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In Liebe. Im Vertrauen. Mit Gott.

09 06 2025

Author: Simon Heiniger

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Nicht Macht, sondern Liebe und Nähe zum Menschen: Der Stammapostelhelfer zeigt im ersten Gespräch, wie er denkt, fühlt – und glaubt.

Seit gestern steht es fest! Die Neuapostolische Kirche hat mit der Ernennung von Helge Mutschler zum Stammapostelhelfer einen designierten Nachfolger für Stammapostel Jean-Luc Schneider. Bis zu seiner Ordination an Pfingsten 2026 liegt ein gutes Stück Weg vor ihm – Zeit, um die weltweite Kirche kennenzulernen. Und Zeit, damit auch die weltweite Gemeinde ihn kennenlernen kann. Im Vorfeld hat er sich im Gespräch mit dem Kommunikationsleiter der Neuapostolischen Kirche International bereits ersten Fragen gestellt – offen, ehrlich und mit hörbarem Herzschlag.

Lieber Apostel, ein paar Zahlen zu Beginn. Sie sind der 875. Apostel der Neuapostolischen Kirche und werden in rund einem Jahr zum zehnten Stammapostel ordiniert. Dann werden Sie auch zum zehnten Mal „Ja“ zu einem geistlichen Amt beziehungsweise Auftrag gesagt haben.
Können Sie sich noch an Ihr erstes „Ja“ erinnern?

Also … als ich Unterdiakon werden sollte, wusste ich davon Bescheid. Damals, im Herbst 1994 besuchte mich der Bezirksälteste im elterlichen Wohnzimmer in Freudenstadt. Ich wusste, dass ich kurz darauf nach Hannover zum Studieren umziehen werde. Aus diesem Grund sagte ich zu ihm „Hans, ich gehe bald zum Studieren nach Hannover, das ergibt gar keinen Sinn, hier ein Amt anzunehmen.“ An seine Reaktion kann ich mich noch sehr gut erinnern. Er rief laut: „Amt ist Amt.“ (lacht) Das mag aus heutiger Sicht etwas speziell klingen, aber ich muss sagen, damit war der Widerstand gebrochen – nicht aufgrund der Worte, aber ich spürte, dass da etwas Großes dahintersteht und ein Nein jetzt unmöglich war.
Bei den weiteren Amtsstufen war der Schritt vom Diakon zum Priester sehr groß für mich, und ich musste länger darüber nachdenken. Mein „Ja“ hatte ich schon von Anfang an gespürt, aber ich brauchte Zeit. Noch mehr Zeit brauchte ich bei dem Schritt zum Apostelamt. Auch wenn ich dem Ruf Gottes vertraute, war das Ganze nicht so einfach für mich. Ich hatte einen Job, den ich gerne ausübte, und Apostel zu werden verändert das ganze Leben. Aber dieses „Ja“, auch verbunden mit dem Treueschwur gegenüber Jesus Christus und dem Stammapostel, habe ich schon sehr tief gespürt und dementsprechend bewusst gegeben.

Naja … und jetzt bei der Frage nach der Funktion des Stammapostelhelfers… (kurze Pause). Für mich habe ich innerlich sofort gespürt: Diese Sache ist riesengroß. Doch wenn der Stammapostel mit dieser Frage nun zu mir kommt, kommt das von Gott. Das hat er erbeten. Ich habe keine andere Chance, als auf Gott zu vertrauen. Und so nehme ich das an… Ich nehme diesen Ruf mit einem sehr klaren inneren „Ja“ im Glauben und Vertrauen auf Gott an.

In den letzten 50 Jahren ist unsere Kirche in Bewegung geblieben. Welche gute alte Tradition liegt Ihnen am Herzen – und welche Entwicklung war für Sie besonders bedeutsam?

Seelsorge! Seelsorge war eine Säule unserer Kirche. Eine so schöne Tradition. Und ich kann mir gut vorstellen, dass diese wieder mehr in den Mittelpunkt rückt. Es geht um Beziehungsaufbau, aber auch um Beziehungspflege. Ich würde mir das so wünschen … dass „Lust auf Seelsorge“ entsteht. Weil es auch eine schöne Erfahrung für alle Geistlichen sein kann. Seelsorge verbindet. Und wo Verbundenheit ist, da beginnen der Trost und die Freude des Himmels.

Bezüglich der Entwicklung denke ich besonders an Stammapostel Urwyler und die Eigenverantwortung. Darüber bin ich sehr froh. Ich freue mich, dass mehr und mehr das angstfreie Gespräch über Glauben möglich ist. Ohne Vorurteile und auf Augenhöhe miteinander über Glauben zu sprechen, hat so viel Wert. Ich spüre heute nicht mehr so den Druck oder die Erwartung, wie man zu sein oder zu denken hat, sondern mehr Annahme und Sein-Dürfen, und das finde ich eine schöne Entwicklung.

