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Das Amt (25): Im Zentrum der Gemeinde

März 2, 2023

Author: Andreas Rother

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Jüngerin, Verkünderin, Botschafterin: Die Rolle der Frau war bei Jesus Christus ihrer Zeit weit voraus. Das zeigte sich dann auch in den urchristlichen Gemeinden: sieben Beispiele für führende Funktionen, aus denen auch für Männer erst später Ämter wurden.

Paulus selbst ist der Kronzeuge: Mehr als 40 Menschen bezeichnet er als „synergós“, als seine Mitarbeiter. Die bekanntesten heißen Titus und Timotheus. Rund eine Viertel sind Frauennamen: Evodia und Syntyche zum Beispiel oder auch Priska.

Diakonin, Patronin, Prophetin – das sind die Funktionen, die der Apostel beschreibt. Und für Männer wie Frauen gilt: „Wir sind Gehilfen“ – im Grundtext synergós, Mitarbeiter – „eurer Freude“ (2. Korinther 1,24).

Diakonin und Patronin

Phöbe taucht in Römer 16 auf. Sie eröffnet den Empfehlungsteil des Paulus-Briefes und ist offensichtlich die Überbringerin des Schreibens. Als erste Ansprechpartnerin für Rückfragen muss sie deshalb die Gedankengänge des Apostels gut kennen. Das stellt sie in eine Reihe mit Titus und Timotheus. Paulus bezeichnet sie als „diakonos“, also die Diakonin der Gemeinde von Kenchreä. Und er nennt sie „prostatis“, was nicht bloß als „Beistand“, sondern auch als „Patronin“ zu übersetzen ist.

Lehrerin und Leiterin

Priska ist in 1. Korinther 16, Römer 16 und Timotheus 4 zu finden sowie in der Apostelgeschichte 18, dort unter dem Kosenamen Priszilla. Sie tritt zwar zusammen mit dem Mann Aquila auf, wird aber im Urtext fast immer als erstes genannt. Das ist in der Antike unüblich und zeigt welche Bedeutung sie hatte – etwa für die Entwicklung der Gemeinde in Korinth, für die geistliche Ausbildung von Apollos und für die Leitung der Gemeinde in Rom.

Vorstand und Vorsteherin

Lydia wird in Apostelgeschichte 16 ungewöhnlich detailliert vorgestellt. Die wohlhabende Purpurhändlerin aus der Stadt Thyatira in Lydien lebt in Philippi, als Paulus dort Station macht. Sie lässt sich taufen – mit ihrem gesamten Haushalt („oikos“). Demnach ist sie alleinige Hausherrin. Und das macht sie zur Vorsteherin der typischen heidenchristlichen Versammlung: der Hausgemeinde.

Berühmt unter den Aposteln

Junia wird in Römer 16,7 erwähnt. Lange Zeit sah man darin einen Männernamen. Für die meisten alten Kirchenväter und modernen Wissenschaftler ist das jedoch eine Frau. Paulus bezeichnet sie – zusammen mit dem Mann Andronikus – als „berühmt unter den Aposteln“. Ob die beiden selbst zu den (Gemeinde-)Aposteln im weiteren Sinne zählten oder in deren Kreis lediglich hoch angesehen waren, ist umstritten. Gleichwohl meinte Kirchenvater Johannes Chrysostomos: „Wie groß muss die Weisheit dieser Frau gewesen sein, dass sie für den Titel Apostel würdig befunden wurde.“

Bezugspunkt der Gemeinde

Chloë ist in 1. Korinther 1,11 eigentlich nur eine Bezugsgröße: Paulus erwähnt, dass Missstände herrschten in der Gemeinde von Korinth. Zugetragen haben ihm die Informationen „die Leute der Chloë“, also deren Hausgenossen. Das zeigt die Bedeutung dieser Frau: Chloë ist Kopf einer Gruppe von Gläubigen, die Paulus so ernstnimmt, dass er auf deren Hinweise aktiv wird. Und sie ist in der Gemeinde so bekannt und angesehen, dass sich Paulus auf sie beziehen kann.

Die einzig genannte Jüngerin

Tabita hat ihren eigenen Abschnitt ab Apostelgeschichte 9,36, in dem Petrus sie von den Toten erweckt. Sie ist die einzige Frau im Neuen Testament, die ausdrücklich als „mathetria“, als Jüngerin, bezeichnet wird. Sie tut „viele gute Werke“ und gibt „reichlich Almosen“. Wie zentral ihre Stellung in der Gemeinde von Jopp ist, zeigt sich, als sie krank wird und stirbt: Sofort werden Boten ins nahegelegene Lydda geschickt, um Petrus zu Hilfe zu holen.

Die vier Verkünderinnen

Die Töchter des Philippus zeigen sich in einem Nebensatz in Apostelgeschichte 21,9. Das Wichtige daran: Die Mädchen „reden prophetisch“. Dabei geht es weniger darum, die Zukunft vorherzusagen. „Prophetisch reden“ (oder auch „weissagen“) meint viel eher, den Willen Gottes zu verkündigen – und zwar mit dem Selbstverständnis, das in seinem Namen zu tun. Darin sieht Paulus laut 1. Korinther 14 eine besonders erstrebenswerte Geistesgabe, die die Menschen ermutig, sie tröstet und die Gemeinde aufbaut. Für den Apostel ist diese geistliche Funktion so grundlegend, dass eine Gottesdienstordnung in 1. Korinther 11 dafür eigene Regeln vorsieht.

Welche Bedeutung die Frauen in den urchristlichen Gemeinden hatten, das zeigen auch außerbiblische, historische Quellen. So berichtet Plinius der Jüngere seinem Kaiser Trajan, wie er als Statthalter in Kleinasien dem Phänomen dieser neuen Religion auf den Grund ging: „Umso nötiger fand ich es deshalb, von zwei Sklavinnen, welche ,Diakonissen‘ genannt wurden, mit Hilfe der Folter zu erfahren, was an der Sache wahr sei.“

Mit der Zeit und je weiter sich das Konzept „Amt“ ausbildet, umso weiter rückten die Frauen in den Hintergrund. Auch davon zeugt die Bibel. Damit beschäftigt sich die nächste Folge dieser Serie.

Foto: bxtr – stock.adobe.com

März 2, 2023

Author: Andreas Rother

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