Rinder geben Gas für Haus und Hof

Erneuerbare Energien: Was in Europa eine Wende herbeiführen soll, das soll in Subsahara-Afrika überhaupt erstmal den Einstieg in die Versorgung bringen. Wie das geht, das zeigt ein Gemeinschaftsprojekt der neuapostolischen Hilfswerke in Sambia.

Die tägliche warme Mahlzeit wird mit Holzkohle oder Brennholz zubereitet und die Petroleum-Lampe erhellt abends das kleine Haus, damit noch Hausaufgaben gemacht werden können – in großen Teilen Afrikas südlich der Sahara ist das der Alltag. Keinen Zugang zu Strom oder anderen Energieformen zu haben, betrifft weltweit etwa 770 Millionen Menschen. Um wirtschaftliche Fortschritte auch in Regionen erzielen zu können, in denen die Menschen sich noch mit alternativen Brennstoffen versorgen, sollen zukünftig dezentrale nachhaltige Energiesysteme dabei helfen, eine Entwicklung einzuleiten.

Für eine warme Mahlzeit

Auch im Dorf Nkahundye gehörte es bis vor wenigen Monaten zum Alltag der Menschen, Holz, Holzkohle oder Diesel zur Energiegewinnung zu verwenden. Das Dorf liegt im östlichen Teil Sambias im District Petauke, in dem rund 240 000 Menschen leben. Haupteinnahmequelle für viele Familien sind Einkünfte aus der Landwirtschaft. Neben dem Anbau von Mais, Tabak, Baumwolle und Gemüse ist die Rinder- und Ziegenhaltung in der Region weit verbreitet. Weil es keine Maschinen gibt, werden die meisten landwirtschaftlichen Arbeiten noch von Hand durchgeführt. Das Vieh versorgen, Säen, Düngen oder Bewässern: Die ganze Familie hilft mit und selbst die Kinder müssen schon früh Aufgaben übernehmen. In den Morgenstunden sieht man die Kleinbäuerinnen und Kleinbauern die Rinderherden auf die Weiden treiben. Dabei wird es seit einigen Jahren immer schwieriger, gute Weideplätze und Wasserlöcher für die Tiere zu finden.

Wegen des Klimawandels bleiben immer häufiger Niederschläge aus. Das hat Einfluss auf den landwirtschaftlichen Anbau: Ist das Wasser knapp, macht sich das auch im Gemüse- oder Futtermittelanbau bemerkbar. Die Kleinbäuerinnen und Kleinbauern des Dorfes berichteten, dass in der Folge die Tiere immer dünner wurden und weniger Milch gaben. Das wirkt sich negativ auf das Einkommen und die Ernährung der Familien aus.

Wenn aus Dung Energie wird

Um die Familien wirtschaftlich zu stärken, startete das neuapostolische Hilfswerk NAK-karitativ gemeinsam mit dem lokalen neuapostolischen Hilfswerk NACRO aus Sambia im Jahr 2018 ein Pilotprojekt. Mit der Installation einer Wasserinfrastruktur und dem Bau einer Biogasanlage mit Gemeinschaftsstall für die Rinder wurde die Grundlage für eine Gaserzeugung geschaffen. Der Stall wurde so konstruiert, dass der Dung der Rinder direkt der Biogasanlage zugeführt werden kann. Die insgesamt 166 Rinder des Dorfes sorgen täglich für etwa 500 Kilogramm Dung, der dank der Biogasanlage dafür sorgt, dass 20 Haushalte des Dorfes mit Gas versorgt werden können. Daneben generiert das Gas Strom für das Bewässerungssystem, das Licht im Stall und die Maschinen zur Futtermittelverarbeitung. Die Häuser bekamen Gasherde, die die herkömmlichen Feuerkochstellen ersetzen. Für die Frauen und Mädchen bedeutet das eine große Hilfe, denn sie müssen nicht mehr täglich in den Wald oder auf den Markt gehen, um Feuerholz oder Holzkohle zu besorgen. Außerdem sind die Familien nicht mehr dem gesundheitsschädlichen Rauch ausgesetzt und die Reste von der Umwandlung der Gülle in Biogas können als Dünger genutzt werden. Diese Vorteile haben sich schnell in den umliegenden Dörfern herumgesprochen. Auch dort ist bei vielen Familien der Wunsch groß, ebenfalls an die Gasversorgung angeschlossen zu werden.

Zugang zu sauberem Wasser

NAK-karitativ errichtete außerdem eine Bewässerungslandschaft mit drei Bohrlöchern, einem Wasserspeicher und zwei Wasserentnahmestellen. Daneben entstand ein Bewässerungssystem, welches die vier großen Ackerflächen des Dorfes versorgt. Der Strom für das Bewässerungssystem wird über einen Generator erzeugt, der mit dem Biogas aus der Anlage betrieben wird.

Nun berichten die Bauern NAK-karitativ, dass die Ernteerträge deutlich gestiegen sind und mittlerweile auch neue Pflanzenarten angebaut werden. Die Tiere können besser versorgt werden und das Einkommen der Familien hat sich in den letzten Monaten deutlich gesteigert. Wo früher Holzkohle zum Einsatz kam, steht jetzt Gas zum Kochen zur Verfügung. „Die Erleichterung und Begeisterung der Menschen, die allein der Gasherd oder die Wasserstelle vor der Haustür auslöst, ist für uns schwer vorstellbar. Es ist noch immer ein Standard, der weit hinter unserem liegt. Doch insbesondere für Mädchen und Frauen bedeutet es eine große Arbeitserleichterung mit Blick auf die körperliche Belastung, aber auch auf die Zeit. Ihnen stehen einige Stunden mehr am Tag zur Verfügung, in denen sie andere Dinge tun können; zur Schule gehen und arbeiten zum Beispiel. Dadurch werden die Familien nachhaltig gestärkt und die Selbstbestimmung gefördert“, sagt Tatjana Augustin, Geschäftsführerin von NAK-karitativ. Und auch der Nutzen für das Ökosystem ist enorm, denn es muss nicht Tag für Tag Holz zum Kochen aus der Landschaft entnommen und verbrannt werden.

Erfolgreicher Abschluss des Projektes

Im März 2022 wurde das Projekt in einer feierlichen Zeremonie abgeschlossen und in die Hände der Dorfgemeinschaft übergeben. Das Pilotprojekt soll nicht das letzte Projekt in diesem Bereich sein, denn die Nachfrage aus anderen Dörfern zeigt, dass der Bedarf bei den Menschen groß ist. Sie wollen diese Veränderung und eine Weiterentwicklung.


Das Porträt erschien zum ersten Mal in der Zeitschrift „Unsere Famile“ Ausgabe 20/2022.

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Nadine Beckmann
28.02.2023
Afrika, Hilfswerke, Soziales Engagement