Für die einen geht es zu schnell, für die anderen zu langsam. Die einen fragen: „Ist das noch meine Kirche?“ Die anderen: „Kann sie je meine Heimat werden?“ Wem also kann, wem soll man es überhaupt recht machen?

Mir geht es nicht darum, es jemandem „rechtzumachen“. Das ist nicht meine Aufgabe oder die des Apostolats. Es geht um die Wahrheit und die Klarheit. Und es gibt Wahrheit… Was ist Wahrheit? Jesus Christus.
Und um diese Wahrheit herum existieren Vielfalt und unterschiedlichste Perspektiven.
Wie eine bunte Blumenwiese: So vielfältig kann Gemeinschaft sein. Und wie schön ist es, wenn man sagen kann: Ich sehe dich, ich achte dich – auch wenn du anders bist.
Denn ich selbst bin doch auch anders als der andere. Und ich selbst brauche das doch auch, dass der Gegenüber aus seiner Perspektive sagt: Ich wertschätze dich, Helge, in deiner Andersartigkeit. Das tut mir doch auch gut.

Stichwort Einheit in der Vielfalt: In der Fremde ist man oft begeistert von der Vielfalt, mit welcher man zuhause dann doch so seine Probleme hat. Wie kann es gelingen?

Wie bereits erwähnt: Ich bin absolut Fan von „bunter Blumenwiese“. Doch Vielfalt funktioniert nur durch Dialog. Dialog ist das gemeinsame Hindurchgehen durch Unterschiede, ohne diese beseitigen zu wollen. Zum Dialog gehört: Ich wertschätze das Anderssein des anderen.

Zur Einheit tragen die Liebe zu Gott und zum Nächsten sowie der gemeinsame Glaube und unsere Glaubensgrundsätze bei, die Erwartung des Wiederkommens Jesu, das Apostelamt und und und. Das eint.
Und wenn wir im guten Gespräch bleiben, kann in dieser Einheit Vielfalt gelingen.

Gab es Situationen, in denen Sie sich emotional von Gott distanziert haben? Wie haben Sie „zurückgefunden“?

Ja, diese Situationen habe ich durchaus erlebt. In einer schweren Lebensphase habe ich mich innerlich von Gott distanziert und ihm Vorwürfe gemacht. Das ging eine Zeit so und dann passierte etwas Wunderbares. Ich habe gespürt, dass dieser Gott, von dem ich mich wegdrehte, bei mir bleibt. Ich dachte ich sei schon sehr stark und stur. Aber er war noch viel sturer. (lacht) Dieser Gott entfernt sich nicht, sondern bleibt treu in meinem Leben. Und als ich das realisierte, ging es recht schnell und es kam der Tag, als ich mich ihm wieder ganz zuwandte, mit offenen Armen vor Gott stand, seine Majestät betrachtete und wie Hiob sagte: Nun lege ich meine Hände auf meinen Mund und will nicht mehr sprechen. Ich war restlos begeistert von diesem Gott, von seiner Gnade … und bin es immer noch.

Sie erwähnen Hiob…

Ich habe in jener Zeit so oft das Buch Hiob gelesen und versucht, darin Antwort zu finden. Ich kann es richtig nachempfinden, wie die Freunde von Hiob Unrecht haben … diese altklugen, ach so weisen Freunde. In den Diskussionen mit seinen Freunden habe ich für mich keine Antwort gefunden … Bis mir irgendwann am Ende des Buches Hiob das Licht aufging. Hiob fordert Gott heraus. Gott reagiert darauf: So Hiob, ich habe deine Fragen gehört. Jetzt habe ich ein paar Fragen an dich: Wer hat die Erde geschaffen? Wer hat die Sterne geschaffen? – und so weiter. Das geht eine ganze Weile. Hiob schweigt – demütig. Aber Gott macht weiter. So einfach kommt Hiob nicht davon. Und ganz am Ende des Buches sagt Hiob nur noch: Nun weiß ich, dass du Gott alles vermagst. Der Dialog ist zu Ende, der Fall gelöst.
Für mich habe ich lange gebraucht das zu verstehen.
Die Antwort auf das Leid ist so simpel und doch so schwierig.
Die Antwort auf das Leid ist: Gott.
(schweigt)
Fasse es, wer es fassen will.

Seit 2021 sind Sie auch Teil der Bezirksapostelversammlung. Wie war das erste Zusammentreffen?

(lacht) Das war ein technischer Testlauf drei Tage vor der digitalen Bezirksapostelversammlung während der Pandemie. Einer nach dem anderen stellte kurz das Mikrophon ein, um zu prüfen, ob alles funktioniert.
Das erste persönliche Zusammentreffen war dann schon eindrucksvoll. Ich hatte natürlich einen gehörigen Respekt vor all diesen gestandenen und erfahrenen Gottesmännern. Dann wird man noch vor allen vom Stammapostel zu Themen aufgerufen und nach der Meinung gefragt. Das war schon aufregend … aber auf der anderen Seite war das ein ganz herzliches Aufnehmen, welches ich verspürt habe, so richtig liebevoll. Das hat es mir leicht gemacht.

