

Gottesdienst für Entschlafene: Das ist für neuapostolische Christen meist eine ganz persönliche Angelegenheit voller Gefühl. Doch die Sache hat ihren guten Grund – Fragen und Antworten zur Lehre.
Am ersten Sonntag im März, Juli und November finden die Entschlafenen-Gottesdienste statt. Dazu gehört neben Gedenken, Gebet und Fürbitte auch die Spendung von Sakramenten. In den Gottesdiensten, die der Stammapostel und die Bezirksapostel abhalten, empfangen zwei Geistliche stellvertretend für die Verstorbenen die Heilige Wassertaufe, die Heilige Versiegelung und das Heilige Abendmahl.
Aber gibt es überhaupt ein Leben nach dem Tod?
Der Glaube an die Unsterblichkeit der Seele findet sich in der Bibel nur in Ansätzen. Das entwickelt sich vom Alten Testament über dessen Spätschriften („Apokryphen“) bis hin zum Neuen Testament. Erst in nachtestamentlicher Zeit verschmelzen griechische und jüdische Ideen zum christlichen Miteinander: Die Persönlichkeit bleibt erhalten, der Seelenzustand hängt ab von ihrer Gottesnähe oder Gottesferne.
Kann sich der Zustand der Seelen denn noch ändern?
Dazu bekennt sich die Mehrheit der Christen: Sowohl der Katholizismus als auch die Orthodoxie lehren, dass es im Jenseits eine Entwicklung geben kann. Anders sieht das der Protestantismus: Kirchenvater Luther spricht vom Seelenschlaf. Die aktuelle Ganztod-Theorie geht von der Vernichtung des Individuums und seiner Neuschöpfung in der Auferstehung aus.
Lässt sich das Entschlafenenwesen biblisch begründen?
Die Heilsvermittlung an Verstorbene knüpft dreifach an die Heiligen Schrift an:
- Beim universellen Heilswillen Gottes: Er will, dass allen Menschen geholfen werde. Und Jesus Christus ist dabei Herr über Lebende und Tote.
- Beim Abstieg Jesu in das Totenreich zur Heilsvermittlung. Diese Vorstellung findet sich auch im „Apostolikum“, einem der wichtigsten konfessionsübergreifenden Glaubensbekenntnisse.
- Bei der Stellvertreter-Taufe in Korinth: Dort ließen sich manche anstelle ihrer verstorbenen Verwandten taufen. Apostel Paulus erwähnt diese Praxis ohne sie zu kritisieren, wie er es in anderen Fällen tut.
Warum muss das im Diesseits passieren?
Jesus Christus hat es vorgemacht: Er ist auf diese Erde gekommen, um das Heil zu schaffen. Das hat universale Gültigkeit, betrifft sowohl Diesseits als auch Jenseits. So sagt der Katechismus: „Wie Jesus Christus sein Opfer auf Erden brachte, so geschieht auch Heilsvermittlung durch die Apostel auf Erden. Da Sakramente stets eine sichtbare Seite haben, können sie auch nur im Bereich des Sichtbaren vollzogen werden.“ KNK 9.6.3).
Wofür braucht es da Stellvertreter?
Das Prinzip Stellvertretung wird auch als Strukturgesetz biblischer Heilsgeschichte bezeichnet. Paradebeispiel ist das Gottesknecht-Lied bei Jesaja, wo der Gerechte für den Schuldigen eintritt und deshalb dessen Sünde trägt. Gelebt wird das Prinzip je nach Konfession unterschiedlich: Mal schlüpft ein geweihter Pfarrer beim Abendmahl stellvertretend in die Rolle Jesu Christi. Und mal bekennen Eltern oder Paten bei der Taufe stellvertretend den Glauben an den Erlöser. Und neuapostolischen Christen bekennen ihren Glauben daran, dass das Prinzip Stellvertretung den Toten ebenso dient – wie den Lebenden.
Steht diese Praxis unter Christen nicht im Abseits?
Totengedenken und Fürbitte im sakramentalen Zusammenhang von Abendmahlsfeiern kennen auch andere Konfessionen. So haben „Eucharistiefeiern mit Totengedenken“ einen festen Platz im Kalender katholischer Gemeinden. Und die Orthodoxie misst den Fürbitten eine besondere Kraft bei, wenn sie in der „Göttlichen Liturgie“ stattfinden. Dort werden bei der Vorbereitung des Abendmahlbrotes auch einige Stückchen im Namen der Verstorbenen herausgeschnitten.
Und der berühmte evangelische Theologe Dietrich Bonhoeffer bringt in seinem Gutachten „Zur Tauffrage“ von 1942 die Stellvertreter-Taufe in Korinth zur Sprache: „Warum sollte aus solcher Auffassung der Taufe nicht auch ein derartiger Brauch als extremer […] Ausdruck der Kraft des Sakraments entstehen können?“
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