Brasilien, ein schwer zugängliches Dorf, ein Zufluchtsort aus der Zeit der Sklaverei: Hier engagiert sich Juvenal Basílio da Costa auf zweifache Weise für die Allgemeinheit. Der politischen Gemeinde dient er als Organisator, der Kirchengemeinde als Seelsorger.
Es ist ein dunkles Kapitel in der Geschichte Brasiliens. Eine traurige und grausame Zeit, wo rücksichts- und gefühllos Sklavenhandel betrieben wurde. Zwischen dem 16. und 19. Jahrhundert wurden mehr als drei Millionen Sklaven aus Afrika nach Brasilien in Sklavenschiffen über den Atlantischen Ozean gebracht. Dort hat man mit Ungerechtigkeit und Unmenschlichkeit die Arbeitskraft von Männern, Frauen und Kindern auf Zuckerrohrplantagen ausgebeutet.
Am 13. Mai 1888 wurde die Sklaverei in Brasilien per Gesetz abgeschafft. Die Sklaven bekamen ihre vollständige und endgültige Freiheit. In Brasilien leben heute mehr als 55 Millionen Nachfahren dieser Sklaven. Die höchste Zahl von afrikanischstämmigen Menschen außerhalb Afrikas.
Ehemals ein Versteck für Verfolgte
Hirte Juvenal Basílio da Costa stammt von afrikanischen Sklaven ab. Sein Urgroßvater war noch Sklave. Hirte Juvenal – wie er genannt wird – wohnt in einem „Quilombo“. So bezeichnete man eine Niederlassung geflohener schwarzer Sklaven in Brasilien. Solche Sklavendörfer befanden sich in weit abgelegenen Gebieten, wo sie von der Natur vor ihren Häschern geschützt waren, eine sich selbst verpflegende Gemeinschaft.
Der Quilombo Capoeiras liegt 72 Kilometer von Natal, der Hauptstadt des Bundesstaates Rio Grande do Norte, entfernt. Hirte Juvenal berichtet: „Der Name Capoeiras ist ein Begriff, mit dem die Sklaven eine Mischung aus Tanz, Kampfkunst und Musik bezeichneten.“
Heute zählt Capoeiras mit ungefähr 230 Familien etwa 2000 Einwohner. Die Siedlung verfügt über eine Grundschule und ein Gesundheitszentrum. Erst seit etwa 20 Jahren hat man dort Strom und erst seit etwa 14 Jahren Leitungswasser.
Als Organisator im Quilombo Capoeiras
So wie bereits sein Vater ist auch Juvenal Basílio da Costa Gemeinschaftsleiter in seinem Quilombo. „Als Gemeinschaftsleiter habe ich die Verantwortung, dem Dorf rund um die Uhr zur Verfügung zu stehen, um der Bevölkerung zu helfen und zu dienen, wenn sie etwas braucht“, berichtet Juvenal Basílio da Costa. „Mal ist es notwendig, Medikamente zu besorgen, mal einen Transport für einen Arzttermin zu organisieren. Manchmal muss man auch mit Politikern von verschiedenen Parteien in Kontakt treten, mit ihnen sprechen und um Hilfe bitten.“
Capoeiras befindet sich in einer isolierten Lage, ist auch heute noch nur über unbefestigte Staubstraßen erreichbar. „Das ist eines der größten Hindernisse, um in den Ort zu kommen.“ Wie auch andere Dorfbewohner lebt die Familie des Gemeinschaftsleiters hauptsächlich von der Landwirtschaft. „Wir bauen Mandioca, Bohnen und Mais an. Dazu verkaufe ich noch Getränke in einem Getränkeladen und meine Frau macht Besen aus PET-Flaschen.“
Als Seelsorger in der Gemeinde Capoeiras
Hirte Juvenal und seine Frau, sieben Kinder und 16 Enkelkinder bilden den Kern der Gemeinde Capoeiras. „Meine Frau und ich haben einen Familienspruch, den wir versuchen, allen weiterzugeben: Zu Hause darf niemand mit einem hasserfüllten Gesicht eintreten. Die Fröhlichkeit soll herrschen, weil wir wissen: Wir sind in Gottes Hand“, berichtet der Gemeindevorsteher und fügt hinzu: „Wir haben viele kleine Räume im Haus, es ist immer Platz für alle da. Wir sind sehr dankbar, dass die ganze Familie die Gottesdienste besucht.“ Vor kurzer Zeit fusionierte Capoeiras mit der Gemeinde Sítio Pavilhão. Nun nehmen bis zu 70 Glaubensgeschwister an den Gottesdiensten teil.
Der erste Kontakt mit der Neuapostolischen Kirche ergab sich für Juvenal Basílio da Costa im Jahr 1984, als ein Apostel aus Nordrhein-Westfalen und seine Begleiter die neuapostolische Lehre nach Rio Grande do Norte brachten. 1985 wurde die Gemeinde Capoeiras gegründet und der Familienvater ins Diakonenamt ordiniert. Im Laufe der Zeit entstanden im Inneren des Staates weitere Gemeinden, zum Beispiel Sítio Pavilhão, Bom Jesus, Elói de Souza.
„In unserem Alltag haben wir viele Beschwernisse. Der Glaube ist unentbehrlich, um nach vorne zu schauen, um zu überleben, um weiterzugehen, um uns in der Freude zu halten, trotz aller Widrigkeiten“, sagt Hirte Juvenal. „Das Leben unter solchen Umständen lässt uns jeden Tag neue Glaubenserlebnisse haben“