150 Jahre alt wird Kanada in diesem Jahr. Ein Grund für Stammapostel Jean-Luc Schneider, über Frieden und Versöhnung zu sprechen – mit den Ureinwohnern des Landes. Einblicke in ein Treffen der besonderen Art:
First Nations heißen sie heute. Dieser Begriff macht deutlich, dass die indigenen Völker einen Status besitzen, der sich auf das Völkerrecht berufen kann. Das ist mehr als eine Minderheit, die besonderen Schutz verdient. Sie waren schon da, als Kanada noch nicht weiß, noch nicht europäisch geprägt war. Ländereien, Flüsse, Bäume, die gesamte Landschaft gehörten ihnen, den vielen Stämmen der Ureinwohner des riesigen Landes im Norden des amerikanischen Kontinents.
Auf seiner letzten Reise in die Provinz Saskatchewan hatte Stammapostel Schneider ausgiebig Gelegenheit, sich die Sorgen und Wünsche dieser Menschen anzuhören. Er traf sich mit einer Delegation der First Nations. Die Chiefs sprachen mit ihm über Frieden und Versöhnung, schilderten ihre Geschichte und gaben ihrer Hoffnung Ausdruck, dass sich die heutigen Generationen mit Respekt an die Geschichte ihres Landes erinnern.
Zwangszivilisierung
Inzwischen ist bekannt, dass seit 1867 mehr als 150.000 Kinder der Ureinwohner quer durchs Land in staatliche Schulen geschickt wurden. Diese Kinder sollten zivilisiert werden und als Christen aufwachsen – so der Plan. Man trennte sie gegen ihren Willen von ihren Eltern. In den Schulen waren sie wie Fremde. Mentale, psychische und physische Gewalt wurde ihr Alltag. So lautet das Fazit der kanadischen Regierung, die ganz offiziell von einem „kulturellen Genozid“ spricht. Am 11. Juni 2008 entschuldigte sich der damalige Ministerpräsident Stephen Harper öffentlich bei den First Nations. Im selben Jahr wurde eine Wahrheits- und Versöhnungskommission eingesetzt (Truth and Reconciliation Commission).
Evangelium als Richtschnur
In seiner Rede vor den Chiefs der First Nations machte der internationale Kirchenleiter deutlich, wie unerhört wichtig dieser Versöhnungsprozess sei. „Als Christen ist es unser Anliegen, Ihre Sorgen, Ihre Leiden zu teilen. Wir sind uns heute bewusst, dass es gerade die Europäer und die Christen waren, die so viel Leid in dieses Land brachten.“ Er unterstrich deutlich, dass solches Vorgehen keineswegs durch das Evangelium von Jesus Christus abgedeckt sei. „Im Gegenteil: gerade das Evangelium ist Grundlage für Frieden und Versöhnung.“ Und dann führte er drei Grundwahrheiten des Evangeliums an:
- „Jesus Christus hat gelehrt, dass der Mensch seinen Nächsten so lieben soll wie sich selbst!“ Das Kirchenoberhaupt bedauerte, dass es gerade dieser Leitsatz ist, der so oft von den Christen vergessen würde.
- Wo Geld, Macht, Wohlstand und persönliche Ehre die Überhand gewinnen, beginne der Mensch, böse zu werden. „Wenn das alles wichtiger wird als der Kummer meines Nächsten, dann wird die Goldene Regel der Nächstenliebe gebrochen!“ Wer sich aber an das Evangelium hält, werde niemals seinen Nächsten vergessen.
- Jesus Christus brachte sein Leben als Opfer zum Heil für alle Menschen. „Diese Liebe schenkt uns die Kraft, unsere Unterschiedlichkeiten zu überwinden.“ Viele Menschen glauben, dass sich der Nächste ändern müsse, um den eigenen Ansprüchen gerecht zu werden. Dieses Denken führe dazu, Unterschiede ausmerzen zu wollen. Das aber sage das Evangelium nicht: „Die Unterschiedlichkeit des Anderen zu respektieren, lehrt die Schrift, ihn anzunehmen, wie er ist, mit seinen Traditionen, Kulturen, biografischen Hintergründen.“ Nächstenliebe heiße: „Liebe den Anderen, wie er ist – nicht wie du ihn haben willst.“
Betende Begleitung
Für den weiteren Weg zur Wahrheit und Versöhnung wünschte der Stammapostel allen Teilnehmern Kraft und den Segen Gottes. „Das sind nicht nur Worte – wir empfinden das auch so“, sprach er für sich und die eingeladenen neuapostolischen Gäste. Man werde den Prozess betend begleiten. Und damit machte der Stammapostel auch gleich Ernst:
Einige der Chiefs nahmen am Sonntagsgottesdienst teil, den Stammapostel Schneider in Saskatoon feierte. In seinem Gebet unmittelbar vor der Feier des Heiligen Abendmahls für Entschlafene betete er besonders für die vielen Opfer aus den First Nations, die zum Teil sehr leidvoll und ohne die für sie so wichtige enge Bindung an ihre Heimat, ihren Stamm sterben mussten. Das berührte die eingeladenen Gäste sehr.