„Da, wo ich wirklich liebe, akzeptiere ich Anderssein“
Ausblick, Rückblick, Einblick: Rund 100 Tage nach dem Führungswechsel in Westdeutschland sprechen die beiden Bezirksapostel über kulturelle Vielfalt, Kirchenfusionen und private Pläne.
Bezirksapostel Rainer Storck, „Wir schaffen das gemeinsam“, das waren Ihre Worte in Dieburg vor der Beauftragung zum Bezirksapostel für Westdeutschland. Wie kann ich Sie als einfaches Gemeindemitglied unterstützen?
Es ist meine tiefe Überzeugung, dass es allein nicht zu schaffen ist. Selbstverständlich muss ich meine Aufgabe wahrnehmen, ich muss führen, aber es ist eine gemeinsame Aufgabe. Das Gemeindemitglied vor Ort, unterstützt mich durch Gebete, durch Wohlwollen und dadurch, dass es sich einbringt in die Gemeinde.
Eine so große Gebietskirche zu leiten, ist eine Herausforderung. Wo sehen Sie Schwerpunkte Ihrer Arbeit?
Ich sehe es als meine Aufgabe, das umzusetzen, was der Stammapostel sagt und was aus der Bezirksapostelversammlung kommt. Dann müssen wir überlegen, wie wir das in den einzelnen Gebieten konkret tun können. Das kann von der Vorgehensweise durchaus unterschiedlich sein. Deshalb bin ich dankbar für die Unterstützung der Brüder vor Ort.
Bezirksapostel Bernd Koberstein, wenn Sie auf Ihre Zeit als Bezirksapostel zurückblicken, welche Entwicklungen sehen Sie da als Meilensteine?
Einen Meilenstein sehe ich sicherlich in der Entwicklung der ökumenischen Beziehungen. Da ist vieles zusammengewachsen und wir sind auf einem sehr guten Weg. Mein Eindruck ist auch, dass die Aktivität im Kreis der Jugendlichen intensiver geworden ist. Das ist etwas, was mich sehr freut; ebenso eine Entwicklung bei Brüdern und Schwestern, die Tätigkeiten in der Kirche übernehmen, für die man kein Amt braucht. Sie bringen ihre Gaben, ihre Kompetenzen ein.
Wie haben Sie es geschafft, auf die unterschiedlichen kulturellen Bedürfnisse der Geschwister in den verschiedenen Ländern einzugehen?
Für mich ist der beste Schlüssel zu allen kulturellen Unterschieden die Liebe. Da, wo man wirklich die Geschwister liebt, wird man immer einen Weg finden, auf die vorhandene Kultur zu reagieren. Da, wo ich sie wirklich liebe, akzeptiere ich ihr Anderssein.
Bezirksapostel Storck: Ich möchte ergänzen: Was man lernen muss, ist das Zuhören. Es sind schon so viele falsche Entscheidungen getroffen worden, weil eine Situation falsch eingeschätzt wurde und man nicht lange und intensiv genug zugehört hat. Der größte Fehler, den man machen kann, ist den Eindruck zu erwecken, dass alles sofort nach den eigenen Vorstellungen geht. Wenn man also vorsichtig vorgeht, zuhört, kann man auf dieser Basis richtige Entscheidungen treffen. Zuhören und Verstehen sind ganz wichtig.
Sprechen wir über die Zusammenlegung der Gebietskirchen. Was waren die Gründe dafür?
Bezirksapostel Storck: Gründe sind zum einen die demografische Entwicklung. Den anderen Grund sprach der Stammapostel in Dieburg an: Er möchte die Kirche wirklich kollegial und im Team leiten und sagt ganz offen: Das kann man besser mit fünfzehn oder zwölf Bezirksaposteln als mit fünfzig.
Bezirksapostel i. R. Koberstein: Das Zusammenlegen der beiden Gebietskirchen bietet die Chance, Kräfte zu bündeln, Synergieeffekte zu erzielen – sowohl verwaltungsmäßig als auch seelsorgerisch.
Bezirksapostel Storck: In administrativen Dingen ist es wichtig, dass wir Synergieeffekte nutzen. Warum soll man in Frankfurt und Dortmund, die 220 Kilometer auseinanderliegen, für jede Sparte einer Verwaltung eine eigene Abteilung haben? Das ist also ein ganz normaler Vorgang vor dem Hintergrund unserer finanziellen Ressourcen.
