Islamistischer Terror in Frankreich, Nigeria und Mali, islamfeindliche Demonstrationen in Deutschland. Auch in solchen Verhältnissen hat der neuapostolische Glaube ganz konkrete und praktische Bedeutung. Das hat Stammapostel Jean-Luc Schneider bei seinem Gottesdienst am vergangenen Sonntag in Luxemburg deutlich gemacht.
„Hast Du gesehen, was alles geschehen ist?“, zitierte der Stammapostel die Reaktionen auf jüngste Ereignisse: Bei Anschlägen auf das Büro einer Satire-Zeitschrift und auf einen jüdischen Supermarkt waren am 7. Januar in Paris insgesamt 16 Menschen ermordet worden. Am gleichen Tag richtete die Miliz Boko Haram im nigerianischen Bundesstaat Borno ein Massaker mit Hunderten von Toten an. Und in Mali kämpfen Friedenstruppen der Vereinten Nation seit zwei Jahren gegen extremistischen Terror. Derweil nutzen in Deutschland Tausende von Demonstranten das Leid der Opfer für ihre Propaganda gegen eine angebliche Islamisierung des Abendlandes.
Bereits in seinem Eingangsgebet hatte Stammapostel Schneider der Opfer der Gewalt gedacht: „Wir beten für all die Menschen, die in tiefer Not sind. Wir beten für die, die Opfer der Ungerechtigkeit sind.“ Und im Schlussgebet sagte er: „Wir beten insbesondere für all die Menschen, die in großer Gefahr sind wegen ihres Glauben. Weil sie einen anderen Glauben haben, will man ihnen schaden oder sie töten. Das besorgt uns.“
Der Gottesdienst am 11. Januar im Parc-Hotel Alvisse in Luxemburg stand unter dem Bibelwort aus Römer 12,2: „Und stellt euch nicht dieser Welt gleich, sondern ändert euch durch Erneuerung eures Sinnes, damit ihr prüfen könnt, was Gottes Wille ist, nämlich das Gute und Wohlgefällige und Vollkommene.“ Hier stelle Apostel Paulus zwei Bezugspunkte gegenüber: den sich ständig wandelnden Zeitgeist einerseits und den unwandelbaren Willen Gottes andererseits. „Unsere Beziehung zu Gott soll die gleiche bleiben, was auch geschieht. Unsere Beziehung zum Nächsten sollte nicht beeinflusst sein von dem, was in der Welt geschieht. Unsere Referenz ist der allmächtige Gott.“
Was ist nun das Gute, das Paulus anspricht? „Gut ist das Gesetz Gottes, das Gebot der Liebe zu Gott, der Liebe zum Nächsten“, stellte der Stammapostel klar: „Tu dem Nächsten nichts, was du nicht willst, dass er dir tut.“ Das gelte zu allen Zeiten, in allen Verhältnissen und an allen Orten.
Was Gott wohlgefällig ist, das zeigte Stammapostel Schneider an drei Begebenheiten aus der Heiligen Schrift auf:
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Als Petrus seinen Herrn mit dem Schwert vor der Gefangennahme in Gethsemane zu bewahren versuchte, schritt Jesus ein (Matthäus 26,47-56). „Es ist Gott nicht wohlgefällig, wenn wir, um unseren Glauben zu verkündigen oder zu verteidigen, den Nächsten verletzen.“ Dabei gehe es nicht bloß um Waffengewalt, sondern auch um die Macht der Worte.
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Als die Jünger gegen einen fremden Wundertäter vorgehen wollten, hielt Jesus sie davon ab (Markus 9,38-41). „Es gibt viele Menschen auf dieser Erde, die teilen unseren Glauben nicht. Trotzdem sind sie bemüht dem Nächsten Gutes zu tun und Gott zu dienen. Es wäre Gott nicht wohlgefällig, wenn wir sie nicht wertschätzen, wenn wir sie verachten, wenn wir sie angreifen.“
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Als Johannes und Jakobus die Samariter gestraft wissen wollten, weil sie Jesus ablehnten, wies er sie zu Recht (Lukas 9,51-56): „Es ist Gott nicht wohlgefällig, dass man die Leute motivieren will, indem man sie bedroht und ihnen Angst macht.“
Das Fazit des Stammapostels: „Man kann Gott nicht dienen und den Nächsten verachten und mit dem Nächsten verfeindet zu sein. Gottesliebe und Nächstenliebe gehören zusammen, das kann man nicht trennen.“
Doch wer ist unser Nächster? „Der Nächste, das ist der, der krank ist, der im Gefängnis und der Fremde, der so ganz anders ist, der Fremde, der eine andere Kultur hat, einen anderen Glauben, ein anderes Wesen, eine andere Meinung, das ist dein Nächster“, verwies er auf Matthäus 25,35-40. „Den musst du lieben! Du kannst nicht selbst bestimmen, wer dein Nächster ist. Der Nächste ist, den Gott neben mich gestellt hat.“
Das stelle die Gläubigen vor eine Aufgabe: „Wir müssen uns immer wieder selbst in Frage stellen: Wie stehe ich zu Gott, wie stehe ich zu meinem Nächsten? Was kann ich ändern, was muss ich ändern? Sehr unbequem – auch für mich. Aber es ist unbedingt notwendig. Prüfet, was gut ist, was Gott wohlgefällig ist. Prüfet, was ihr noch ändern sollt, um euch Gott immer mehr zu nähern.“
In der Vorbereitung auf das Heilige Abendmahl ging Stammapostel Schneider auf den Gedanken der Versöhnung ein. Besonderen Widerhall fanden die entsprechenden Gedanken aus seinem Schlussgebet: „Wir denken auch an die Menschen, die so verwirrt sind, dass sie Übel tun und meinen damit, sie würden dir dienen. Es ist im Sinne deines Sohnes, dass wir auch für sie beten, sei ihnen gnädig. Sie wissen wirklich nicht, was sie machen.“
Zu den Gästen des Gottesdienstes zählten hochrangige Geistliche verschiedener Religionen und Konfessionen. Dazu gehörten unter anderem Großrabbiner Alain Nacache vom Israelitischen Konsistorium Luxemburg, Jean-Luc Karleskind als Vizepräsident der muslimischen Gemeinde im Großherzogtum, Jutta Bayani als Vorsitzende der Bahai-Gemeinde sowie Théo Péporté als Vertreter des katholischen Erzbischofs und Bischof Adama Ouedraogo von der Evangelischen Allianz Luxemburg.
In einem Zusammentreffen nach dem Gottesdienst bedankte sich Stammapostel Schneider für deren Anwesenheit und bekundete die Solidarität mit allen Opfern von Rassismus und Intoleranz, seien sie Juden, Muslime oder Christen. Die gemeinschaftliche Teilnahme sei besonders bedeutsam, da am gleichen Tag Millionen von Menschen unterschiedlicher Religionen gemeinsam gegen den Terrorismus demonstrierten.