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Das Amt (20): Ebenbild auf den zweiten Blick

Dezember 20, 2022

Author: Andreas Rother

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„Adam“ – der Name des ersten Mannes? Eigentlich bedeutet das Wort etwas ganz anderes. Und das sagt viel über die Gleichwertigkeit der Geschlechter aus. Das kann allerdings nur erkennen, wer die Bibel genau liest.

Gott erschafft den Menschen zu seinem Ebenbild – als Mann und Frau. Die Geschlechter haben die gleiche Würde und die gleiche Verantwortung. So steht es im Schöpfungsbericht.

In dem Schöpfungsbericht? Kaum hat man das erste Kapitel der Bibel hinter sich gebracht, da fängt in 1. Mose 2,4 die Erschaffung von Welt, Tieren und Menschen schon wieder von vorne an. Da gibt es Unterschiede und Gemeinsamkeiten.

Widersprüchliche Versionen?

Der erste Teil ist eine nüchterne, schnörkellose Zusammenfassung, in der eine perfekte Welt entsteht. Der zweite Teil ist eine literarisch ausgeschmückte Erzählung, die schildert, wie die Welt wurde, was sie heute ist.

Gemäß diesem ausführlicheren Bericht hat Gott erst den Mann erschaffen und aus dessen Rippe dann die Frau als dessen Gehilfin. Klare Abstufung, oder? Widerspricht das nicht der Gleichwertigkeit aus dem ersten Schöpfungsbericht?

Nein, denn diese allseits beliebte Kurzversion gibt das biblische Geschehen falsch wieder. Das zeigt der Blick auf die hebräischen Begrifflichkeiten.

Die Worte begreifen

„Adamah“ heißt Erde oder Ackerboden, der Stoff aus dem Gott sein Geschöpf formt. Dieses Wesen wird „der Adam“ bezeichnet, ein Wortspiel, das sich in etwa mit „der Erdling“ übersetzen lässt. Anfangs ist damit der Mensch im Allgemeinen gemeint. Erst in 1. Mose 5 bekommt das Wort endgültig die Funktion eines Eigennamens.

Dieser ungeschlechtliche Mensch bekommt keine Gehilfin, sondern eine „Hilfe“. Es ist im Hebräischen das gleiche Wort, das sich zum Beispiel in den Psalmen findet, wenn Gott als Helfer angesprochen wird (Psalm 33,20; 70,6).

Bis auf die Knochen

Und dann ist da noch der Ausruf: „Die ist nun Bein von meinem Bein.“ Damit endet der Teil der Geschichte, die mit der Absicht Gottes beginnt, dem Menschen „eine Hilfe“ zu machen, „die ihm entspricht“ (1. Moses 2,18). Aus diesem Grund erschafft der Herr die Tiere. „Aber für den Menschen wurde keine Hilfe gefunden, die ihm entsprach.“

Erst eine Operation unter Vollnarkose bringt dem Menschen das ihm entsprechende Gegenüber: „Die ist nun Bein von meinem Bein und Fleisch von meinem Fleisch“ (1. Mose 2,23). Das meint ungefähr: „Das ist ja ein Wesen meinesgleichen.“

Von diesem Ende her ist die Sache mit der Rippe zu lesen. Denn auch das betont: Beide Menschen sind aus dem gleichen „Stoff“, also von gleichem Wesen.

Eine gemeinsame Botschaft

Wer diese sprachlichen und kulturellen Hintergründe kennt, der liest die zweite Schöpfungsgeschichte anders:

  • Gott erschafft den Menschen, bläst ihm den Lebensatem ein und schenkt ihm so die Personalität. Hier findet sich die Gottesebenbildlichkeit aus der ersten Schöpfungsgeschichte wieder.
  • Gott schenkt dem Menschen ein entsprechendes Gegenüber. Hier findet sich die Zusammengehörigkeit von Mann und Frau als Ebenbild des Schöpfers wieder.
  • Gott gibt dem Menschen den Auftrag, seine Schöpfung zu bebauen und bewahren (1. Moses 2,15) – wohlgemerkt dem Menschen. Weder hier noch später wird ein Unterschied gemacht zwischen Mann und Frau.

Die zweite Schöpfungsgeschichte hat also die gleiche Grundaussage wie die erste, schmückt die Erzählung allerdings kunstvoll aus. Und die gemeinsame Botschaft lautet: Die Geschlechter haben die gleiche Würde, den gleichen Wert und die gleiche Verantwortung.

Die zweite Schöpfungsgeschichte hat noch eine Fortsetzung, die weitererzählt, warum die Welt so wurde, wie sie ist. Darum geht es in der nächsten Folge dieser Serie.

Foto: wideonet – stock.adobe.com

Dezember 20, 2022

Author: Andreas Rother

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