Der andere Punkt: Die Bezirksapostel konnten sich auch in den bisherigen Gebietskirchen nicht um jedes Detail in einer Gemeinde kümmern. In der Gemeinde hat der Vorsteher das Sagen, er betreut die Gemeinde, der Bezirksvorsteher betreut den Bezirk. Diese finden dann den ersten Ansprechpartner in ihrem Bischof oder Apostel.
Ist eine Zusammenlegung in einem Bereich wie hier in Deutschland schwieriger als es vielleicht in Afrika der Fall wäre?
Bezirksapostel i. R. Koberstein: Ein solcher Vorgang kann für mich als Bezirksapostel schwierig sein, wenn ich mich persönlich für wichtig halte. Wenn ich mich richtig einordne, die Prioritäten richtig setze und dann die mir anvertrauten Gotteskinder im Blick habe, kann die Umsetzung einer solchen Entscheidung kein Problem sein. Es mögen sich in Sachfragen Probleme ergeben, aber das lässt sich alles lösen.
Bezirksapostel Storck: Geografisch werden die Arbeitsbereiche größer, die Anzahl der Gemeinden und der Kirchenmitglieder pro Apostel wird sich jedoch nicht verändern. Eine Herausforderung bei Zusammenlegungen sehe ich eher darin, dass der eine Teil der Geschwister den Apostel seit Längerem kennt und der andere Teil noch gar nicht. Gerade diese Geschwister benötigen dann eine besondere Aufmerksamkeit, bis das wieder ausgeglichen ist.
In Hessen/Rheinland-Pfalz/Saarland wurden auch Ältestenbezirke zusammengelegt. An der Basis werden Fusionen zu immer größeren Einheiten teils skeptisch gesehen.
Wenn die Zahl der Gemeinden in einem Bezirk zu klein wird, wenn die Kinder- oder Jugendkreise zu klein werden, dann ist es sinnvoll und richtig, Bezirke zusammenzulegen. Dabei muss natürlich darauf geachtet werden, dass die Entfernungen nicht zu groß werden. Zusammenlegungen dürfen nie dazu führen, dass Geschwister vernachlässigt werden. Die Geschwister können sicher sein, dass wir mit den Bezirksämtern, Aposteln und Bischöfen genau überlegen, bevor wir entscheiden.
Bezirksapostel Koberstein, wie sehen Ihre persönlichen Pläne für den Ruhestand aus?
Vor allem möchte ich Zeit haben für meine Familie, besonders für die Enkelkinder. Ein Hobby ist die Musik. Bisher förderte ich sie, nun will ich sie auch selbst wieder praktizieren – zum einen instrumental, zum anderen will ich Gesangsunterricht nehmen. Vielleicht setze ich mich auch wieder mal dran und komponiere Lieder, wie ich es früher getan habe. Ich werde mit meinen beiden singenden Jungs unterwegs sein, sie vielleicht am Klavier begleiten. Das wird sich ergeben.
Zur Ruhesetzung haben Sie sich gewünscht, dass die Begeisterung für Christus erhalten bleibt. Wo liegen Ihrer Meinung nach die Gefahren, dass die Begeisterung nachlassen könnte?
Die liegen zum Beispiel in persönlichen Enttäuschungen: Wenn die Fähigkeit verloren ginge, die menschlichen Dinge von dem, was Gott durch Christus tut, zu trennen, ist das eine Gefahr. Da wünsche ich mir sehr – das meine ich auch mit der Begeisterung für Christus – dass der Blick auf die Liebe Christi und auf sein Wirken bewahrt bleibt. Dann bleibt die Begeisterung, und dann wächst damit die Tragfähigkeit, auch einmal Dinge auszuhalten, die nicht gut sind, ohne gleich den Glauben an Jesus Christus aufzugeben.
Was wünschen Sie sich gegenseitig?
Bezirksapostel i. R. Koberstein: Mein größter Wunsch ist, zu erleben, dass meine Geschwister den neuen Bezirksapostel genauso lieben, wie ich mich von ihnen geliebt fühlte. Für den Bezirksapostel persönlich wünsche ich Segen, Gottes Hilfe und ein hohes Maß an glaubensstarker Gelassenheit.
Bezirksapostel Storck: Ich wünsche uns, dass wir nach wie vor Kontakt miteinander haben, dass wir uns immer mal austauschen können, dass wir uns sehen können und wir uns nicht aus den Augen verlieren.
Eine ausführliche Version des Interviews findet sich auf der Website der Neuapostolische Kirche Westdeutschland mit den Teilen eins, zwei und drei.
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Autor:
Datum:
Frank Schuldt,
Andreas Rother
11.06.2018