Olga Scherban (50), ist Chormeisterin am Theater für Oper und Ballett in Woronesch (Russland). Die Glaubensschwester stellt ihr musikalisches Können aber auch in den Dienst der Gemeinde und der Kirche.
Begeistert von der Musik, das ist die 50-Jährige seit Kindertagen. Es sei der Verdienst ihrer Eltern. Die Mutter ist Chorleiterin, der Vater spielte Posaune im Symphonieorchester. Und so besuchte Olga Scherban bereits in jungen Jahren Konzerte in der Philharmonie und Aufführungen im Theater.
1992 kam sie mit der Neuapostolischen Kirche in Kontakt. Damals wurde sie eingeladen, im Chor zu singen. Heute besuchen etwa 30 bis 35 Schwestern und Brüder die Gottesdienste der Gemeinde Woronesch. Ehemann Alexandr dient als Hirte und Vorsteher der Gemeinde. Ein kleiner Gemeindechor gestaltet die Gottesdienste am Mittwoch und Sonntag.
Einblicke in ein musikalisches Leben und in die Chorarbeit in Russland:
Beim Gottesdienst mit dem Stammapostel in St. Petersburg (Russland) zum Erntedankfest 2019 dirigierten Sie den Chor. Waren Sie aufgeregt?
Natürlich war ich aufgeregt. Es ist eine sehr verantwortungsvolle Aufgabe. Der Chor wurde für diesen Gottesdienst gebildet. Neben Sängern aus St. Petersburg waren auch Geschwister aus den Gemeinden Woronesch, Moskau, Kaluga und anderen Städten im Chor.
Von Ihrem Wohnort Woronesch zum Gottesdienst in St. Petersburg mussten Sie fast 1250 Kilometer in Kauf nehmen. Kommt das häufiger vor?
Nein, nicht so oft. Gewöhnlicher ist dagegen die Entfernung nach Moskau; dorthin sind es 500 Kilometer.
War es das erste Mal, dass Sie einen überregionalen Chor dirigiert haben?
Nein, eine überregionale Zusammensetzung des Chores hat sich zum ersten Mal zum Internationalen Kirchentag, der 2014 in München stattfand, ergeben. In den darauffolgenden Jahren nahm dieser Chor an verschiedenen kirchlichen Veranstaltungen in Russland teil. Auch beim Internationalen Jugendtag 2019 in Düsseldorf (Deutschland) gestaltete er den Beitrag der Neuapostolische Kirche in Russland.
Das Wichtigste ist das Gefühl der Einheit, das entsteht, wenn wir im Werk Gottes mit Brüdern und Schwestern aus anderen Städten zusammenarbeiten. Du bist nicht allein! Und das ist das Wichtigste!
Das gelungene Ergebnis kommt gewiss nicht von ungefähr, da Sie ja beruflich Chormeisterin sind. Warum haben Sie sich für diesen beruflichen Weg entschieden?
Meine Eltern sind Musiker. Dies hat wahrscheinlich meine Berufswahl beeinflusst. Als Kind besuchte ich eine Musikschule, anschließend, nach dem Beenden der Musikberufsschule, studierte ich an der Kunstakademie in Woronesch. Nach dem Studium wurde ich für die Stelle einer Chormeisterin im Theater ausgewählt. Seit über 25 Jahren bin ich nun im Theater für Oper und Ballett in Woronesch tätig, seit 2016 als Hauptchormeisterin.
Sie bereiten also den Chor vor und dirigieren bei Aufführungen. Welche Werke zählen zu Ihrem Repertoire?
Um nur einige zu nennen: Die Oper „Iolanta“ von Peter Tschaikowski, „Don Giovanni“ und „Die Zauberflöte“ von Wolfgang Amadeus Mozart, „Schneewittchen“ und „Die Nacht vor Weihnachten“ von Nikolai Rimski-Korsakow, „Pagliacci“ von Ruggero Leoncavallo, die Operetten „Die lustige Witwe“ und „Graf von Luxemburg“ von Franz Lehár, „Die Fledermaus“ und „Der Zigeunerbaron“ von Johann Strauss und viele weitere.
