Ein Mann der Worte, aber auch der Tat. Das war Bezirksapostel Karl Kühnle. Heute wäre er 100 Jahre alt geworden. Das Lebensbild eines Schwaben, der auszog um seinen Glauben nach Afrika, Osteuropa und auf die arabische Halbinsel zu bringen.
„Satan flieht, wenn er dich beten sieht.“ Oder: „Der große Sorgen Segen ist, dass sie die kleinen Sorgen frisst.“ – Viele Kirchenmitglieder in Süddeutschland erinnern sich noch an die Sinnsprüche ihres Bezirksapostels Karl Kühnle. Die Aussagen kommen von den Glaubensgeschwister selbst. Er trug sie mit sich rum und formte sie bei passender Eingebung zum Aphorismus – ganz gleich, ob der zündende Gedanke bei Tag oder bei Nacht kam. Deshalb lagen immer Block und ein Stift auf dem Nachttisch. Diese einprägsamen Formulierungen verwendete er auch in den Gottesdiensten. „Karl Kühnle war ein begnadeter Prediger“, beschrieb Stammapostel Richard Fehr ihn später.
Als drittes Kind wurde Karl Ludwig Kühnle am 14. Februar 1923 in Unterbrüden (Baden-Württemberg) geboren. Seine Eltern wurden neuapostolisch, als er noch klein war. Er selbst empfing als Dreijähriger das Sakrament der Heiligen Versiegelung.
Viel Zeit verbrachte er als Kind in der Schreinerwerkstatt seines Vaters. Sehr zum Leidwesen der anderen Schreiner, die dann mit den stumpfen Hobeln weiterarbeiten mussten, mit denen das Kind freudig gewerkelt hatte. Später erlernte er einen kaufmännischen Beruf. Während seiner Ausbildung starb sein Vater und die Beerdigung fand an seinem 15. Geburtstag statt. „Meine Mutter kam zu mir, gratulierte mir und fügte hinzu: ‚Aber jetzt haben wir keinen Papa mehr.‘ Es war für mich und meine beiden älteren Geschwister einer der traurigsten Tage unseres Lebens.“
Der schwäbische Humor
Trotzdem verlor er seinen Humor nicht. Stammapostel Fehr sagte einmal über ihn: „Mit seinem schwäbischen Humor gelang es ihm auch, verschlossene Herzen zu öffnen und in schwierigen Situationen eine freundliche Atmosphäre zu schaffen.“
1942 musste Karl Kühnle zum Militär und geriet 1944 in Südfrankreich in Gefangenschaft. Die Inhaftierung in Marokko beschrieb er mit eindringlichen Worten: „Bei tropischer Hitze, Hunger, schwerer Erkrankung und der Ungewissheit über die Zukunft erlebte ich eine bittere Zeit. – Die ich dennoch nicht missen möchte, denn sie hat formend an meiner Seele gewirkt.“
Im Mai 1947 durfte er nach Hause. Er fand eine Anstellung in einer Motoren- und Maschinenfabrik bei Backnang und heiratete am 16. Oktober 1948 Gertrud Krautter. Die beiden hatten zwei Söhne, die später beide Apostel wurden: Werner und Volker Kühnle.
Vorgänger eines Stammapostels
Im Dezember 1950 erhielt Karl Kühnle durch Bezirksapostel Georg Schall sein erstes Amt in der Neuapostolischen Kirche. Je ein Jahr verging bis zur nächsten Amtsstufe, bis er 1953 einen Tag vor seinem Geburtstag Bezirksevangelist wurde. Stammapostel Walter Schmid ordinierte Karl Kühnle 1966 zum Bischof und im Februar 1968 zum Apostel.
Im Jugendgottesdienst in Stuttgart am 4. Mai 1975 empfing Karl Kühnle von Stammapostel Ernst Streckeisen den Auftrag, als Bezirksapostel für Baden-Württemberg tätig zu sein. 1982 kam die Gebietskirche Bayern zu seinem Arbeitsbereich dazu. Von 1980 bis 1981 war er zudem für die Gebietskirche Schweiz zuständig. Sein Nachfolger als Bezirksapostel dort wurde 1981 ein gewisser Richard Fehr.
Hinaus in alle Welt
Stammapostel Fehr sagte später über Karl Kühnle: „Er war ein freudiger Missionar und trug das Evangelium in viele Völker.“ Den Anfang machte 1985 Sierra Leone. „Dort hat er viel Missionsarbeit geleistet“, erinnert sich sein Sohn Werner Kühnle, der später als Apostel auch für das Land zuständig war. „Damals waren es drei oder vier Gemeinden, heute sind es weit über 100.“
Viele weitere Länder kamen dazu, am Ende waren es gut zwei Dutzend. Zum Beispiel Guinea und Niger in Afrika, Teile der Ukraine oder die Vereinigten Arabischen Emirate. Und 1993 sogar Marokko – obwohl Karl Kühnle sich nach seiner Kriegsgefangenschaft eigentlich geschworen hatte, nie wieder in das Land zu gehen.
Brunnen, Schulen und Motorräder
„Er hat veranlasst, dass Finanzen zur Verfügung gestellt wurden, um Schulen zu bauen“, ergänzt Sohn Werner. Als Karl Kühnle eine dieser Schulen während ihrer Bauzeit besuchte, freuten sich die Einheimischen so sehr, dass sie die Schule nach dem Bezirksapostel benannten. Heute sind dort über 1000 Schüler.
Doch: „Er hat nicht nur Brunnen, Schulen und Krankenhäuser mitfinanziert, sondern auch Motorräder und Geländewagen zur Verfügung gestellt.“ Damit kamen die Pastoralreisenden auch in die entlegensten Orte und konnten dort bald Gemeinden gründen.
Das Ende einer Ära
Ein letztes Mal durfte Karl Kühnle bei seiner Ruhesetzung in Fellbach am 10. Dezember 1995 mitdienen. Er endete seine Predigt mit einem Dank an die Glaubensgeschwister, die „die Gravur der Liebe“ in seinem Herzen hinterlassen hätten. „Ich schenke euch heute gerne mein ganzes Herz und meine ganze Liebe.“
Das tat der Ruheständler. Gerne setzte er sich auch weiterhin für seine Glaubensgeschwister ein und besuchte sie gerne. So wie er es 1991 in einer seiner zahlreichen Veröffentlichungen im Bischoff Verlag den Jugendlichen geraten hatte.
Bezirksapostel Klaus Saur übernahm sein Arbeitsgebiet und Baden, Württemberg und Bayern fusionierten zur Gebietskirche Süddeutschland. Am 7. Dezember 2003 starb Karl Kühnle nach kurzer Krankheit. Die Anteilnahme seiner Glaubensgeschwister war groß.