Auf vielen Ihrer bisherigen Reisen feiern Sie auch im sehr kleinen Rahmen Gottesdienste. Beispielsweise vor etwa einem Jahr auf Grönland. 2023 hingegen waren Sie mit dem Stammapostel im Kongo und hatten in Kananga Gemeinschaft mit fast 30.000 Gläubigen. Wie beschreiben Sie diese unterschiedliche Erfahrung?

Auf Grönland, in Ilulissat, habe ich gemeinsam mit meiner Reisebegleitung Gottesdienst mit einer einzigen Schwester gefeiert. So etwas ist sehr nah, sehr intensiv und sehr familiär. Es war unfassbar schön und bewegend.
Auf der anderen Seite ist das Beispiel Kananga im Kongo, wo sich 26.000 Geschwister versammelt hatten, oder auch der IJT 2019. Dort ist es nahezu unmöglich, die einzelne Person wahrzunehmen. Gerade in großen Hallen wird der Altar stets gut ausgeleuchtet, was dazu führt, dass man selbst nur eine große Masse wahrnimmt. Und da ist es ungleich schwerer, den direkten Draht zum Einzelnen entstehen zu lassen. Und doch – das durfte ich immer spüren – ist da etwas in der Luft, eine Verbundenheit durch die Kraft Heiligen Geistes … ich würde also nicht sagen, dass das anonymer ist. Das kann aber nur der Heilige Geist schaffen. Ich schätze beides.

Einerseits: Ich bin gut, wie ich bin – Gottes Ebenbild. Andererseits: Ich bin Sünder, weil ich Gottes Willen nicht immer erfülle. Wie passt das zusammen?

Das passt nicht zusammen. Diese Ambivalenz ist Ambivalenz, die nicht zusammenpasst. Genauso wie Feuer und Wasser nicht zusammenpassen. An unserem Buß- und Bettag, wie auch in jedem Gottesdienst vor dem Vater-Unser, versuchen wir immer wieder, darüber bewusst zu werden, dass wir Sünder sind. Total verstrickt in Sünde… ohne jegliche Chance selbst da rauszukommen. Aber auf der anderen Seite entwickeln wir auch immer wieder das Bewusstsein: Gott vergibt.
Weil Gott mich gut findet.
Also vielleicht doch nur ein scheinbarer Wiederspruch.

Gott ist eindeutig, Menschen hingegen vieldeutig. Verkomplizieren wir manchmal den christlichen Glauben? – Wenn ja, wie einfach ist es eigentlich?

Im Kern ist die ganze Sache sehr einfach: Gott ist die Liebe und in der Liebe ist keine Angst. Und die vollkommene Liebe treibt die Angst aus. Das sind keine komplizierten Aussagen, sondern tiefste Wahrheit. Den Herrn zu lieben und den Nächsten, ist eigentlich nichts Kompliziertes.

Wir müssen immer wieder zurück zu diesem einfachen Glauben.


Helge Mutschler

Am 8. August 1974 wurde Helge Mutschler in Tübingen (Deutschland) geboren und wuchs mit drei Geschwistern in Freudenstadt im Schwarzwald auf. Nach Abitur und absolviertem Zivildienst studierte Helge Mutschler ab 1995 Rechtswissenschaften an der Universität Hannover. Nach erfolgreichem Abschluss seines Studiums und der Zulassung als Rechtsanwalt im Jahr 2003 übernahm er die Geschäftsführung der Steuerberaterkammer Niedersachsen. 2005 wurde er zum Doktor der Rechtswissenschaften promoviert. Seit 2007 ist Helge Mutschler mit seiner Frau, Ann Juliette verheiratet. Gemeinsam mit ihren Kindern lebt die Familie in Hannover, der Hauptstadt des Bundeslandes Niedersachsen.

Bereits im Alter von 20 Jahren empfing er den ersten Amtsauftrag als Unterdiakon. Es folgten weitere geistliche Aufgaben und Amtseinsetzungen. 2015 ordinierte ihn Stammapostel Jean-Luc Schneider im Alter von 41 Jahren zum Apostel. Sechs Jahre später, im Jahr 2021, erfolgte die Ernennung zum Bezirksapostelhelfer für Nord- und Ostdeutschland. In dieser Funktion betreute er neben den deutschen Gemeinden auch die neuapostolischen Christen in Großbritannien, Irland, Nordeuropa sowie in Russland und Zentralasien.
Seit 2024 berät der Bezirksapostelhelfer als Teil der Koordinationsgruppe der Neuapostolischen Kirche International den Stammapostel.

Mit seiner Ernennung zum Stammapostelhelfer an Pfingsten 2025 ist nun die Frage zur Nachfolge der internationalen Kirchenleitung beantwortet.

09 06 2025

Author: Simon Heiniger

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