Die Heilige Versiegelung, ein Erbe aus der Katholisch-apostolischen Kirche? Das Wort vielleicht, aber nicht unbedingt das, was man darunter versteht – die Wendungen in der Geschichte der Neuapostolischen Kirche.
Spätestens ab 1951 liegen sie meilenweit auseinander – die „Versiegelung“ nach katholisch-apostolischem Verständnis einerseits und nach neuapostolischer Auffassung andererseits. Alles, was zuvor der Taufe zugeordnet war, gilt nun als Wirkung der Versiegelung: der Empfang des Heiligen Geistes, die komplette Wiedergeburt aus Wasser und Geist, die Gotteskindschaft, ja selbst die Eingliederung in den Leib respektive die Kirche Christi.
Das katholische-apostolische Vielleicht-Sakrament hat sich zum identitätsstiftende Hauptsakrament entwickelt, das nicht nur Erwachsenen, sondern auch Kindern gespendet wird. Und das ist keine Erfindung der Ära von Stammapostel Bischoff. Das geht zurück auf die frühen Tage jener Glaubensgemeinschaft, die einmal Neuapostolische Kirche heißen sollte.
Die andere Versiegelung
Juli 1886 – drei deutsche Apostel Menkhoff, Krebs und Niemeyer schreiben an den letzten noch lebenden englischen Apostel Woodhouse und werben für eine Art Wiedervereinigung. Schon da zeigen sich Unterschiede: „Die Versiegelung bezweckt etwas Anderes und Höheres“ als die Bekräftigung der Taufe.“ Genannt werden der Empfang des Heiligen Geistes und die Zugehörigkeit zum Leib Christi, zur Gemeinde des Herrn.
Dabei greifen die drei Briefschreiber auf das zurück, was Apostel Schwarz schon ein bis zwei Jahrzehnte zuvor formulierte oder praktizierte – formuliert in seinem „Buch für unsere Zeit“ von 1872 und praktiziert mit der Versiegelung von Kindern ab Ende der 1860er Jahre. Als offizielle Lehre traten diese Vorgaben aber über Jahrzehnte nicht in Erscheinung. Das ändert sich erst in den 1930er Jahren.
Die stärkere Taufe
Die Taufe macht Gläubige zu Gotteskindern. Und mit diesem Sakrament ist die Wiedergeburt aus Wasser und Geist abgeschlossen. So lehren es die Schriften von der „Epistel über die Wassertaufe“ (1890) über die Glaubensartikel im „Hülfsbüchlein“ (1908) bis hin zum Geschichtsbuch „Alte und Neue Wege“ (1912).
Anders – nämlich wie in der Zeit vor Stammapostel Niehaus – klingt das ab 1919 in den „Cirkularbriefen“ an die Amtsträger im Apostelbezirk Frankfurt: Da ist es die Versiegelung, welche die Wiedergeburt komplettiert und die Gotteskindschaft schenkt. 1930 tritt der Briefschreiber – Johann Gottfried Bischoff – das Stammapostel-Amt an.
Das Hauptsakrament
Schritt um Schritt werden die neuen alten Positionen als offizielle Lehre publiziert: Zwei Beiträge in der „Wächterstimme“ (Herbst 1931) und die Ausführungen im Buch „Die Ämter und Sakramente der Neuapostolischen Kirche“ (1935) sind die Zwischenstationen auf dem Weg zu den neuen Glaubensartikeln in den „Fragen und Antworten“ von 1938.
Da geht dann noch etwas durcheinander. Denn in diesem Büchlein finden sich gleichzeitig altes und neues, weites und enges Taufverständnis. Doch dieser Widerspruch ist mit der Überarbeitung von 1951 getilgt. Jetzt versteht sich die Neuapostolische Kirche als die alleinige Kirche Christi. Und das bleibt so gut 50 Jahre lang.
2006, 2010, 2012: Das sind die Stationen für das neue Selbstverständnis der Neuapostolischen Kirche. Was das für das Sakrament der Heiligen Versiegelung besagt, darum geht es im nächsten Teil dieser Serie.
Foto: Sergey Semenov / stock.adobe.com