Heute vor 100 Jahren ist Apostel Sadrach in den Ruhestand gekommen – vermutlich. Denn manche Quellen geben den 5. Dezember 1922 dafür an. Doch andere Quellen sagen, dass er bis kurz vor seinem Tod noch Gottesdienste hielt. Und das ist längst nicht das einzige Rätsel, das der Apostel aufgibt.
Der erste javanische Apostel gab den damaligen Europäern viele Rätsel auf und aufgrund der unterschiedlichen Quellen ist auch heute nicht viel über ihn bekannt.
Zunächst ist nicht ganz klar, in welchem Jahr er geboren wurde. Um 1840, sagen die meisten Quellen. Damals hörte er noch auf den Namen Radin. Ob er Waise war oder seine Eltern einfach zu arm waren, um ihn zu versorgen, lässt sich im Nachhinein nicht genau sagen. Jedenfalls lebte er auf der Straße und ernährte sich von dem, was er erbettelt hatte. Bis ein islamischer Lehrer sich seiner annahm. In dessen Haus bekam der Junge Nahrung und Unterricht. Bald fing er selbst an zu unterrichten und wurde von da an Radin Abbas genannt. Und dann änderte sich sein Name noch einmal: Am 14. April 1867 ließ er sich taufen, und weil es damals üblich war, nach der Taufe einen biblischen Namen zu erhalten, hieß er seitdem Sadrach. Als er 1899 das Apostelamt erhielt, nannten ihn die Javaner zusätzlich Soeropranoto beziehungsweise Surapranata, was so viel heißt wie „Er, der es wagt, Verordnungen zu machen“, was eher einem Titel als einem Namen entspricht. Meistens wurde er aber einfach Apostel Sadrach genannt.
Prediger aus Leidenschaft
Nach seinem islamischen Unterricht zog der spätere Apostel Sadrach selbst als Lehrer durch Java, um anderen von seinem muslimischen Glauben zu erzählen. Bis er auf Frederik Lodewijk Anthing traf. Dieser erzählte ebenfalls gerne von seinem Glauben, denn er war protestantischer Missionar. Anthing konnte den Javaner Radin Abas für das Christentum begeistern und dieser ließ sich taufen.
Bald musste Anting nach Europa zurück, weil ihm das Geld ausging. Eifrig missionierte Sadrach in Java weiter. Anthing lernte derweil die Neuapostolische Kirche kennen, ließ sich versiegeln und kehrte 1881 als Apostel nach Java zurück. Sadrach war dabei und mit ihm 5000 oder 15.000 – hier unterscheiden sich die Zahlen in den Quellen wieder – seiner Anhänger.
Lizenz zum Predigen
Nur zwei Jahre, nachdem Anthing als Apostel nach Java zurückgekehrt war, starb er. Trotzdem blieb Sadrach mit seinen Anhängern dem neuapostolischen Glauben treu. 1899 wurde er zum Apostel berufen.
Ob es nun 5000 oder 15.000 gewesen waren, die gemeinsam mit Sadrach neuapostolisch geworden waren, viele waren es auf jeden Fall. Und das gefiel den anderen Missionsgesellschaften gar nicht. Es gab Gerede und Verleumdungen – und am Ende saß Apostel Sadrach im Gefängnis. Man fragte seine Anhänger, ob sie sich nun von dem Apostel lossagen würden. Die Antwort war deutlich: Eher würden sie ihrem Apostel Sadrach in den Tod folgen, als von ihrem Glauben abzulassen. Daraufhin ließ man den Apostel frei und gab ihm die Lizenz zum Predigen.
Das eröffnete dem Apostel viele Möglichkeiten. Um viele Menschen von seinem Glauben begeistern zu können, nahm der Apostel, auf javanisch „Rasul“, weite Wege auf sich. Europäische Missionare bezeichneten ihn in Briefen an die Heimat als „unermüdlich“, da er weite Wege zu Fuß und durch die schier unerträgliche Hitze ging, um selbst entlegenste Dörfer zu erreichen. Apostel Sadrach schockierte die Europäer, indem er ihnen erklärte, dass sie auf den Weg durch den Dschungel Waffen mitnehmen müssten, um sich vor Schlangen und Tigern zu schützen.
Kulturkonflikte
Den Europäern war der javanische Apostel oft suspekt. Sie warfen ihm vor, den christlichen Glauben auf javanische Art auszuüben. Zu behaupten, er hätte traditionelle Opferspeisen abgehalten, war aber übertrieben, denn natürlich mussten Reisende, die von weit herkamen, versorgt werden. Später gab man zu, man hätte den javanischen Apostel zu Unrecht nicht ganz ernst genommen.
Bis in den Tod mysteriös
Darüber, wie alt der Apostel geworden ist, sind sich die Quellen auch nicht ganz einig: Er muss im Alter zwischen 84 und 102 Jahren gewesen sein, als er am 19. November 1924 starb. Einige Quellen sagen, im hohen Alter sei er nicht mehr in der Lage gewesen, seine Arbeit zu tun, andere berichten mit Ehrfurcht, er habe kurz vor seinem Tod die besten Gottesdienste gehalten. Ob Apostel Sadrach zwei Jahre vor seinem Tod nun in den Ruhestand kam, ist nicht ausreichend dokumentiert.
Als Nachfolger wurde Bischof Jotham ernannt. Ob dieser Apostel Sadrachs leiblicher Sohn, sein Schwiegersohn oder gar nicht mit ihm verwandt war, ist auch nicht ganz eindeutig.