Mit ihren Fragen an die Bibel ist die Neuapostolische Kirche einem klar formulierten Fahrplan gefolgt: Welche Antworten die Stationen brachten und was am Ziel noch zu tun war – der Entscheidungsweg zur Frauenordination im Überblick.
Wer kann ein geistliches Amt tragen? Klar, Antworten soll die Bibel liefern. Aber: Da lässt sich alles Mögliche und auch genau das Gegenteil davon finden. Deshalb kann eine Kirche ihre Lehre nicht auf einzelne Verse aufbauen.
So galt die Devise: „Die Bibel schreibt uns nicht vor, welche Entscheidungen wir treffen sollen, sondern sagt uns, wie wir sie treffen sollen: indem wir den Willen Gottes respektieren.“ Und darum ging es gleich im ersten Punkt des Fragenkatalogs.
„Entspricht es dem Willen Gottes, dass Frauen nicht ordiniert werden?“ – Das Ergebnis der Bibelanalyse: Nein, ganz im Gegenteil. Denn die Schöpfungsgeschichte zeigt den Willen Gottes. Frau und Mann sind demnach gleichermaßen als Ebenbild Gottes geschaffen und haben den gleichen Wert und den gleichen Auftrag.
Darin unterscheiden sich der erste und der zweite Schöpfungsbericht in Nuancen. Zwar sieht ein Vers der Urgeschichte den Mann als Herrn der Frau. Das ist aber kein Gebot Gottes, sondern beschreibt die Folgen des Sündenfalls – und repräsentiert damit alles andere als den Willen des Schöpfers.
„Bedeutet die Tatsache, dass Jesus nur Männer in das Apostelamt berief, automatisch, dass Frauen nicht ordiniert werden können?“ – Die Antwort lautet auch hier „Nein“. Denn im biblischen Zusammenhang wird deutlich: Jesus geht es nicht um Geschlechterrollen. Er beruft die zwölf Männer analog zu den zwölf Stammvätern Israels. Damit setzt er das Zeichen, dass er der Messias ist, der das verheißene neue Gottesvolk begründet.
Die Rolle der Frau hingegen war bei Jesus Christus ihrer Zeit weit voraus. Sie waren seine Schülerinnen, Jüngerinnen, Verkünderinnen und Boschafterinnen sowie Kronzeugen seiner Auferstehung. Und dabei gilt die Feststellung: „Jesus hat – soweit es die Evangelien überliefern – niemals zum Ausdruck gebracht, dass Frauen nicht geeignet seien, als Apostel oder sonstige Amtsträger in der Kirche zu dienen.“
Wer Jesu Handeln hier zum Maßstab nimmt, der darf auch keine Nichtjuden ordinieren. Denn Christus hat nur Juden berufen. Und er hat auch nur seine Wegbegleiter berufen. Demnach wäre nicht einmal Paulus als Apostel anzusehen.
„Ist durch entsprechende Aussagen in den Apostelbriefen des Neuen Testamentes die Ordination von Frauen unmöglich?“ – Hier kommt ein drittes Nein: Zwar finden sich in 1. Korinther und 1. Timotheus vereinzelt Schweigegebote für Frauen. Doch die widersprechen sich inhaltlich mit anderen Stellen im ersten Korintherbrief und im Römerbrief. Dagegen stehen auch Zeugnisse in den Paulusbriefen und der Apostelgeschichte über die tatsächliche Rolle der Frau in den Gemeinden.
So kam die Prüfung zu dem Ergebnis: „Einzelne ablehnende Aussagen in neutestamentlichen Briefen zur aktiven Beteiligung der Frau im Gottesdienst und in der Gemeinde können nicht als hinreichende Begründung dazu dienen, Frauen vom Amt auszuschließen. Folglich hat das Apostolat, das die lehramtliche Vollmacht besitzt und den Auftrag hat, die Gemeindeordnung festzulegen, eine Entscheidung zu treffen.“
Im Vorfeld der Entscheidung
Diese lehramtliche Vollmacht zur Ordnung des Gemeindelebens ist biblisch begründet: Laut Matthäus 18,18 übertrug Jesu den Aposteln die Befugnis, zu binden und zu lösen, also etwas für verbindlich oder für nicht verbindlich zu erklären. Und gemäß 1. Korinther 4,1 sind sie die „Haushalter über Gottes Geheimnisse“, die neue Erkenntnisse erschließen. Beides praktizierten schon die ersten Apostel mit der Berufung der Armenhelfer (Diakone) und der ersten großen Lehränderung, nämlich, dass auch Nichtjuden zu Christen werden können.
Damit bleibt noch ein Blick in die eigene Vergangenheit: In der Hälfte ihrer Geschichte hat die Neuapostolische Kirche nur Männer ins Amt ordiniert. Davor waren aber auch Frauen als Diakonissen aktiv. Diese Tradition war von der Katholisch-apostolischen Kirche ererbt, führte die Frauen teilweise zum Sakrament an den Altar, verschwand dann aber aus unerklärten Gründen.
So viel ist klar: Sowohl für die Berufung von Diakonissen als auch für die spätere alleinige Ordination von Männern fehlte bis dahin eine lehrmäßig begründete Entscheidung des Apostolats. So oder so war hier noch Grundlagenarbeit zu leisten. Wie die ausfiel, damit beschäftigt sich die nächste Folge dieser Serie.