Er war nicht der erste dieses Amtes, aber der erste mit diesem Titel: Stammapostel Hermann Niehaus ist am 28. Juli vor 175 Jahren geboren worden – die Geschichte des Mannes, der aus den neuapostolischen Gemeinden eine Kirche machte.
Als Begründer dieses Amtes wird zwar sein Vorgänger angesehen: Friedrich Krebs, den sie seinerzeit „Einheitsvater“ nannten. Doch offiziell verankert ist die Amtsbezeichnung erst nach dessen Tod – in der Satzung von 1906. Und die trägt bereits die fortan prägende Handschrift Niehaus.
Tatkräftig ans Werk
Hermann Christoph Niehaus hatte Autorität unter den Aposteln: In seinem Haus wurzelten quasi die neuapostolischen Gemeinden Westdeutschlands. Durch Apostel Menkhoff war er zum Glauben gekommen, durch Apostel Schwarz versiegelt worden. In Tradition dieser beiden maßgeblichen Köpfe galt er als Gewährsmann für Beständigkeit.
Zupacken konnte er nicht nur in den bescheidenen Verhältnissen seiner Kindheit und Jugend auf dem elterlichen Bauernhof. Seine Tat- und Willenskraft bewies er erst recht, als er 1905 das Stammapostel-Amt antrat:
- Noch im gleichen Jahr bereiste er alle Apostelbezirke in Deutschland, strukturierte die Arbeitsbereiche neu und ordinierte drei weitere Apostel.
- 1907 startete er in den örtlichen Vereinsregistern die Umbenennung zur „Neuapostolischen Gemeinde“.
- Ab 1907 brachte er das „Sonntagsblatt“ heraus, das in die „Neuapostolische Rundschau“ überging. Daraus entwickelte sich die Hausdruckerei und schließlich der Kirchenverlag.
- 1908 kam mit dem „Hülfsbuch“ erstmals Lehrmaterial für kirchliche Kinderunterrichte heraus. 1916 folgte mit dem „Lehrbuch für den Religionsunterricht“ der Vorläufer von „Fragen und Antworten“.
- Ab 1914 erhielten die Soldaten im Ersten Weltkrieg das Abendmahl in Form von Hostien, die mit Wein beträufelt sind. So entstand die seit 1919 allgemein verbindliche Kombi-Hostie.
- 1921 erhielt die neuapostolische Kirche den Status als Körperschaft öffentlichen Rechts in Baden, 1925 in Hamburg.
- 1922 entstand das Apostelkollegium der Neuapostolischen Gemeinden Deutschlands als Verein, ein Vorläufer der heutigen Neuapostolischen Kirche International.
Gemeinsamkeit macht stark
Seine Bildung war nun wirklich nicht die beste. Um überhaupt predigen zu können, musste Hermann Niehaus sogar Nachhilfe in Hochdeutsch nehmen. Denn in der Schule hatte er nur Plattdeutsch gelernt. Doch er war so bodenständig und weise, sich mit Männern zu umgeben, die seine Schwächen ausglichen und seine Stärken ergänzten.
Wie etwa Apostel Bornemann, den er als Nachfolger durchaus im Auge hatte. Und dessen früher Heimgang ihn schwer traf: „Heinrich, Heinrich, warum hast du mich verlassen“, soll er angesichts dieses Todes ausgerufen haben
Und dann war da noch Apostel Brückner: Der Stammapostel und er waren anfangs ein echtes Dream Team. Als ausgemachte Führungspersönlichkeiten konnten die beiden eine Menge bewegen. Aber dann gerieten sie überkreuz.
Vom Erneuerer zum Bewahrer
Apostel Brückner drängte auf Fortschritt und entwickelte immer ungewöhnlichere Ideen. Dagegen bemühte sich Stammapostel Niehaus nach den aufgewühlten Zeiten des Ersten Weltkriegs um Ruhe und Beständigkeit. Am Ende spaltet sich der „Reformiert-Apostolische Gemeindebund“ ab.
Das war nicht der einzige Bruch: Schon ab den frühen 1910er-Jahren waren Apostel Niemeyer (Australien) und dessen Ziehsohn Apostel Klibbe (Südafrika) eigene Wege gegangen. So entstand down under die „Apostolic Church of Queensland“ und am Kap die “Old Apostolic Church”.
In solchen Fällen zeigte sich ein weiterer Wesenszug: Hermann Niehaus war der väterliche Typ, der ebenso mit Strenge regierte wie mit Milde. Seine Nachsicht schlug allerdings in steinerne Unerbittlichkeit um, wenn er auf Widerstand stieß oder gar Opposition verspürte.
Allermeistens war Hermann Niehaus aber ein liebenswerter Polterer, der mit seinem ganz eigenen Humor und rustikaler Ironie allenfalls empfindsame Gemüter schrecken konnte. Vor allem war er aber der Kirchenleiter, der 517 einzelne Gemeinden zum Amtsantritt übernommen hatte und eine Kirchenorganisation mit 1771 Gemeinden an seinen Nachfolger weitergab.