Nichts ist so stetig wie der Wandel: So lautet die Erkenntnis aus der Vorgeschichte zu den Beratungen, die in Kürze in der Bezirksapostelversammlung anstehen. Dort geht’s um das Amtsverständnis der Zukunft. Vorab ein Blick auf die Entwicklung bis heute.
Aus der katholisch-apostolischen Tradition hatte die Neuapostolische Kirche die Lehre vom vierfachen Amt übernommen. Nach Epheser 4,11 unterschied man vier „Charakterämter“: Apostel, Prophet, Evangelist und Hirte, der mit dem Lehrer zusammengefasst wurde. So wollte die Kirche die damals so gesehenen vier Charaktertypen der Menschen ansprechen: Phlegmatiker, Choleriker, Sanguiniker, Melancholiker.
Die Lehre war reich ausgestaltet. So galten alt- und neutestamentliche Symbole und Gegebenheiten als Hinweis auf die Ämter oder ihren Charakter: die vier Flüsse des Paradieses, die vier Hörner des Altars, die vier Cherubim im Buch Hesekiel oder auch die vier Gestalten in der Offenbarung – Löwe, geflügelter Mensch, Stier und Adler.
Apostel Friedrich Wilhelm Schwarz sah im vierfachen Amt das Modell für die „Stamm-Ämter“, die jeweils in jedem Apostel-, Bischofs- und Ältestenbezirk sowie in jeder Hauptgemeinde vorhanden sein sollten. Anders als in der heutigen vertikalen Ämterhierarchie verlief die Hierarchie innerhalb der Amtsklassen: Der Gemeindeprophet war dem Propheten im Ältestenbezirk untergeordnet, dieser dem Propheten im Bischofsbezirk und der wiederum dem Stammpropheten.
Änderungen von Anfang an
Das Modell der Stamm-Ämter führte dazu, dass mehr Ämter gerufen als gebraucht wurden. „Daraus ergaben sich mancherlei Gefahren und Ärgernisse“, schrieb Eberhard Emil Schmidt (Salus) in dem Buch „Alte und Neue Wege“. Wäre die Entwicklung so weitergegangen, „hätte es zuletzt bald mehr Ämter als Glieder gegeben“.
„Was nützen mir die Propheten, wenn ich keine Diakonen habe?“, hat Stammapostel Hermann Niehaus laut einer Gemeindechronik einmal ausgerufen. Das Entscheidende für ihn war, dass die richtigen Männer berufen wurden: „Die Gemeinden sollen solche Priester und Diener haben, die sich dessen bewusst sind, dass die Gemeinde nicht um ihretwillen da ist, sondern dass sie um der Gemeinde willen da sind.
In seiner Amtszeit begann die Ablösung des charismatischen Amtsverständnisses durch ein weitgehend pragmatisches. So wurde das über dem Bischofsamt stehende Amt der Siebziger nicht mehr besetzt. Und auch das Prophetenamt verlor an Bedeutung.
Zwischen Vollmacht, Charakter und Funktion
Der Wandel in der Amtsstruktur zeigt sich auch in den Lehrwerken: Das „Hülfsbuch“ von 1908 zählt 10 Amtsstufen, 1916 sind es bereits 14. „Fragen und Antworten“ kommt 1938 auf 17 Ämter, 1951 auf 13 und 1992 schließlich auf 11.
Auffällig dabei: Die zusätzlichen Stufen werden weniger über Amtsvollmachten definiert, allenfalls über Tätigkeitsbeschreibungen, wie etwa beim Hirten – der sich „der Schwachen und Niedergebeugten in besonderer Weise annimmt und den Verirrten liebevoll nachgeht“ (1992). Indes: Das ist ein Merkmal, das sich auf jedes priesterliche Amt beziehen lässt.
In den Vordergrund rücken reine Funktionsbeschreibungen, wie etwa beim Bezirksevangelisten: „Er untersteht dem Bezirksältesten für die Arbeit im Unterbezirk. Er ist sein Stellvertreter“ (1992). Das zeigt: Die Ämterhierarchie war in der Vergangenheit auch eine Reaktion auf die praktische Notwendigkeit, die geistlichen und administrativen Dienste auf mehrere Schultern zu verteilen.
Andere Zeiten, andere Antworten
Antworten auf die Fragen der Zeit zu geben: Das ist auch das Ziel der aktuell laufenden Arbeiten am Amtsverständnis. Das hat Stammapostel Jean-Luc Schneider deutlich gemacht, als er im Oktober 2017 erste Zwischenergebnisse vorstellte.
Beschlossene Sache sind bereits Änderungen bei der Berufung von Bezirksaposteln und ihren Helfern. Genau darüber hatte sich Stammapostel Hans Urwyler schon Gedanken gemacht. In seinen Notizen kommt er zu einem Ergebnis ganz ähnlich dem, was künftig die Praxis bestimmt: „Nach meinem inneren Empfinden gibt es nur die Ordination zum Apostel, das andere sind zusätzliche Aufträge.“
Bei der internationalen Frühjahrstagung der Bezirksapostel Mitte dieses Monats in Washington (USA) geht es nun um die priesterlichen Ämter. Von welchen Überlegungen er sich dabei leiten lässt, hat Stammapostel Schneider zuletzt bei einem Gottesdienst für Amtsträger in Berlin erläutert: Wer Mitbestimmung und kollegiale Führung praktizieren wolle, der brauche eine schlanke Struktur und klare Verantwortlichkeiten.