Das Heilige Abendmahl „in der zusammengelegten Kreaturform“? Eine neuapostolische Besonderheit machte die Kirche vor 100 Jahren für alle Bezirke zur Pflicht. Was dahinter steckt, erzählt die Neuauflage der Hostien-Serie.
Es war die erste Apostelversammlung nach dem Ersten Weltkrieg. Und wenig davon drang nach außen: Zu „vielstündigen Besprechungen, die sich der Kenntnis der Öffentlichkeit entziehen“ trafen sich die Apostel im späten Juli 1919 am Stammapostel-Wohnort in Quelle (Westdeutschland). So berichtete es die „Neuapostolische Rundschau“ einen Monat später. Beraten und beschlossen werden „die zeitwichtigen Angelegenheiten der Werksache“.
Doch dann: „Den Mittelpunkt der Apostelversammlung nach der öffentlichen Seite bildete, wie immer, der sonntägliche Festgottesdienst“ – unter der Leitung von Stammapostel Hermann Niehaus Als besonders erwähnenswert erachtete das Wochenblatt dabei die „öffentliche, gemeinsame Feier des heiligen Abendmahls in der zusammengelegten Kreaturform“.
Der Stammapostel als Wegbereiter
Was es damit auf sich hat, das hatte die Rundschau-Redaktion schon zwei Jahre zuvor zusammengefasst – in einer Antwort auf eine Leserfrage: „Das Heilige Abendmahl wurde zuerst seit Ostern“, des Jahres 1917, „in Bielefeld und dann nach und nach in den meisten Apostelbezirken in veränderter Form dargereicht“. Und zwar so, „dass die Hostien mit dem Weine getauft werden und somit dann der Leib und das Blut Christi in der geheiligten getauften Hostie vereint dargereicht wird“.
Was heute ganz normal ist, war da noch unerhört neu: Der Wein kam nicht mehr in einem Kelch auf den Tisch des Herren, sondern in Gestalt von Tropfen auf der Hostie. „Die neue Form der Darreichung hat bisher allgemein befriedigt“, berichtete die Zeitschrift „Ob sie auch für die Zeit nach dem Kriege beibehalten wird, wird der Stammapostel zur Zeit bestimmen.“
Mancher hält am Kelch fest
Doch so ganz einhellig war die Zustimmung dann wohl doch nicht: „Etliche gibt es, die sich nicht in die neuen Gesetze finden können, die z.B. beim heiligen Abendmahle noch aus dem Kelche trinken wollen“, beklagt die „Neuapostolische Rundschau“ noch im Juni 1919. Und hält dem entgegen: „Im Laufe der Jahrhunderte hat die äußere Form der Darreichung der Sakramente mancherlei Wandlungen erfahren.“
„Ist aber darum die Taufe wertloser um deswillen geworden, weil sie nicht mehr am Jordan vollzogen werden kann? Oder das Abendmahl, da es nicht so herumgereicht wird, wie es Jesus vor 1900 Jahren persönlich einführt?“ Die klare Antwort folgte auf dem Fuße: „Mitnichten“.
Aus der Gegenwart für die Gegenwart
„Daraus erkennen wir, wie die Gesetze den Zeitverhältnissen entsprechend immer neu gegeben werden mussten. Wir dürfen daher auch nicht am alten hängen bleiben; denn die Offenbarungen wurden immer aus der Gegenwartszeit für die Gegenwart gegeben.“ Und es sei Aufgabe der Apostel zu erkennen, den Plan Gottes für die Vollendung zu erkennen.
Diese klaren Worte hatten eine Menge Gewicht, was man allerdings erst auf den zweiten Blick erkennt. Denn der Rundschau-Artikel war mit „S.N.“ unterzeichnet. Und dahinter verbirgt sich nicht etwa ein Autorenkürzel, sondern die Wendung „Signiert Niehaus“. Sprich: Dieser Text war vom Kirchenleiter höchst selbst abgesegnet.
Per Apostelbeschluss angeordnet
So wurde die Kombi-Hostie kurz nach der Juli-Versammlung zur Pflicht: „Durch Apostelbeschluss ist dieses nun für das ganze Werk angeordnet worden“, schrieb der damalige Apostel Johann Gottfried Bischoff im September 1919 an die Gemeinden und Amtsträger seines Arbeitsbereiches. Die noch vorhandenen Abendmahlsweine könnten zwar noch aufgebraucht werden. Aber ansonsten galt: „Die großen Abendmahlskannen brauchen infolgedessen nicht mehr auf den Altar gestellt zu werden, sondern nur die Kelche und Patenen.“
Wie die Kombi-Hostie offiziell wurde, ist also klar. Doch warum wurde sie überhaupt eingeführt? Und ist diese Darreichungsform denn ordnungsgemäß? Damit befassen sich die nächsten Teile der neuen Serie, die in monatlicher Folge erscheinen.
Foto: Zentralarchiv NAK NRW