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Optikermeister beim Blick ins Herz

Dezember 18, 2024

Author: Peter Johanning

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Typisch für seine Heimatregion war er eigentlich nicht: Weder humorlos noch halsstarrig oder gar arrogant. Hermann Engelauf war ein freudiger, freundlicher, zugewandter Mensch. 100 Jahre alt würde er am 19. Dezember.

In Bielefeld wurde Hermann Engelauf 1924 geboren – in Bielefeld starb er 2011. Das klingt nach einem eher standorttreuen Lebenslauf, doch weit gefehlt: Engelaufs Wirkungskreis war die Welt, sowohl im übertragenen als auch konkreten Sinn. Der Optikermeister hatte einen guten Blick für die Bedürfnisse anderer Menschen aus allen Schichten und auf allen Kontinenten.

Als Apostel war er ein ausgesprochener Missionar. Als Bezirksapostel sorgte er für regelmäßige Gemeindegründungen und nachhaltige Personalentscheide. Nachdem Stammapostel Urwyler ihn 1980 zum Bezirksapostel für den Bezirksapostelbereich Nordrhein-Westfalen (Deutschland) berufen hatte, „ging ein wahrer Ruck durch die Bezirke“, so einer seiner späteren Amtsnachfolger.

Geschichten und Erlebnisse

Da gibt es zum Beispiel diese Geschichte, die immer wieder erzählt wird, wenn der Name Engelauf fällt: Er fährt mit einigen Mitarbeitern im Auto durch die Straßen von Lissabon auf der Suche nach einem Grundstück für den Bau einer ersten neuapostolischen Kirche in Portugal und sieht vor einem leerstehenden Haus einen Mann. Er lässt das Auto anhalten, geht auf den Mann zu, sieht, dass das Buch eine Bibel ist und gewinnt ihn für beides: den Bau des Kirchengebäudes und die Gründung der Igreja Nova Apostólica. Kurze Zeit später wurde Manuel Luiz in Bielefeld zum ersten portugiesischen Apostel ordiniert.

Oder: Der Bezirksapostel besucht überraschend eine kleine Vorort-Gemeinde, erkundigt sich in der Sakristei nach dem Befinden der Gemeinde und besonders nach einem Diakon, schlägt die Bibel wahllos auf, liest darin und ordiniert den Diakon zum Priester – ohne Ankündigung, ohne Vorgespräch, ohne Erklärungen, nur mit Gottvertrauen. Am Nachmittag desselben Sonntags leitet der neu-ordinierte Priester bereits einen ersten Gottesdienst.

Dergleichen Geschichten gibt es viele. Hermann Engelauf hatte eben den besonderen Blick für Menschen. Er schaute ihnen nicht allein vor den Kopf, sondern ins Herz. 

Jugendseminare und Hostienbäckerei

Mit ihm zog eine entspannte, freudige Predigtpraxis in die Gottesdienste ein. Er lobte gern, war einflussreich durch eine inspirierende Rhetorik und freundliche Körpersprache. Und immer wieder gewann sein Lächeln die Herzen der Menschen. Für Jugendthemen war er sehr aufgeschlossen, initiierte die landesweiten Jugendseminare und Freizeitaktivitäten. Dafür nahm er gern Geld in die Hand und legte damit den Grundstein für die allseits gelobte Jugendarbeit in seinem Bezirk.

Die von ihm geförderte und modernisierte Hostienbäckerei in Bielefeld belieferte in Spitzenzeiten alle neuapostolischen Gemeinden weltweit mit Hostien. Auch diese Kosten übernahm seine Gebietskirche.

Annäherung und Versöhnung

Hermann Engelauf und Werner Kuhlen waren Freunde aus alten Tagen. Er und der Sohn des in den 1950er Jahren aus der Kirche ausgeschlossenen Bezirksapostels Peter Kuhlen hatten ihren Kontakt Gott sei Dank nie ganz abreißen lassen. So blieb der – wenngleich schmale – Gesprächsfaden zwischen apostolischer und neuapostolischer Tradition erhalten.

Schließlich kam es zu einem persönlichen Treffen zwischen Stammapostel Wilhelm Leber und Werner Kuhlen. Dieser Sonntagnachmittag am 30. März 2008 war ein wichtiger Meilenstein für den Neubeginn der Beziehungen zwischen beiden Kirchen. Die offizielle Unterzeichnung der Versöhnungserklärung am 29. November 2014 erlebte Hermann Engelauf nicht mehr mit. Wie hätte er sich darüber gefreut! 

Trauerfeier und Erinnerung

Im Oktober 2011 schloss der Ruheständler seine Augen. Der oben erwähnte Diakon, den er überraschend ins Priesteramt ordiniert hatte, war mittlerweile Bischof und feierte noch das Heilige Abendmahl mit ihm. Der damalige Stammapostel Wilhelm Leber leitete die Trauerfeier in Hermann Engelaufs Heimatgemeinde Bielefeld-Süd. Mit ihm waren neben der großen Trauergemeinde knapp 40 Bezirksapostel und Apostel angereist, darunter auch Stammapostel i.R. Richard Fehr. Der Bibeltext für die Predigt steht in Jesaja 32,8: „Aber der Edle hat edle Gedanken und beharrt bei Edlem.“ Ein zutreffender Satz!

Hermann Engelauf wirkte 25 Jahre in leitender Position, davon 14 Jahre als Apostel und elf Jahre als Bezirksapostel. Lehrer, Brückenbauer, Friedensstifter, Würdenträger – viele solcher Ehrenbezeichnungen träfen auf ihn zu. Vor allem aber war er eins: ein Philanthrop – ein Menschenfreund.


Foto: Oliver Rütten

Dezember 18, 2024

Author: Peter Johanning

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