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„Langsamer singen – man muss die Lieder genießen“

April 21, 2018

Author: Vera

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2600 Pfeifen zählt die Orgel in der Konzertkirche Silvertown (Südafrika). Dort spielt Tristan Williams jeden Sonntag. Doch im Sommer 2016 mussten andere Organisten ihn für drei Monate vertreten. Denn da besuchte er Deutschland.

Tristan Williams reißt die Augen auf. „Ich? Ich soll bei euch die Orgel spielen?“ Christoff, der Haupt-Organist beim Jugendtag 2016 in Frankfurt, nickt ihm zu. Er ist erleichtert darüber, einen Ersatz gefunden zu haben für seine Zweitbesetzung, die Minuten vor Gottesdienstbeginn noch nicht aufgetaucht ist.

„Ich hatte ein bisschen Angst, weil ich dachte, dass die Lieder vielleicht anders gesetzt sind“, erzählt er später. Doch dann spielt es sich wie von alleine. Der damals 19-Jährige freut sich über die Ehre, bei dieser besonderen Gelegenheit spielen zu dürfen.

Normalerweise spielt Tristan Williams in der Gemeinde Silvertown in Kapstadt Orgel. Jeden Sonntag begleitet er hunderte Glaubensgeschwister beim Gemeindegesang. Bereits mit 15 spielte er das erste Mal im Gottesdienst. „Am Anfang war ich ein bisschen nervös. Jetzt ist das normal. Manchmal finde ich es sogar richtig cool zu spielen. Dabei frage ich mich aber immer, ob Gott und nicht den Menschen mein Spiel gefällt.“

Vom Schulunterricht zum Auslandsaufenthalt

Von 2012 bis 2016 lernte der Jugendliche in der Schule Deutsch. Seine Mutter verwies 2012 deutsche Urlauber an ihn. Sie hatte gehört, dass die Besucher aus Deutschland kamen und wollte, dass ihr Sohn sich im Gebrauch der deutschen Sprache übe. Die Besucher, Walter und seine Familie, benötigten zudem einen Übersetzer für Unternehmungen in Kapstadt. Tristan Williams unterhielt sich mit der deutschen Familie und blieb mit ihnen in Kontakt.

Der Wunsch des Südafrikaners, Deutschland zu besuchen, wurde immer größer. Walter bot ihm an, drei Monate bei ihm in Grünberg zu wohnen. Von dort aus machte der Organist Ausflüge in verschiedene Städte. München durfte für ihn nicht fehlen, auch nicht das Stadion seines Lieblingsvereins. Und in Stuttgart war ein Abstecher in das dortige Museum seiner Lieblingsautomarke selbstverständlich.

Obwohl er anfangs aufgrund seines kleinen Wortschatzes Schwierigkeiten hatte, auf andere Personen zuzugehen, lernte er auf seinen Reisen und durch Bekannte von Walter viele Leute kennen, die zu seinen Freunden wurden. Mit einer so herzlichen Aufnahme hatte der Südafrikaner nicht gerechnet. Bei seinen Ausflügen fiel es ihm nicht immer leicht, alle Menschen gut zu verstehen. „Die Sprache war für mich ein bisschen schwer, weil es viele Dialekte gibt.“

Überrascht von den Gemeinden

In den Gottesdiensten fiel es ihm leichter, alles zu verstehen. „Im Gottesdienst haben sie sehr langsam geredet und haben, glaube ich, auch hochdeutsch gesprochen.“ Egal, wo er Glaubensgeschwister traf, immer hatte er ein warmes Gefühl von Freundlichkeit. Zudem erschien es ihm so, als würde jeder jeden kennen. „In Silvertown ist das nicht möglich, weil jeden Sonntag so viele Glaubensgeschwister im Gottesdienst sind.“

Tristan Williams war überrascht, dass viele Gemeinden in Deutschland klein sind. „Die Kirche hat in Deutschland angefangen. Daher dachte ich, dass es viele Glaubensgeschwister in den Kirchen gibt. Bei uns gibt es alle zwei oder drei Kilometer eine Gemeinde.“

Welchen Tipp gibt er uns, was wir in Deutschland in den Gemeinden verbessern könnten? „Langsamer singen. Ich finde, man muss die Lieder genießen. Wenn alles so schnell ist, kann man das nicht genießen.“ Außerdem fiel Tristan die Kleidung der Konfirmanden in Deutschland am Tag ihrer Konfirmation auf. Von Kapstadt erzählt er, dass Konfirmanden immer schwarz-weiß tragen. Das fände er festlicher.

Hoffnung auf eine Rückkehr

Gerne würde Tristan nach seinem Studium für immer nach Deutschland kommen. Er möchte Zahnarzt werden. Diesen Beruf möchte er dann in Deutschland ausüben. Nicht so sehr, weil man als Zahnarzt in Deutschland mehr verdient als in Südafrika, sondern vielmehr weil er sich in dem Land so wohl fühlte. Während seines Deutschlandaufenthaltes lebte er in einem Dorf, welches er als sehr schön empfand. Außerdem mag er, dass die Menschen nett und freundlich sind.

Jeden auf der Straße zu grüßen, gefällt Tristan Williams. Diesen Brauch hat er in kleinen Dörfern in Deutschland kennengelernt. In Kapstadt versucht er dies fortzuführen und so die Menschen auf der Straße zum Lächeln zu bringen.

Die Reise des Südafrikaners liegt nun schon mehr als ein Jahr zurück. Immer wieder denkt er daran. Er vermisst Deutschland und freut sich auf die nächste Reise dorthin. Vielleicht zum Internationalen Jugendtag 2019.

Eine ausführlichere Version dieses Berichtes findet sich in der Ausgabe 18/2017 der Zeitschrift „Unsere Familie“.

April 21, 2018

Author: Vera

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