen uns im ersten Gottesdienst herzlich willkommen und auch viele weitere Glaubensgeschwister begrüßten uns und waren begeistert, dass die Gemeinde auf einen Schlag um 13 Mitglieder gewachsen war.

Wie gehen Sie damit um, wenn etwas im Leben nicht so läuft, wie man es gerne hätte?

Ich weiß, dass Anfechtungen, die wir durchleben, meist nur vorübergehend sind. Wenn Dinge nicht richtig laufen, wird Gott uns helfen, zu seiner Zeit! Schwierigkeiten und Hindernisse stärken unseren Glauben. Gott zu loben, bedeutet, seine kraftvolle Arbeit als Schöpfer zu bezeugen. Darum singen wir: „Ehre sei Gott in der Höhe“. Wir müssen unseren Glauben lebendig halten! Das hilft durch alle Lebenssituationen hindurch.

Zurück zum Gottesdienst des Stammapostels in Ihrer Gemeinde. Was blieb danach?

Der Besuch des Stammapostels war ein besonderer Segen für uns. Alle waren sehr glücklich und das konnte man nach dem Gottesdienst auch an den freudigen Gesichtern der Glaubensgeschwister ablesen. Unser Stammapostel sagte zu Beginn der Predigt, dass Gott niemanden vergesse. Er richtete diese Botschaft vor allem an jene, die in Not und Bedrängnis sind. Das berührte mich zutiefst. Das Dienen des Stammapostels hat uns Antwort auf viele Fragen gegeben. Ich wünschte, es wäre bereits der Tag der Wiederkunft Christi.


Eine ausführliche Version dieses Interviews erschien in der Zeitschrift „Unsere Familie“, Ausgabe 9/2022

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Dinara Ganzer
23.05.2022
Kanada, Gemeindeleben, Persönlichkeiten