Wie gehen Sie als Profi damit um, dass die meisten Sänger in unseren Chören in der Kirche Laien sind?
Es ist normal, dass in der Kirche Menschen mit unterschiedlichem musikalischen Bildungsstand sind. Viele kennen nicht einmal die Notenschrift. In der Kirche spielen Bildung und sozialer Status keine Rolle. Wichtig ist der Dienst, der im Namen Gottes ausgeführt wird.
Gibt es Unterschiede in Ihrer Herangehensweise beim Dirigieren im Theater und in der Kirche?
Es gibt keinen Unterschied. Eine professionelle Herangehensweise an die Arbeit sollte meiner Meinung nach überall sein. Die Hauptsache ist, dass die Menschen dich annehmen, verstehen, was du ihnen vermitteln willst. Das Verständnis für die Gestik des Dirigenten wird bei den Proben entwickelt.
Kennen Sie eine solche Situation: Jemand singt sehr gerne, kann es aber nicht unbedingt. Was könnte man da machen?
Ich rate solchen Menschen, mehr an sich selbst zu arbeiten und zu lernen, den anderen Sängern zuzuhören, im Ensemble zu singen. Und um zu hören, was und wie die anderen singen, müssen sie selbst leise singen. Ich spreche oft vom Chor als einem Organismus. Es sollte keine „Solisten“ im Chor geben. Das Streben nach Harmonie und Einheit ist für ein Chormitglied wichtig. Man sollte mehr zuhören und dann wird alles klappen.
Sie sind in den kirchlichen Musik-Gremien tätig. In welchen genau?
Wenn der Bedarf da ist, arbeite ich in der Tat in solchen Arbeitsgruppen mit. Das tue ich gern. So wirkte ich in der Arbeitsgruppe zur Erstellung des russischen neuapostolischen Gesangbuches mit. Die Arbeit dauerte mehrere Jahre. Die Gruppe an der Seite von Apostel Sergey Bastrikov bestand aus sechs Personen. Wir arbeiteten intensiv mit der Bibel, diskutierten und wogen die Übersetzungsmöglichkeiten der Liedtexte ab. Dann haben wir die Liedersammlung selbst gestaltet. Die Arbeit war mühsam, aber spannend. Ich denke mit großer Herzenswärme an diese Zeit zurück. Außerdem hielt ich auf Einladung von Bezirksapostel Wolfgang Nadolny Seminare für Chorleiter in Kasachstan, in St. Petersburg und in Moskau.
Was waren Ihre besonderen Erlebnisse dank der Aufgabe als Dirigentin in der Kirche?
Es gibt viele solcher Erfahrungen. Dank meiner Arbeit im Chor kann ich bei Gottesdiensten mit dem Stammapostel dabei sein. Dank der Chorarbeit habe ich wunderbare Menschen in unserer Kirche in Russland und im Ausland getroffen. Eine der schönsten Erinnerungen ist die Teilnahme am Internationalen Kirchentag in München. Es kam mir vor, als sei die ganze Stadt voller Brüder und Schwestern gewesen. Es war ein wunderbares Gefühl der Gemeinschaft. Dies war auch das erste Mal, dass unser überregionaler Chor auftrat und Russland vertrat. Alle waren sehr aufgeregt, das Konzertprogramm war vielfältig: russische Volkslieder, Tänze, Kirchenlieder. Die Vorarbeiten waren kompliziert und mühsam. Aber alles, was wir taten, war zur Ehre Gottes – und es gelang uns.
Und wenn es mal nicht nach Plan läuft? Was hilft Ihnen in solchen Momenten?
Im Leben läuft nicht immer alles glatt und einfach. Aber in schwierigen Zeiten hilft mir der Glaube an unseren Herrn. Er wird immer unterstützen und helfen, trösten und führen.
Das Interview erschien zuerst in der Zeitschrift „Unsere Familie“, Ausgabe 1/2020.