Vom stillen Erwarten bis zur handfesten Erneuerung: Diesen Weg zeichnen die Juni-Sonntage. Der Heilige Geist wird ersehnt, empfangen und als bleibende Kraft in der Kirche erfahren.
1. Juni – Ein Raum des Wartens
Im Obergemach Jerusalems harren die Jünger „einmütig im Gebet“ aus – nicht resigniert, sondern voller Erwartung auf Gottes Kraft. Die Gegenwart des Auferstandenen ist noch spürbar, doch erst das verheißene Feuer aus der Höhe wird sie befähigen, Zeugnis zu geben.
Der Juniauftakt greift dieses Bild auf: Auch heutige Glaubende ziehen sich geistlich zurück, um im Gebet Einheit zu suchen und Raum zu schaffen, in dem der Geist wirken kann. Wer miteinander betet, lernt zuzuhören – zuerst auf Gott, dann aufeinander. So bereitet die Gemeinde den Boden, auf dem der Geist später sein Wirken entfalten kann.
8. Juni – Wind des Aufbruchs
Pfingsten setzt einen Paukenschlag: Der „Geist der Wahrheit“ öffnet Herz und Verstand, macht deutlich, wer Gott ist – und wer wir selber sind: Sünder, die Gnade brauchen, doch zugleich Begnadigte, die das Evangelium bekennen dürfen. Diese doppelte Erkenntnis macht glaubwürdig; Worte und Taten beginnen zusammenzuklingen.
Authentizität bleibt nicht privat. Wer vom Geist ergriffen ist, wagt Klartext, ohne besserwisserisch zu wirken, und hält Versprechen, wenn es unbequem wird. Diese neue Wahrhaftigkeit legt das Fundament für die Gabenvielfalt, die der nächste Sonntag entfaltet.
15. Juni – Gaben im Verbund
„Verschiedene Gaben, ein Geist … verschiedene Ämter, ein Herr … verschiedene Kräfte, ein Gott“ – der bekannte Dreiklang von Apostel Paulus gibt Antwort auf die Frage nach der Einheit in der Vielfalt. Heute wie damals können erhebliche Spaltungen in der Gemeinde auftreten durch die unterschiedlichen Gaben und unterschiedlichen Vorstellungen über die Freiheit, die der Glaube an Christus schenkt.
Blaupause für den Bauplan einer harmonischen Gemeinde ist das Wesen des dreieinigen Gottes. Niemand erhebt sich über den anderen; jede Begabung ergänzt die andere zum Wohl der Gemeinschaft. Damit wird die Gemeinde selbst zum lebendigen Spiegel des Beziehungsreichtums der Dreieinigkeit.
22. Juni – Kirche als Pfeiler der Wahrheit
Der vierte Sonntag rückt die Kirche in den Blick. Sie ist „Pfeiler und Grundfeste der Wahrheit“ – nicht um Macht zu sichern, sondern um das Evangelium unverfälscht zu bewahren. Wahrheit hat dabei Gesichter: Sie trägt das Wort, lebt die Liebe und hält Christus im Zentrum.
Damit Wahrheit hör- und sichtbar bleibt, fordert der Geist tätige Mitverantwortung. Jede und jeder ist eingeladen, Gaben einzubringen und im Alltag ein „offenes Kirchenfenster“ zur Welt zu sein. So führt das bisher Erlernte zur Erneuerung.
29. Juni – Erneuerung für Lebende und Entschlafene
„Vom Bösen ablassen, Gutes tun, nach Recht trachten“ – der alte Ruf des Propheten Jesaja wird zur letzten Station der Juni-Reise. Er macht deutlich: Geistliches Wachstum führt in tätige Umkehr. Wo Menschen sich reinigen lassen, werden sie selbst zu Botschaftern der Barmherzigkeit.
Der Blick weitet sich auf die Unsichtbaren: Kirche ist Gemeinschaft von Lebenden und Toten. Wer hier Erneuerung erfährt, steht im Dienst einer Hoffnung, die stärker ist als Grabsteine.
So schließt sich der Kreis – aus Wartenden wurden Zeugen, aus einzelnen Gaben ein Leib, aus einer hörenden Gemeinde eine handelnde. Der Heilige Geist bleibt die treibende Kraft, still wie ein Atemzug und zugleich mächtig genug, Mauern zu versetzen.
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