Seit Oktober 2023 sind sie auf dem Weg, jetzt kommen sie überall an: Erstmals in deren gut 90-jähriger Geschichte gibt die Neuapostolische Kirche die Richtlinien für Geistliche öffentlich heraus – auf der Website nak.org.
Es lief fast wie ein Uhrwerk: Ziemlich genau alle 30 Jahre hat die Kirche eine neue Version des Regelwerkes aufgelegt. Die Hauptausgaben datierten auf die Erscheinungsjahre 1933, 1963, 1993 und 2023. Und jetzt, 2024, gehen die Vorschriften online. Sie sind für alle Interessierten einsehbar auf der Website nak.org, der offiziellen Niederlassung der Neuapostolischen Kirche International im Internet.
Zu finden sind die Richtlinien im Menü „Kennenlernen“ – ebenso wie der Katechismus, die „Fragen und Antworten“ und das „NAK von A bis Z“. Mit diesen Angeboten teilen sich die „Richtlinien für Geistliche“ nicht nur den Zugang, sondern auch die technische Plattform. In diesen zentralen Verteiler können sich auch Gebietskirchen einklinken.
Rechte, Pflichten und Voraussetzungen
Geregelt werden zum einen die Aufgaben, Rechte und Pflichten der Amtsträger und Amtsträgerinnen. Zum anderen enthalten die „Richtlinien für Geistliche“ auch die Liturgie der Gottesdienste sowie der Sakramente und Segenshandlungen. Das reicht hin bis zu der Definition der maximalen Dauer eines regulären Gottesdienstes: sonntags maximal eine Stunde und werktags höchstens eine Dreiviertel-Stunde.
Neu aufgenommen worden sind Kompetenzprofile für Geistliche, Lehrkräfte und Jugendbetreuer. Sie beschreiben Kernaufgaben und persönliche Voraussetzungen. Zwar gilt weiterhin die Überzeugung, dass die Ausersehung zum Amt im göttlichen Willen begründet ist. Doch sollen bei einer Berufung auch die notwendigen Fähigkeiten berücksichtigt werden.
Schutz vor Übergriffen als Aufgabe
Neu ist auch, dass die Kirche ihre Antworten auf bestimmte gesellschaftliche Fragen gibt und entsprechende Regelungen trifft: „Die Neuapostolische Kirche missbilligt aufs Schärfste alle Handlungen, die die sexuelle Selbstbestimmung des Menschen beeinträchtigen. Der Schutz vor sexueller Gewalt ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, der auch die Neuapostolische Kirche mit ihren Geistlichen verpflichtet ist“, heißt es in den Richtlinien.
Und weiter: „Die Neuapostolische Kirche toleriert keine sexuellen Übergriffe von Geistlichen und Gemeindemitgliedern in Ausübung ihres kirchlichen Dienstes. Begründete Verdachtsfälle werden unverzüglich den vom geltenden Gesetz des jeweiligen Landes dafür vorgesehenen Stellen gemeldet.“
Veränderungen sind Tradition
Die Vorgaben sollen die Einheit der Kirche fördern und Sicherheit bei kirchlichen Tätigkeiten vermitteln, schreibt Stammapostel Jean-Luc Schneider im Vorwort. Sie stellen einen weltweit gültigen und verbindlichen Rahmen dar, der aber auch Rücksicht auf die kulturellen Unterschiede nimmt.
Seit der jüngsten Ausgabe von 1993 hat sich eine Menge getan: 1998 kam das „Leitbild Führen und Dienen“, 2007 die „Mission und Vision der Kirche“, 2010 die erweiterte Liturgie, 2012 der Katechismus, 2019 das konkretisierte Amtsverständnis und 2023 die Frauenordination. Angesichts der Entwicklungen waren den „Richtlinien für Amtsträger“ schon ab 1997 und dann noch mal 2003 Ergänzungshefte beigelegt.
Die „Notwendigkeit, das bestehende Richtlinienbuch den heutigen Verhältnissen anzupassen“, wie es Stammapostel Richard Fehr 1993 formulierte, war schon von Anfang an im Blick: „Sollten sich Verbesserungen oder Änderungen als notwendig erweisen, so wird dies bei einer Neuauflage Berücksichtigung finden“, heißt es bereits in dem allerersten Vorwort von 1933 in der Amtszeit von Stammapostel Johann Gottfried Bischoff.